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Selbst im Taxi ging mein Atem noch schwer und ich versuchte mich krampfhaft zu beruhigen, während ich selber spürte, wie mein Herz viel zu schnell schlug, wie der Schweiß auf meiner Stirn stand. Mit einem endgültigen Ruck blieb der Wagen vor dem Hotel stehen und ich reichte dem Taxifahrer mit zitternden Fingern das Geld und stand dann mit wackeligen Beinen aus. In meiner Handtasche suchte ich nach der Schlüsselkarte, während ich mit gesenktem Kopf, um die Wahrscheinlichkeit erkannt zu werden zu vermindern, durch den Foyer und dann zum Aufzug ging, wo ich auf den Knopf drückte.

Der Aufzug brauchte sage und schreibe siebeneinhalb Minuten, ehe er ankam, was ich auch nur wusste, weil ich praktisch alle zehn Sekunden auf die Uhr schaute. Noch immer brannte in mir das Verlangen nach Fly, nach Morphium, nach allem, was ich haben konnte. Das Verlangen war wie ein Feuer, das nicht erlosch, ein Feuer, das immer in mir weiter brannte und Gelegenheiten wie diese, Situationen wie eben jene, der ich gerade entkommen waren, fachten es weiter an, brachten die Glut zum Brennen.

Ich ließ meinen Kopf gegen die kalte Glaswand sinken und wartete darauf, dass sich die Tür schloss, da ich den Knopf bereits gedrückt hatte, als sich im letzten Moment eine Hand dazwischen drängte und die Türen wieder aufstieß.

Mein Atem ging schneller, als ich den Mann erkannte, der mir gegenüber stand. Und mein Herz wurde schwer. Einerseits, weil es nicht der war, den ich erhofft hatte, andererseits, wegen allem, was uns verband. So viel Trauer, so viel Dunkelheit. Wenn nur alles anders gekommen wäre, dann würde uns dieses Band von Schuld nicht verbinden, dann wäre er vielleicht einmal mehr gewesen, als nur mein unbiologischer Bruder. Vielleicht wären in einer anderen Zeit unter anderen Umständen Clyde und ich mehr geworden, aber was uns verband war so viel Schmerz, dass das nicht möglich war.

Seine Augen bohrten sich in meine und er strich sich über das weiße Hemd, krempelte die Ärmel hoch, während er sich mir gegenüber anlehnte und kein Wort sprach. So wie er dastand, mit den perfekt sitzenden Haaren und dem besorgtem Gesichtsausdruck, dem schief gelegtem Kopf und den Tattoos, die unter seinen Armen hervorlugten, sah er aus, wie ein Model, dass direkt aus einem Katalog entsprungen war, welches für teure high quality Hemden warb.

Erst, als sich der Aufzug in Gang gesetzt hatte, öffnete er den Mund und begann zu sprechen. „Kaelin," sagte er nur. Ein Wort, mein Name und es war genug, um meine Beine unter mir nachgeben zu lassen. Ich rutschte an der Wand hinunter, und vergrub mein Gesicht in meinen Händen, während ich selber spürte wie mir die Tränen kamen, während ich selber spürte, wie mich die Leere in mir wieder zerriss.

„Kaelin," sagte er wieder nur und ließ sich vor mir auf die Knie fallen, wollte mich festhalten, näher kommen, doch verharrte in dieser Position. Er kannte mich, wusste, dass ich in solchen Situationen besser alleine gelassen werden sollte, um es nicht schlimmer zu machen. Ich wollte gar nicht wissen, wie das für ihn sein musste. Nicht helfen können, während jemand vor einem zusammenbrach, nicht helfen können, nur warten bis es vorbei war. Ich hasste es Menschen, die mir etwas bedeuteten, ihn, in eine solche Situation zu bringen, aber wir hatten schon viel schlimmeres durchgemacht, wir würden das hier auch schaffen.

Als sich die Fahrstuhltüren ein weiteres Mal öffneten, brach er die Stille, die nur hin und wieder von meinen Schluchzern unterbrochen wurde. „Kaelin, kannst du aufstehen?"

Ich versuchte zu Atem zu kommen, versuchte all die Panik, die in mir schwelgte hinunterzuschlucken und rappelte mich auf, ließ dabei die Schlüsselkarte fallen und wollte danach greifen, doch er war schneller und nahm sie mir ab.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ging ihm zögerlich nach, sah wie im Nebel, wie er das Zimmer aufsperrte und mir die Tür aufhielt, ehe er sie hinter uns schloss.

Der lange dunkle Gang erstreckte sich vor mir und ich atmete tief durch, als ich auf mein Schlafzimmer zuging, mir nur zu gut bewusst war, dass ich nicht allein war, aber ich wusste auch, dass Clyde nichts tun würde. Es war Clyde. Mein Hades. Ich war Kaelin. Seine Persephone. Wir waren des anderen Untergang und doch abhängig vom anderen, würden ohne den anderen vergehen.

Dort wo er mir half zu überleben, gab ich ihm Stärke, Normalität. Dort wo ich ihn einfach brauchte, war er froh sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, auch wenn ich wusste, dass er glaubte, dass es nicht genug war. Dass er nicht genug war.

„Wie schlimm?", fragte er, als ich mich auf das Bett fallen ließ und er die Decke über mich ausbreitete. Ich hielt zwei Hände hoch und zeigte ihm eine vier. Seine Antwort war ein einfaches Nicken.

„Kannst du reden?"

Er wusste, dass ich zum Teil so extrem wegen dem Stress reagierte, zum anderen wegen dem Drogenentzug. Auch wenn mir klar war, dass kalter Entzug eine schlechte Idee war, versuchte ich es manchmal auszureizen, ein oder zwei Tage länger durchzuhalten, auch wenn es mich fast umbrachte. Das hier war Tag 13 und ich wusste, dass ich bald wieder Fly brauchte und nicht Morphium, niemals wieder Morphium, das bereits einmal mein Leben zerstört hatte. Da war Fly noch die bessere Lösung. Entspannung, angenehme, positive Halluzinationen und keine Nebenwirkungen, die für den Menschen gefährlich waren. Die Modedroge, die von Clyde entwickelt wurde, war extra so abgestimmt, dass sie extrem abhängig machte, ohne offensichtliche Nebenwirkungen zu zeigen, wie schlechte Haut, Haarausfall oder das Vergehen des menschlichen Körpers.

„Ja," sagte ich und hörte selber wie meine Stimme zitterte. „Es war nur Stress."

„Lüg jemand anderen an, K," gab er ohne zu zögern zurück, erkannte meine Teilwahrheit in unglaublicher Geschwindigkeit.

Ich schluckte. „Wieso warst du da?", fragte ich. „Wieso bist du gekommen, ich hätte das geschafft."

„Weil ich mich um dich sorge, Kaelin, weil ich dir das schulde, bei allem, was du wegen mir durchgemacht hast..."

„Fang nicht wieder davon an. Ich habe schlimme Dinge durchgemacht, das weiß ich selber, ich war zweimal in einer Entzugsklinik, bin dreimal abgestürzt und war für zweieinhalb Jahre Morphium abhängig, ehe ich auf Fly umgestiegen bin. Und ich werde dich nicht anlügen, Clyde. Es war deine Schuld, dass mir das geschehen ist, und es ist deine Schuld, dass ich jetzt hier bin." Ich hatte mich in Fahr geredet, während ich spürte, wie meine Finger aufhörten zu zittern. Ich sah, wie Clyde zusammenzuckte, sah den Schmerz in seinen Augen und die Schuldgefühle.

„Wenn ich dir nur irgendwie helfen kann, mit Drogen, mit irgendetwas, das du brauchst, du weißt, dass du es mir nur sagen musst. In der ganzen Stadt schulden mir überall Menschen einen Gefallen oder Geld."

„Bitte geh einfach," sagte ich und er stand wirklich von meinem breiten Bett auf und ich spürte, wie sich die Matratze hob und wieder senkte.

„Ok," sagte er und war bereits halb aus der Tür, als mir etwas einfiel.

„Warte," sagte ich und er blieb stehen. „Eigentlich gibt es etwas, bei dem du mir helfen kannst und das nichts mit Drogen zu tun hatte."

Ich wusste, dass das, was ich tun würde falsch war, aber ich wusste auch, dass Grayson das auch tun würde, um sein Geheimnis zu schützen und ich hatte so viel zu verlieren. Ich konnte mir es nicht leisten, nachgeben zu müssen. Ich konnte, wollte mir nicht leisten Fly zu verlieren.

„Grayson Callaghan, der Sänger. Er hat ein Geheimnis. Finde jemanden, der es herausfinden kann. So kannst du mir helfen." Ich hörte den kalten Ton in meiner Stimme und wusste selber, dass es nicht richtig war, spürte die Schuldgefühle, die in mir aufstiegen, doch drängte ich sie zurück.

Jetzt war nicht die Zeit für Kaelin, die Nachgiebige, die die ihren Schwächen täglich erliegt.

Jetzt war Zeit für Persephone, für Bonnie, die die Aufstand und das Chaos hinter sich ignorierte.

Jetzt war Zeit für Graysons Geheimnis.

Strange LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt