7. Von einer chinesischen Patch-Work Familie und einem pseudoseriösen Autokauf

35 5 3
                                    

"Eine Cola und zwei von diesen kleinen Whisky-Fläschchen bitte."

Die Stewardess musterte Alice abschätzend von der Seite und öffnete gerade den Mund um uns vermutlich darauf hinzuweisen, dass wir nicht achtzehn waren. Oder sie wollte fragen ob wir nicht gleich drei Fläschchen wollten, weil in einer schon recht wenig drinnen ist. Vielleicht wollte sie auch fragen, ob wir noch ein Eis wollen oder ob wir eine kleine Spende für Strickjacken für Pinguins hätten. Das sollte ich aber leider nie erfahren, denn Alice kam ihr zuvor und deutete auf die Hinterköpfe der beiden Passagiere vor uns.

"Wir sind beide schon achtzehn. Unsere Eltern haben die Ausweise, wenn sie einen sehen wollen. Aber ich weiß nicht, ob ich meinen Vater an ihrer Stelle wegen einer solchen Sache stören würde, er kann manchmal etwas aufbrausend sein."

Sie deutete wohl im Eifer ihrer Lüge etwas zu heftig und stach dem Mann den Zeigefinger in die Haare, worauf diese seltsamerweise nach vorne wanderten. Ich hob verwundert die Brauen und auch die Stewardess und Alice beobachteten erstaunt, wie die schwarzen Haare sich immer weiter Richtung Gesicht zurückzogen und schließlich ganz verschwanden. Vor uns ertönte ein überraschend seltsam klingender überraschter Laut. Vermutlich befanden sich die ganzen Haare nun im Gesicht des Mannes, da würde ich wahrscheinlich auch so klingen. Vielleicht hatte er ein paar davon in den Mund bekommen. Schließlich drehte sich der Mann und sein ebenfalls sehr männlich aussehender Sitznachbar zu uns um. Haare hatte der Erste keine im Gesicht, im Gegenteil: Er war allem Anschein nach - ebenso wie der Mann neben ihm - ein Asiate. Wütend begann der eine in einem unverständlichen Kauderwelsch auf uns einzuschimpfen und mit seinem Toupet zu wedeln. Der Zweite legte seinem Freund beschwichtigend die Hände auf die Schultern und lächelte und nickte immer wieder entschuldigend in unsere Richtung. Daraufhin begann nun auch Alice auf asiatisch zu antworten, was den Mann jedoch nur noch wütender zu machen schien. Erbost schüttelte er den Kopf. Dann schnipste meine Begleiterin plötzlich und hob einen Finger an die Lippen des Mannes um ihn zum Schweigen zu bringen. Während dieser verwirrt auf den Finger schielte und der andere immer noch lächelte und nickte, wandt sich Alice wieder der Stewardess zu.

"Er meint die Ausweise sind ganz hinten in seiner Tasche und er holt sie jetzt sicher nicht heraus. Sie sollen uns einfach geben was wir wollen, sonst will er sich bei ihrem Chef beschweren."

"Du willst mir weismachen, ihr seid die Kinder von diesen beiden Herren?", begann die Stewardess zweifelnd und blickte von den zwei Asiaten zu uns und wieder zurück.

"Adoptivkinder. Finden sie es wohl nicht in Ordnung, wenn zwei schwule Männer heiraten und Kinder adoptieren? Oder haben sie einfach etwas gegen Chinesen?" Dabei wurde Alice immer lauter und viele der anderen Passagiere drehten sich empört zu uns um. Der nun immer röter werdende Kopf der Stewardess wollte gerade etwas erwidern, wurde jedoch von dem erneut zu schimpfen beginnenden Asiaten unterbrochen. Diesmal zeigte er auf die Flugbegleiterin und stand dabei auf. Auch sein Freund (oder war es jetzt doch sein Ehemann?) erhob sich. Kritisch musterte ich die Gesichter der Beiden und kurz danach mein Spiegelbild im Handydisplay. Eine Ähnlichkeit konnte ich nicht feststellen. Hierbei erwies sich jedoch auch als Problem, dass ich um ihnen ähnlich zu sehen, die Augen zusammenkneifen musste, wodurch ich wiederum mein Spiegelbild nicht sehen konnte. Das sollten meine Eltern sein? Naja, vielleicht die Ohrenpartie...?
Dann müsste ich lachen als mir plötzlich wieder einfiel, dass Alice ja nur Mist erzählte, um an den Alkohol zu kommen. Stolz auf meine Erkenntnis grinste ich in Richtung der Anderen. Doch dort hatte niemand etwas von meiner kurzen Idensitätskrise mitbekommen. Es war nämlich eine handfeste Diskussion entstanden, in welcher die Stewardess vor den aufgebrachten Passagieren richtigzustellen versuchte, dass sie nichts gegen schwule Chinesen hatte, der glatzköpfige Asiate rumbrüllte, während sein Freund immer noch lächelte und nickte. Ab und zu schoss dieser nun auch ein Selfie. Alice hatte unterdessen den halben Inhalt des Getränkewagens leergeräumt und in ihrem Rucksack verstaut.
Um nicht jede Minute hier genauestens beschreiben zu müssen, fasse ich den Werdegang der einzelnen Personen in den anschließenden Stunden noch kurz zusammen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

KaramellgedankenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt