6.Kapitel

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6.Kapitel

Mittwoch 04.Dezember

Klara:

Willkommen in der Sprachbox von 0-6-...

Er hob nicht ab. Gestern Abend, nachdem ich zuHause angekommen war, hatte ich öfters versucht, ihn zu erreichen. Doch er hattekein einziges Mal abgehoben. Ich konnte danach nicht schlafen. Meine Gedankenkreisten die ganze Zeit um ihn. Nachdem ich alle Gedankenschäfchen gezählthatte, sank ich in einen traumlosen Schlaf.

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Mein Handy vibrierte. Schlagartig wachte ich auf und versuchte, es zu finden. Es vibrierte weiter. Als ich es endlich in den Tiefen meines Rucksacks gefunden hatte, war nichts weiter als ein verpasster Anruf da. Es war meine Mama. Ich rief sie zurück. Mit einer fröhlichen Stimme begrüßte sie mich.

„Hallo Liebes! Hab' ich dich aufgeweckt? Du Schlafmütze."

Was? Hatte ich so lange geschlafen? Wie spät war es? Zum Glück hatte ich heute keine Vorlesung und brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben.

„Hallo Mama! Ja, du hast mich erwischt. Hab' noch geschlafen. Wie geht's dir? Alles gut bei euch?"

„Ja, alles bestens. Wir gehen heute zum Christkindlmarkt. Maria und ich. Möchtest du mitkommen? In ca. zwei Stunden."

Oh nein. Nicht schon wieder Christkindlmarkt. Ich konnte mir nicht vorstellen, erneut dahinzugehen. Doch ich hatte schon einmal abgesagt. Also sagte ich für heute zu und ließ mich wieder ins Bett fallen.

Christkindlmarkt. Was für eine Ironie. Als ob ein unsichtbares Dasein meine Mama dazu gebracht hätte, mich dahinzubringen.

Naja, was soll's.

Der Gedanke an den Weihnachtsmarkt ließ mich an Alex denken. Ich nahm das Handy wieder in die Hand und wählte seine Nummer.

Ein Pieps, zwei Pieps.

„Hallo?"

O mein Gott. Jemand hatte tatsächlich abgehoben.

„Hallo?"

Was sollte ich jetzt tun? Nervös setzte ich mich aufrecht hin, sagte aber immer noch nichts.

„Hallo?"

Die Stimme wurde ungeduldiger. Ich sammelte Mut und wagte es zu sprechen.

„Hallo! Alex? Bist du das?"

Es herrschte Stille. Totenstille.

Die Person an der Leitung schien die Zunge verschluckt zu haben. Denn er sagte nichts mehr. Nach ein paar Sekunden legte er auch schon auf. Verwirrt sah ich auf meinen Screen. Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte er ernsthaft aufgelegt? War das überhaupt Alex? Durch das Telefon klangen die Stimmen immer etwas anders, daher war ich mir nicht sicher, ob wirklich er am Telefon gewesen war.

Irritiert stand ich auf und ging ins Bad, um mich fertig zu machen. Schließlich musste ich mich bald mit Mama und Tante Maria treffen. Meine Tante war nur auf Besuch hier. Sie wohnte eigentlich in Salzburg, doch oft in der Vorweihnachtszeit besuchte sie uns und feierte Weihnachten dann mit. Auch sie war allein. Wie meine Mama. Also verstanden sie einander ziemlich gut und ergänzten die Leere in ihrem Leben. Marias Mann hatte sie, ein paar Jahre, nachdem sie geheiratet hatten, verlassen. Sie hatten einen Sohn, der circa in meinem Alter war. Soweit ich mich erinnern konnte, war mein Cousin, auch wie ich, schon ausgezogen und studierte irgendetwas in Graz. Ich sah ihn leider nicht so oft, da zwischen Wien und Graz doch einige Stunden Zugfahrt lagen.

Falling Snow - Ironie des Schicksals | LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt