»Hättest du am [beliebigen Zeitpunkt einsetzen] Zeit, ich würde mich nämlich echt gerne mal mit dir treffen?«
»Nein, das klingt irgendwie unromantisch. Außerdem, wenn sie für sich dann einen Termin einsetzt und ich zufällig einen anderen für mich, dann verpassen wir uns vielleicht. Was schreibt der Nächste?«
Ich saß mit Sophie im Bus und wir hatten „Wie frage ich ein Mädchen nach einem Date" gegooglet. Ich hatte meine Zweifel, wieweit uns gutefrage.de bringen würde aber ich wollte Sophie nicht enttäuschen indem ich die Idee sofort ablehne. Gut, zugegeben, es war meine Idee gewesen und Sophie war nicht überzeugt. Aber montags schlägt sie mir nie was ab, sie weiß, dass das einer meiner Lieblingstage ist.
»DrSweet21 schreibt: „Ich wünschte du wärst ein Bild. – Wieso? – Weil ich dich gern gegen die Wand nageln würde«, fuhr meine Schwester fort.
»Aber ich weiß ja gar nicht ob sie christlich ist.«
Sophie lugte mich so verständnislos über ihr Handy hinweg an, dass sie Mom Konkurrenz machen würde.
»Naja, das ist doch ganz eindeutig eine Anspielung auf Jesus, oder? Gut, da war es ein Kreuz aber...«
Zu meiner Überraschung begann Sophie mitten in meinem Satz laut loszulachen und spuckte dabei ihren Kaugummi auf ihren Handybildschirm. Sie hat irgendwie Probleme damit, ihr Essen im Mund zu behalten. Dann, zu meiner noch größeren Überraschung, – man hatte sie schon fast vergessen – plötzlicher Auftritt der Lolli-Diebin. Sie hatte uns vermutlich belauscht, um zu erfahren, ob wir Lollis dabeihatten, denn sie begann synchron mit meiner Schwester zu lachen. Ich entschied mich, auch loszulachen. Immerhin war Sophie meine Zwillingsschwester und wenn jemand was synchron mit ihr macht, dann bin das ja wohl ich.
»Vergiss das Ganze einfach und geh ganz spontan und locker an die Sache ran.«
Und bei diesen Worten warf sie den Kaugummi, der noch immer an ihrem Handy klebte, auf die daraufhin bestürzt aufkreischende Lolli-Diebin und gab mir noch einen Kuss auf die Wange, bevor sie ausstieg.
***
Immer noch die Treppen und die fehlende Behindertenfreundlichkeit beziehungsweise den fehlenden Aufzug verfluchend, stolperte ich durch die halb offen stehende Tür unseres Klassenzimmers, welche ich dabei mit dem Fuß komplett aufstieß. Plötzlich ein kurzer Aufschrei, dann Pause. Dann eine ruhige aber deutlich schmerzverzerrte Stimme.
»Du bist doch ein sportlicher Typ Bob, was schnaufst du denn so?«
Ich ging um die Tür herum und brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass Alice am Boden lag und mit ihren leuchtenden Augen zu mir heraufblickte. Sie grinste herausfordernd und versuchte sich das Blut, welches ausgehend von der linken Seite ihrer Stirn dickflüssig über ihr Gesicht zu fließen begann, mit dem Ärmel ihres T-Shirts abzuwischen. Der Kontrast ihrer weißblauen Augen und dem hellroten, über ihr Gesicht verschmiertem Blut gaben ihr etwas Wildes und Urtümliches. Sie war wunderschön. Schließlich streckte sie die Hand nach mir aus und ließ sich hochhelfen. Als sie wieder stand, grinste ich zurück und suchte fieberhaft nach einer möglichst lässigen Antwort.
»Wie stehst du zu Jesus?«
Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich kippte vornüber. Das letzte, was ich sah, war eine Tischkante, die sich geradewegs auf mich zubewegte. Oder ich bewegte mich geradewegs auf sie zu, das wäre das logischere. Andererseits wenn Schulbänke eine Seele hätten, wäre es bestimmt eine sehr schwarze. Ein Leben lang von Kindern vollgekritzelt und langsam zerlöchert zu werden, ganz abgesehen von den ganzen ekligen Kaugummis...da hegt man sicher den ein oder anderen Rachegedanken. Deshalb war ich mir nicht ganz sicher, ob der Tisch mir nicht die letzten Zentimeter kaum merklich entgegen gesprungen war.
Dieser Gedanke also, ob der Tisch mir entgegengekommen war, war der erste, der mir in den Kopf gekommen war, als ich wieder zu mir gekommen war. Kommt man da mit?
Dann setzte sich die Welt mit einem gewaltigen Dröhnen in meinem Schädel aus ihren einzelnen scharfkantigen Splittern langsam wieder zusammen und ich blinzelte.
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Karamellgedanken
Teen Fiction„Ein fulminanter Roman, voll von grandiosem Charm und meisterhafter Tragik, verwoben mit einer literarischen - ja gar poetischen - Meisterleistung, die den Geist unserer Zeit trifft wie kaum ein Anderes" - Postbote mit Brille „Ich habe jede Seite da...