Prologue.

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Seufzend sah ich nochmal durch den Raum.

All meine Kindheit.
All meine Erinnerungen.

Das alles lasse ich wegen dieser Lüge fallen.

Erneut ein Seufzer.

Traurig strich ich an der kahlen Wand entlang, die mir plötzlich so kalt erschien.

Nichts blieb von all den herzlichen Erinnerungen zurück.

Nur die Kälte.

Sie war mein einziger Freund, der mir übrig blieb.

Schnell wischte ich meine feuchten Wangen ab und bemerkte, dass mir Tränen herunterliefen.

Quälend fanden sie ihren Weg zum Boden und hinterließen eine feuchte Spur auf meiner Haut.

Ich darf nicht weinen. Wenn ich etwa gelernt habe, dann ist es, kalt zu sein. Kalt. Wie Tyson.

Dann kann mich keiner mehr verletzen.

"Kyla! Das Taxi wartet!", ertönte es von unten, sodass ich leicht aufschreckte und wieder schnell über meine Wangen wischte.

"J-ja Dad, ich komme doch schon!", rief ich genervt zurück und sah mich noch ein letztes Mal im Zimmer um.

All die Möbel waren weg.
Nur eine Spur an der Wand erinnerte an sie. Wo mein Regal stand. Mein Bett und sogar mein Kleiderschrank.

Wie lange stand ich früher vor meinem Kleiderschrank und grübelte darüber, was ich anziehen sollte?

Ich lachte leicht spottend auf.
Alles wurde nach dem Äußeren beurteilt.

Die inneren Werte hatten schon nie gezählt und werden es auch nie tun.

So ist die Gesellschaft.

Mein Blick schweifte zu der nun leeren Wand zu meiner rechten. Dort haben Bilder gehangen. Bilder von mir und Ruby, meiner ehemaligen besten Freundin. Aber auch Sandy, Elenour und Larissa hatten sich oft neben mir in Bildern aufgefunden. Ich hatte viele Freunde.
Die Betonung liegt auf hatte.

Und dann mein Regal.
Ich hatte ein Geheimfach, in das ich immer eine Box tat.
Darin bewahrte ich immer meine ganzen Zettel, die ich in der Schule hin und her geschrieben habe und all meine.. Geheimnisse.

Geheimnisse, die nie wichtig waren.
Keine Geheimnisse sind wichtig.

Es war doch immer nur eine Wichtigtuerei.

Nur eine Einbildung.
Man sah etwas als wichtig und geheim an, obwohl es niemanden juckte.

Nein, wirklich.
Es interessierte niemanden, was für Geheimnisse jemand hatte. Man quetschte immer die Geheimnisse aus einem heraus, obwohl man diese eh nach einer Woche vergessen hatte. Auch wenn ein Geheimnis weiter erzählt wurde, hatte es jeder nach einer Woche in die hintersten Ecken des Gehirns gedrängt. Falls derjenige ein Gehirn hatte.

Somit waren Geheimnisse nicht schlimm. Auch das Ausplaudern von Geheimnissen war alles andere als schlimm.

Das schlimmste waren Lügen.
Ich atmete tief ein.

Man merkte sich Lügen länger, als Geheimnisse. Die ganzen Lügen, diese Dreckslügen werden immer und immer wieder wie Fingernageldreck herausgespult und allen vor die Augen geführt. Diese Lügen sind unvergesslich. Unvergesslich und unverzeihlich.

Diese eine Lüge, diese eine verdammte Lüge hatte mein Leben zerstört.

Sie hatte alles genommen, was ich je besaß.

Wieso musste er diese Lüge erzählen, sodass ich meine ganzen "Freunde" verlor?
Nein, sodass ich alles verlor?

"KYYYLAA!"

Schnell fasste ich mich und machte die Tür zu, bevor ich die Treppen hinunter zu meinem Dad lief.

Die dritte Stufe knarrte, weshalb ich extra über diese sprang.

Ich kannte diese Villa in- und auswendig.
Auch wenn sie alt war, Dad hatte sie von seinem Dad geerbt und dieser von seinem. Wir lebten schon seit meiner Geburt in dieser Villa. In diesem Villenviertel.

Alle Macken, alle Geheimnisse der Villa konnten nicht vor mir bewahrt werden.

Aber ich verliere es.
Ich verliere alles.

Und das alles ist nur seine Schuld.
Ich hasse dich Tyson Johnson.

BlamedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt