Kapitel 3
Die gewaltige Lichtkugel wurde immer größer und größer. Ein Knall ertönte und die Kugel zerbarst und verstreute Feuer im ganzen Raum. Schon bald brannte die Holzeinrichtung lichterloh und die Hitze in dem Raum wurde bald unerträglich.
Kenke rannte so schnell er konnte die Treppe hinauf, immer den Schreien der Frau nach. Die kochende Luft wurde immer drückender, je näher er dem Gästezimmer kam. Schnell wollte er den Türgriff herumdrehen, doch er musste schmerzlich feststellen, dass der Türgriff gerade zu glühend heiß war. Doch für Schmerzen blieb nun keine Zeit, er musste ganz einfach ignoriert werden, so schwierig es auch war. Kenke unterdrückte seinen Schrei und riss die Tür auf. Vor ihm wütete ein unkontrollierbares Inferno. Dachbalken brachen zusammen und vielen funkensprühend zu Boden. Das Knistern der Flammen und das Krachen der Holzbalken erstickten seine Rufe nach der jungen Frau.
Kenke hatte einiges von dem giftigen Rauch eingeatmet, der sich jetzt brennend seinen Weg in seine Lungen bahnte. Er selbst verfiel in einen schmerzenden Hustenkrampf. Mit tränenden Augen versuchte er die Frau zwischen dem Feuer zu erkennen. Er wollte sie bei ihrem Namen rufen, doch wie sollte er? Flammende Zungen versuchten ihn zu greifen, während er durch das Flammenmeer marschierte. Endlich erkannte er einen Arm, dann lange Haare und schließlich die ganze Frau unter Holzstücken begraben. Mühsam holte er sie hervor und trug sie auf seinem Rücken hinaus. Mehrere Verbrennungen waren der Preis für diese Rettung.
Neli schrie im Flur nach ihrem Mann. Dieser kam hektisch und von Schmerzen und Ruhs geplagt die Treppe herunter. Schnell schleifte er seine Neli nach Draußen. Voll Entsetzen starrten sie das abbrennende Haus an. Wie ein riesiges Leuchtfeuer stand es inmitten der Siedlung. „Wie ist das möglich?“, fragte Neli völlig atemlos. „Wie kann Juliasas Feuer auf einmal solche Kräfte entwickeln? Ganz wie zuvor?“ Mit geweiteten Augen und Entsetzen in ihren Gesichtern sahen sie zu wie die erste Etage des Hauses zusammen brach.
Kenke legte die bewusstlose Frau in das feuchte Gras und schüttelte sie leicht und vorsichtig, um sie aufzuwecken. Doch statt ihrer, regte sich in dem flackerndem Licht des Feuers jemand anders. „Selnor?“, rief Kenke in die Nacht. Jemand stöhnte leise und ein großer Mann richtete sich auf. „Kenke?“ Leicht wacklig auf den Beinen taumelte er zu ihnen herüber. „Was hast du dort nur gemacht?“, fragte Kenke seinen Freund etwas verwundert. Selnor rieb sich die Stirn. „Ich bin hier her gekommen um euch abzuholen damit wir aufbrechen können. Dann habe ich die Frau am Fenster gesehen. Plötzlich hat sie die Kerzenflamme berührt und ein gewaltiger Lichtstrahl setzte das Zimmer in Brand.“ „Bist du sicher, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist?“, fragte Neli ungläubig und etwas spöttisch. „Ich scherze nicht! Seht euch doch um!“ Selnor wies in die Runde.
Die Siedlung erstrahlte in neuem Licht. Waren die Kerzen sogar heller als vor der Sonnenfinsternis? Hatten sie sich geirrt? War diese Frau nicht ein Abbild Dragandas, sondern Juliasas?
Auf der Suche nach einem Rastplatz für die Nacht, fühlte sich Kenke unwohl. Es lag nicht an dem plötzlichen Abschied, oder daran, dass er die schlafende Frau auf seinem Rücken trug. Während Selnors Augen die die Gegend auskundschafteten, sah Kenke gen Himmel. Waren die Sterne heller als sonst? Wenn Kenke sich etwas nicht erklären konnte, machte ihn sein Unterbewusstsein verrückt. Er hatte das Gefühl schon längst zu wissen, was an diesem Abend geschehen war. Hinter ihm murmelte das schöne Mädchen im Schlaf. War sie genauso unruhig wie er? Er fragte sich, ob er in dieser Nacht überhaupt zum Schlafen kommen würde.
*
"Eine Insel im Zentrum unserer Macht. Hier wachen wir, so nehmt euch in Acht! Von Nebel umhüllt, von Magie erfüllt.
Kehre zurück in dein Leben. Mein Feuer soll dich leiten und Dunkelheit durchbrechen. Egondre herrscht grausam, und aus tiefer Verzweiflung. Geblendet von der Liebe, die er nicht haben konnte. Verzeiht uns, Gefährtin! Unachtsam waren wir. Kehrt zurück zum Wächter der Nacht und endet Egondres Verzweiflungstat!"
Immer leiser wurde die Stimme in ihrem Kopf. Innerlich flehte sie die Frauenstimme an bei ihr zu bleiben. Die vertraute Stimme sprach wirre Worte zu ihr. Sie wachte rückartig auf, vielleicht aus Wut, denn sie wusste mit diesem Traum nichts anzufangen.
*
Ruckartig öffnete die Frau die Augen und schreckte hoch. Hatte sie einen schlechten Traum?
„Ein Traum?“ Die Frau zuckte bei dem Klang Kenkes Stimme zusammen. Langsam sah sie sich um und realisierte wieder wo sie sich befanden. „Ja. Leider habe ich ihn nicht verstanden. Also eine weitere Frage, die auf meinem Herzen lastet.“ Kenke stocherte mit einem Ast im Feuer herum und brachte es zum Funken sprühen. „Genau deshalb gehen wir nach Süden, zu den Anateli.“ Die Frau nickte und legte sich wieder auf ihre Decke. Sie zog eine weitere Decke über ihren Körper, um sich warm zu halten. „Ich habe euch doch nicht geweckt, oder?“ „Nein, macht euch keine Sorgen. Mich plagen ebenfalls viele Fragen. Sie hindern mich an einem ruhigen Schlaf.“ Die Frau kuschelte sich daraufhin in ihre Decke und schloss die Augen.
Kenke saß noch lange am wärmenden Feuer. Das Knistern, das Rascheln der Bäume um sie herum, das gleichmäßige Atmen seiner Gefährten, entspannten ihn ein wenig. Selnor hatte einen guten Rastplatz für sie gefunden. Eine felsenumrahmte Lichtung nahe dem Waldrand. Und trotzdem mussten sie auf der Hut bleiben. Sicher schlichen sogar in diesem Augenblick bösartige Kreaturen um sie herum, doch das grelle Feuer würde sie vor den Tieren schützen.
Je länger Kenke die Natur beobachtete, desto intensiver wurde der Gedanke, dass die Natur aus ihrem Schlaf erwacht war. Das Wasser plätscherte lauter, der Wind wurde lebhafter, die Erde feuchter und das Feuer heißer. Und das seitdem diese mysteriöse Frau das Feuer berührt hatte. War sie möglicherweise eine Frau aus den nördlichen Ländereien? Dort wo die Menschen der Herrin Juliasa dienten. Es hieß, dass es dort Frauen gab die sich ganz der Lehre der Herrin unterwarfen und somit lernten das Feuer zu kontrollieren. Vielleicht hatte diese Frau das Feuer beschworen? Doch warum wurden auch die anderen Herren aufmerksam? Ein Zeichen?
Kenke rieb sich die Schläfen. Sein Kopf fühlte sich unheimlich schwer an. Es schien als würde ein aufgeschreckter Bienenschwarm in seinem Kopf umher surren. Müde und erschöpft lehnte er sich gegen einen Felsen und sackte zusammen. Er schloss seine schwarzen Augen und versank in einen festen Tiefschlaf ohne Träume.
*
Der schwarze Mond war fort und hatte seine glänzenden Sterne mit sich genommen. Die drei Wanderer streiften tagelang durch die Länder. Kenke, Selnor und die Frau ohne Erinnerungen durchquerten Wälder und Flüsse. Die Frau musste wohl noch nie in ihrem Leben so viel Laufen, denn oft wurde sie entweder von Selnor oder von Kenke ein Stück getragen, wenn ihre eigenen Beine nicht mehr vermochten sie zu tragen. Kenke hoffte nur immer wieder, dass es sich für sie auch tatsächlich lohnen würde mit den Anateli zu sprechen.
Am vierten Tag schließlich, blickten sie zu einem gewaltigen Pass auf. Allein das Licht der Sterne ermöglichte es ihnen den Berg zu sehen. Der Berg Antelûs war schon seit Jahrzehnten die Heimat des Volkes der Erde. Vor ihnen machte sich die uralte Stadt Ekrypto auf. In einer Sage hieß es, dass die Herrin Anante ihre Ansichten dem Volk Anateli weitergeben wollte. Sie errichtete die Stadt Ekrypto und schrieb in die roten Steine der Mauern ihre Weisheiten, welche die Bewohner der Stadt noch immer versuchten zu enträtseln.
DU LIEST GERADE
Die Legende der ersten Sonnenfinsternis
FantasíaDas Land Saluley wurde von sechs Herren und Herrinen erschaffen. Doch dann wurde die Herrin der Sonne entführt und nach Saluley gebracht. Von da an verloren die Sonne und der Mond ihre Kraft und eine Zeit der Dunkelheit brach an. Die einzige Chance...