1.Kapitel

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1.Kapitel

Samstag 30.November

Klara:

Das rotweinfarbene Sofa ließ mich in meiner Trauer ertrinken. Ich saß auf der kuscheligen Couch bei meinem besten Freund, Mathias. Ich hielt ein weiches Polster in den Armen und platzierte meinen Kopf darauf in der Hoffnung, es würde mich stützen. Als ob es mich davon abhielte, tiefer zu sinken. Eigentlich wollte ich lieber zu Hause bleiben, in meinem Bett liegen und einen warmen Tee trinken. Doch nach dem Videochat mit Mathias konnte ich zu seiner Einladung nicht nein sagen und wollte nicht mehr zu Hause bleiben, wollte weg von meinem Alltag, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Er hatte sogar bei der schlechten Qualität gesehen, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten, und bot seine Schulter zum Ausweinen an.

Ich hörte Mathias in der Küche klappern. Er räumte nur den Geschirrspüler aus, doch es kam mir vor, als wäre er schon eine Ewigkeit weg. Langsam stand ich auf, ging zu seinem E-Flügel und setzte mich auf den Hocker. Ich starrte in die Leere, ohne etwas zu spielen.

»Klara?«

Eine verschlafene Stimme.

Ich kam wieder zu mir und drehte mich um, als Mathias meinen Namen rief. Er hatte ein Glas Wasser in der Hand und ich Augen voller Tränen. Als er mich in diesem Zustand sah, stellte er das Glas auf den Tisch und kam zu mir, um mich zu trösten. Träge stand ich auf und umarmte ihn, schlang meine Arme um seinen Körper und legte meinen Kopf auf seine Brust. Ein warmer Kuss streichelte meinen Kopf und eine Träne rollte über meine Wange.

Ich fühlte mich geborgen, wenn Mathias in meiner Nähe war. Sein Duft beruhigte mich. Er roch nach nassen Tannen und Regen, nach meinen Kindheitserinnerungen bei meiner Oma, nach der Zeit, als ich noch ein Kind sein konnte mit glücklichen Eltern als Familie.

Ich schloss die Augen und genoss diesen Moment.

»Danke, dass ich noch spontan vorbeikommen konnte.«

»Das ist doch nicht der Rede wert. Ich bin immer für dich da!«, sagte er leise und küsste mich auf den Scheitel.

Langsam löste ich mich von ihm. Er schenkte mir ein Lächeln. Ach! Wie sehr ich dieses Lächeln liebte. Als ob er damit die Sorgen aller Welt beseitigen könnte.

Er reichte mir das Glas herüber.

»Danke.«

Ich nahm es an und ging wieder zu dem alleinstehenden E-Flügel. Wie wäre es mit ›Can′t Help Falling In Love‹ von Elvis Presley? Das Lied schwirrte mir schon seit Tagen durch den Kopf. Die einfache Begleitung war so schön, dass jeder weitere Akkord und jede weitere Note, meinem Herzen einen Stich versetzte.

»Oh, ein Klassiker!«, lächelte Mathias und setzte sich zu mir.

»Ja, das stimmt. Ich kann es nicht oft genug hören.«

Er legte die Hand auf die Tastatur und begann eine Melodie zu improvisieren, während ich die Akkorde in Begleitung spielte.

»Du kannst so viel besser spielen als ich«, sagte ich verlegen.

»Dafür kannst dudeine Lieblingslieder in- und auswendig«, entgegnete Mathias lächelnd undspielte weiter.


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Eine Weile später machte Mathias Tee. Wir nahmen zwei warme Decken und kuschelten uns dann auf seinem Balkon aneinander und blickten in die Ferne. Die Aussicht war wunderschön. Ich liebte Wien zur Weihnachtszeit. Es sah heute nach Schnee aus.

Falling Snow - Ironie des Schicksals | LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt