1991 - Keep the Faith (Bon Jovi)

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Im Sommer fand ich es an der Zeit, die Entwicklung der Gerüche in Goslar zu überprüfen, und ich verbrachte dort drei Ferienwochen, zumeist im Freibad. Abends trieb ich mich mit meinen wenigen in Goslar verbliebenen Freunden in der Altstadt herum oder fuhr einfach durch die Gegend.

Von Gestank war nichts mehr zu riechen. Vereinzelt waren noch Trabis unterwegs, doch die meisten Ostkennzeichen prangten an umweltfreundlicheren Mittelklassefahrzeugen aus Westdeutschland, Frankreich, Japan oder Korea.

Die Konsumtempel der großen Lebensmittelketten waren immer noch brechend voll, eines Nachmittags stand ich sogar vor einem geschlossenen Aldi. Kopfschmerzen machte mir das nicht. Die Wiederherstellung des Friedens auf dem Ernährungssektor war nur eine Frage der Zeit, die Konsumtempel expandierten in einem Affenzahn ostwärts.

Auf einer meiner abendlichen Touren verfranzte ich mich und landete auf einem alten Kolonnenweg der DDR. Diese Lochplattenwege zogen sich entlang der gesamten Ostgrenze; die DDR-Grenzer, die dort patrouillierten, konnten auf diese Weise das gesamte Sperrgebiet zwischen Ost- und Westdeutschland überwachen, das wir im Westen auch den "Todesstreifen" nannten (weil das Gebiet teil- und zeitweise vermint war).

Es war etwas unheimlich, in der Dämmerung diesen verlassenen Geistergrenzpfad entlangzufahren. Was, wenn ein versprengter Grenzer urplötzlich aus dem düsteren Wald hüpfte und mir seine Schusswaffe vor die Nase hielt, weil ihm hier, im Harzer Outback, schlichtweg entgangen war, dass sich Ost und West nun wieder lieb hatten?


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Gewidmet einer jungen Autorin, die sich mit ihrem Werk "Nawooka" auf sehr unterhaltsame Weise für Toleranz und die Überwindung von Vorurteilen einsetzt.

Ich glaube an RobynLandau.

Typisch Ossi - typisch Wessi! Erinnerungen an eine getrennte VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt