Kapitel 4

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Eine ganze Stunde ist vergangen, in der meine 'Mitbewohnerin' und ich uns darüber unterhalten haben, weshalb ich hier sein könnte. Ich habe ihr von der Beerdigung und dem Mord erzählt, aber für sie ist das alles genau so verwirrend wie für mich.

Schwere Schritte nähern sich unserer Zelle. Ich erahne den Umriss zweier Menschen im vagen Licht und versuche sie besser erkennen zu können. Aber nein... ich sehe bis auf den schwarzen Umriss rein gar nichts. "5 Minuten. Ich bleibe und hör zu, damit ihr euch nicht absprechen könnt." Das war definitiv die Stimme von Nummer zwei.

Nummer zwei alias Militärtypi schloss unsere Zelle auf, warf die zweite Gestalt hinein und schloss sie wieder zu. Die Gestalt richtete sich auf und stand unmittelbar vor mir. "Sunrose?", flüsterte die Gestalt mir zu. Sofort erkannte ich die Stimme, doch wie er meinen Namen sagte... Irgendetwas war hier falsch. "Patrick? Was... Warum?" "Pssscht. Alles ist gut. Die Personen hier sind alle super nett, sie haben mir sogar ein Tagebuch gegeben." "Tagebuch" Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. "Ja. Wie meine Tage hier so sind. Sie haben mir ein Heft mit Blättern gegeben und sogar Stifte. Du kannst ihnen vertrauen und sie fragen, falls du etwas brauchst." "Aber warum sind wir hier?" "Das darf ich dir nicht sagen, es könnte als Abspracheversuch gelten." "Ich versteh nicht." "Das brauchst du auch nicht." Er strich mir sanft eine Strähne hinter mein Ohr. "Wie sind wir hierher gekommen?", fragte ich ungerührt. Patrick neigte seinen Kopf leicht zur Seite. So kann ich sogar seinen Gesichtsausdruck sehen, da nun endlich etwas Licht auf ihn herabscheint. Streng. Ernst. Leicht von Wut verzerrt. Was war nur mit ihm los? Ich berührte seine Schulter in der Hoffnung er würde sich durch die Berührung besser fühlen. Tatsächlich wurde sein Gesichtsausdruck etwas weicher und er sah mich wieder an. "Wir sind im Polizeiauto mitgefahren. Hier angekommen wurden mir Handschellen angelegt und du wurdest... Du warst noch bewusstlos und da... Sie haben jemanden geholt der..." "Der?" Beschämt schaute er zu Boden. "Der dich in deine Zelle getragen hat", zischte er durch seine zusammengegepressten Zähne. Ich lache nur. "Was ist daran so schlimm? Ich würde die Handschellen schlimmer finden." Er schnauft aber scheint bemüht ein Lächeln aufzusetzen. Das Lächeln ähnelt jedoch mehr einer Grimasse, als einem symphatischen, freundlichem Lächeln. Ich grinste und flüsterte, so wie er zuvor: "Gekünstelter geht's wohl nicht." Da muss auch er anfangen zu grinsen. Er zieht mich in seine Arme und ich erlaube mir einen Atemzug von seinem beruhigenden Duft. Er hält mich nun auf Armlänge von sich und mustert mich. "Geht es dir gut?" Ich überlege. Geht es mir gut? Ich weiß es nicht. "Ja", stoße ich hervor. "Noch eine Minute!", drängt Nummer zwei. Verloren in seinen Augen lasse ich es zu, dass er sich vorbeugt und seine sanften, weichen Lippen auf meine drückt.

So verweilen wir ein paar Momente lang, ehe er sich dem Kuss entzieht und ich ihn traurig anschaue. "Ich liebe dich, Sunrose." "Ich"...bin sprachlos. Also küsse ich ihn einfach noch einmal mit Tränen in den Augen. Seine warmen Hände ruhen an meiner Taille und erinnern mich so sehr an alte Zeiten. Schöne Zeiten. Aber etwas war anders... neu. Seine Hände wanderten zu meinem Rücken, unter mein T-Shirt, hoch zu meinem BH. Das hat er sonst nie gemacht. Ich will ihn vorsichtig von mir wegschieben, aber er hält mich fest an sich gedrückt. "Was zum...?" Ich zapple, doch das verstärkt nur seinen Griff. "Halt still. Du wirst das später verstehen." "Was soll ich verstehen?" Seine Hände machen sich weiter ans Werk. "Die Zeit ist um." Ich spüre noch eine letzte hektische Bewegung an meinem  Rücken, dort wo die Öffnung meines BHs ist, ehe er seine Hände von mir abwendet und eine Kalte Leere an meinem Rücken, in meiner Zelle und in mir zurücklässt. Die beiden sind fort -  und ich weiß nicht für wie lange.

"Man war das abgefahren" Meine Mitbewohnerin kommt aus ihrem Versteck gekrochen und gesellt sich zu mir. "Es war... komisch" "Ach, komisch sind doch alle Jungs", sie machte eine wegwischende Handbewegung "Du bist also Sunrose?" "Und wer bist du?" "Ich heiße Mandy." "Hallo Mandy." Sie prustete laut los. "Was ist denn?" "Nichts nichts... du bist nur so anders." "Anders als wer?", gebe ich patzig zurück.

"Anders als alle hier."

UnheilbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt