Kapitel 4 - Gerechtes Urteil

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Ein dumpfer harter Schlag in den Magen ließ Lexas Reflexe wieder zum Leben erwachen. Nur verschwommen konnte sie die Gestalten um sich herum erkennen, als sie auch schon einen Schwall Wasser hustend von sich gab. Ihr ganzer Körper bebte vor Kälte und ihre Kehle brannte. Es gelang ihr, ihre Augen lange genug offen zu halten um Gustus und die dunkelhäutige Kriegerin zu erkennen, die auch schon das unbekannte Mädchen nach Tondc gebracht hatte, bevor sie erneut das Bewusstsein verlor.

Als Lexa das nächste Mal wach wurde, spürte sie dass sie nicht mehr am weichen Seeufer lag, sondern auf einer harten Unterlage. Rasch setzt sie sich auf und wollte sich gerade von dem Tisch, auf dem sie gelegen hatte, auf ihre Beine abstützen, als ein sengender Schmerz in ihrer rechten Wade sie einknicken ließ. Überrascht von dem Schmerz schrie sie auf und keinen Augenblick später, wurde sie von mehreren Händen gepackt und wieder auf den Tisch gehoben.

Sofort schossen die Erinnerungen an die groben Hände des Grounders zurück in ihr Bewusstsein und sogleich versuchte sich Lexa panisch von den Händen zu befreien die sie hielten. Erst die vertraute Stimme ihrer Mentorin, beruhigte sie etwas. „Lexa! Sieh mich an! Es ist alles gut, du bist in Sicherheit! Lexa! Beruhig dich!" Anyas Stimme bebte. Vielleicht war es genau diese Unsicherheit in ihrer Stimme, die Lexa inne halten ließ. Verwirrt musterte sie das Gesicht der Kommandantin, welche sich über sie gebeugt hatte und an beiden Schultern wieder fest auf den Tisch hinunter drückte.

Sie hatte Anya noch nie so aufgelöst gesehen. Ihre Augen waren rot, als wären kurz zuvor noch Tränen darin gewesen, aber das konnte nicht sein! Oder doch? Nein, Anya würde niemals Schwäche zeigen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, erschien die unbekannte Kriegerin, die auch am See bei ihr gewesen war, in Lexas Sicht und hielt ihr etwas vor den Mund. „Beiß fest hier drauf." Nervös blickte Lexa wieder hinüber zu Anya, die versuchte sie aufmunternd anzulächeln. Moment!?! Anya lächelte sie an? Nun wusste Lexa gar nicht mehr wie ihr geschah. „Tu was Indra dir sagt." Anyas Gesichtszüge waren nun wieder etwas ernster und der gewohnt Anblick gab Lexa etwas Sicherheit zurück, so dass sie ihren Mund öffnete und das Stück Holz zwischen ihre Zähne nahm, welches Indra ihr immer noch hinhielt.

Erst jetzt bemerkte sie, dass hinter Indra auch Nyko den Raum betreten hatte und mit dem Rücken zu ihr vor der Feuerstelle stand. Langsam dämmerte Lexa, was ihr gleich blühen würde und sie begann sich unter dem festen Griff von Anya zu winden. Anya hatte große Mühe sie weiterhin festzuhalten, so dass Indra ihr zur Hilfe kam und Lexas verletztes Bein umklammerte. Der Schmerz, der sofort wieder durch sie hindurch zuckte, verstärkte ihre Angst jedoch umso mehr, so dass ein leises Wimmern über ihre Lippen kam. Nur am Rande nahm sie Anyas Stimme war „Scht! Lexa, beruhig dich. Sieh mich an!" Anya wartete bis der Blick ihrer Sekundantin ihren traf und versuchte sie weiter zu ermutigen „Du bist eine Kriegerin. Sei stark, mach mich stolz, ja?" Sie wartete bis Lexa ein zögerliches Nicken zustande gebracht hatte, erst dann gab sie Nyko das Zeichen, dass er damit beginnen konnte die Wunde auszubrennen.

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Mit einem anerkennenden Nicken ließ Anya von Lexa ab. Sie hatte große Tapferkeit bewiesen und versucht sich die Schmerzen kaum anmerken zu lassen. Kurz hatten sich ihre Gesichtszüge verkrampft, doch nicht ein Laut war mehr über ihre Lippen gekommen. Nun war es an ihr endlich erleichtert durchzuatmen. Die letzten Tage waren wirklich nervenaufreibend gewesen und gänzlich durchgestanden waren ihre Probleme wohl noch nicht, wenn sie den bewusstlosen Grounder betrachtete, den man zusammen mit Lexa nach Tondc gebracht hatte.

Bereits nach einer kurzen Untersuchung hatte für Nyko festgestanden, dass er sich um Lexas Wunden kümmern würde, denn dem unbekannten Krieger war nicht mehr zu helfen. Wenn Nyko Recht behielt, würde er nicht einmal mehr erwachen und es würde ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben als seinem Leben ein schonendes und baldiges Ende zu bereiten. Umso erleichtert war Anya, dass Lexa, abgesehen von der Wunde am Bein und dem Wasser das sie geschluckt hatte, unverletzt zu sein schien. Während Nyko die ausgebrannte Wunde mit einer kühlenden rötlichen Salbe bestrich, die er schon bei Costia verwendet hatte, gewährte Anya Lexa noch einen Moment Ruhe, bevor sie mit der Befragung begann.

„Lexa, wir können nicht warten bis du dich ausgeruht hast, du musst mir erzählen was vorgefallen ist. Erinnerst du dich an den Überfall? Von wem oder was seid ihr angegriffen worden?" Nach einem kurzen Zögern begann Lexa zu sprechen „Ich.. war alleine beim See um zu fischen und dann.. dann wurde ich angegriffen." „Wie haben die Angreifer ausgesehen? Hatten sie Narben? Kannst du dich an etwas anderes erinnern?" Als Lexa den Kopf schüttelte, hörte Anya Indra hinter sich schnauben, doch zu Anyas Überraschung sprach Lexa weiter „Der Mann hatte keine Narben. Er hatte eine Maske über dem Mund und hier etwas grüne Farbe" Sie deutete auf ihre rechte Schläfe.

Anyas Blick schoss zu dem bewusstlosen Krieger, der im Vorraum von Nykos Behausung auf einem Tisch lag. Lexas Beschreibung passte genau, doch wieso sollte ein Krieger der Trikru ein junges Mädchen auf dem Gebiet seines eigenes Clans angreifen? Noch während Anya darüber nachdachte, wie diese Dinge zusammenpassten, ergriff Indra das Wort und ihre Stimme zeigte deutlich, dass sie an Lexas Geschichte zweifelte „Ein treuer Krieger der Trikru wie Bron würde niemals einfach so ein wehrloses Kind überfallen!". Anyas Blick flog wieder zu dem Gesicht ihrer Sekundantin, in dem sie die Wirkung von Indras Bemerkung nur zu deutlich ablesen konnte. Bevor Lexa zu einer trotzigen Antwort ansetzen konnte, fuhr sie dazwischen. „Indra hat Recht, du musst uns die ganze Geschichte erzählen. Was wollte Bron von dir? Hat er sich vielleicht durch irgendwas provoziert gefühlt?"

Lexa hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah ihre Mentorin wütend an „Er hat mich einfach angegriffen, ich.." „Lügen ist eine Schwäche!" Nun konnte man auch aus Indras Stimme die Wut heraushören „ICH LÜGE NICHT UND ICH BIN NICHT SCHWACH!" schrie Lexa zurück. Völlig geschockt starrte Anya das junge Mädchen an, noch nie hatte sie Lexa so außer sich erlebt und niemals zuvor hatte sie einer Kriegerin gegenüber den Respekt verloren. „Indra, lass und alleine!" Ebenfalls völlig perplex, wandte sich die Kriegerin zum Gehen und ließ Anya mit ihrem Schützling alleine.

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Auch die weitere Befragung von Lexa, hatte keine neuen Erkenntnisse für Anya ergeben. Immer wieder hatte sie beteuert, dass sie alleine mit dem nun völlig leblosen Krieger gewesen war und dieser sie ganz ohne für Lexa erkennbaren Grund attackiert hatte. Für Anya war die Sache damit abgeschlossen. Sie würden die Sichtweise von Bron ohnehin nicht mehr zu hören bekommen, denn dieser hatte vor wenigen Minuten das Atmen endgültig eingestellt. Doch Indra, die soweit Anya sich erinnerte, die Ausbildung des noch recht jungen Kriegers beendet hatte, würde ihr keine Ruhe lassen, wenn sie über seinen Tod kein gerechtes Urteil fällen würde.

Genau wie sie es vermutetet hatte, hatte Indra auch bereits alle vollwertigen Krieger aus Tondc auf dem Dorfplatz zusammengetrommelt, als Anya sich zu ihnen gesellte. Sie blickte in die erwartungsvolle Gesichter bevor sie mit fester Stimme zu ihnen sprach „Der Kampf eines Kriegers ist zu Ende. Wir werden unserem Bruder heute Nacht die letzte Ehre erweisen, der im Kampf Krieger gegen Krieger von uns gegangen ist. Er hat einen Feind gesehen wo keiner war und diesen Irrtum mit dem Leben bezahlt. Wir alle müssen uns darauf besinnen wer der wahre Feind dort draußen ist. Viele Brüder und Schwestern wurden uns in der letzten Nacht gewaltsam genommen und ich schwöre bei meinem Blut, dass ihr Tod nicht ungerächt bleiben wird!" Bei ihrem letzten Satz, hatte Anya ihre Stimme noch etwas Nachdruck verliehen, so dass sich nun zustimmende Rufe um sie herum laut machten.

Niemand würde die Ereignisse mehr hinterfragen, denn jeder würde sich auf den bevorstehenden Vergeltungsschlag konzentrieren. Mit der Verbrennung von Bron am Abend, würde das Abwarten ein Ende finden. Sie mussten endlich handeln, bevor noch mehr ihrer Leute sich aus unerklärlichen Gründen gegeneinander wandten. Doch bevor sie sich zu den Überresten des Dorfes aufmachen würde, aus dem Bron, Indra und auch Costia gekommen waren, hatte sie noch eine andere Pflicht zu erfüllen. Schweren Herzens wandte sich Anya wieder um, doch bevor sie zu ihrer eigenen Hütte zurückkehren konnte, um sich selbst noch ein wenig auszuruhen, spürte sie den harten Griff von Indra um ihren Arm, die sie ein paar Meter vom Dorfplatz wegzog, bevor sie auch schon begann wütend auf sie einzureden „Krieger gegen Krieger?! Einer meiner besten Sekundanten wurde von einem Kind mit einem Stein erschlagen! Das nennst du Ehre?!" Anya hob beschwichtigend die Arme um ihre Freundin zu beruhigen, doch diese ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen „Sie hat einen Krieger unseres Clans getötet! Du musst.." „ICH WEIß WAS ICH TUN MUSS!" schrie Anya nun zurück. Schwer atmend versuchte sie sich zu beruhigen, bevor sie weiter sprach „Lexa würde mich nie belügen! Wenn sie sagt, dass sie angegriffen wurde, dann vertraue ich ihr!" Gerade als Indra wieder dazwischenfahren wollte, hob Anya erneut die Arme, diesmal ließ ihre Haltung keinen Widerspruch zu „Sie hat einen Krieger in einem Kampf getötet, damit hat sie ihre Stärke und ihren Mut bewiesen. Nichts anderes ist jetzt noch von Bedeutung und wenn dir mein Urteil nicht passt, solltest du mich zu einem Zweikampf fordern, denn noch bin ich die Kommandantin!" Für einen Moment ließ Anya ihrer Gegenüber die Zeit etwas darauf zu erwidern, doch genau wie sie es erwartet hatte, würde Indra niemals ihre Stellung anzweifeln. Zweifel am Kommandanten war in Indras Augen bereits Verrat und sie würde sich diese Blöße niemals geben, dafür legte sie viel zu viel Wert auf ihren Ehrenkodex als Kriegerin. „Und nun bereite alles für die Verbrennung vor, ich werde mich um meine Sekundantin kümmern." Mit diesen Worten drehte sich Anya auf dem Absatz um und ließ Indra alleine zurück.

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Der Geruch von verbrennendem Fleisch stieg Lexa in die Nase, als sie aus ihrem traumlosen Schlaf hochschreckte. Nachdem Anya sie bei Nyko zurückgelassen hatte, hatte dieser ihr eine leicht süßliche Tinktur verabreicht, damit sie nach all der Aufregung ein wenig Schlaf finden konnte. Als sie sich nun auf dem harten Tisch aufsetzte, sah sie dass sie alleine war. Auch der leblose Körper, den sie kurz bevor ihr die Augen zugefallen waren, im Nebenraum hatte liegen sehen, war verschwunden. War er es der auf dem Dorfplatz verbrannt wurde? Lexa hatte das Todesritual schon einige Male selber mit angesehen, doch noch nie hatte sie darüber nachdenken müssen, ob es ihre Schuld war, dass der Scheiterhaufen entzündet wurde. Tränen stiegen ihr in die Augen, als ihr Bewusst wurde, dass der Stein, den sie in ihrer Verzweiflung auf ihren Angreifer geschleudert hatte, sein Ziel wohl gefunden hatte. Die ersten Tränen rannen über ihre Wangen und sie sah auf ihre verbundenen Hände hinunter. Hatte sie wirklich ein Leben beendet? Immer mehr Tropfen trafen auf die Verbände. Sie hatte sich doch nur wehren wollen!

Doch genau das, wollte ihr niemand glauben... Ein leises Schniefen drang über ihre Lippen, als sie an Anyas ungläubigen Gesichtsausdruck zurückdachte, an Indras wütende Stimme... würde man sie verurteilen für das was geschehen war? Ihre Lippen begannen zu zittern, als sie daran dachte was Dieben und Mördern widerfuhr wenn sie schuldig gesprochen wurden. Tod durch Tausend Schnitte... Lexa biss sich auf die zitternde Unterlippe. Nein, das würde Anya ihr nicht antun, oder doch? Welche Wahl hatte sie als Kommandantin? Würde man Lexa verschonen, weil sie ein Kind war? Mit viel Mühe gelang es Lexa den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken. Vielleicht hatte sie Glück und man würde sie nur verbannen? Sie zog vorsichtig die Knie etwas an ihren bebenden Oberkörper und schlang ihre Arme darum, bevor sie ihr Gesicht in ihrem Schoß vergrub und die neu aufkommenden Tränen nicht zurückhalten konnte. Sie würde verhungern, oder erfrieren oder.. Lexa schlang ihre Arme noch fester um sich, als die Bilder vor ihren Augen erschienen, wie ihr Vater vor ihren Augen von diesen Reapern zerrissen worden war. Lange Zeit war es ihr gelungen die Erinnerung daran zu verdrängen, doch die Ungewissheit darüber was nun mit ihr geschehen würde, trieb die schrecklichen Ereignisse wieder zurück an die Oberfläche. Erst das laute Knarzen der Türe riss sie aus ihrem Alptraum zurück in die Wirklichkeit. Vor ihr stand Anya mit einem spitzen Gegenstand in der Hand.

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Völlig überrascht Lexa so aufgelöst vorzufinden, blieb Anya zunächst im Türrahmen stehen. Erst als der verklärte Blick ihres Schützlings sie traf, löste sich Anya aus ihrer Starre und Schritt näher auf Lexa zu, was diese zusammenzucken ließ. Irritiert beobachtete Anya, wie Lexas Blick zwischen ihr und dem Gegenstand in ihrer Hand hin und her wanderte und jetzt verstand sie, welche Gedanken wohl in dem jungen Kopf vor sich herumirren mussten „Keine Sorge, ich werde dir nichts tun." Zum Zeichen das sie wirklich nichts zu befürchten hatte, legte Anya die lange Metallspitze zu Lexa auf den Tisch und trat wieder einen Schritt davon zurück. Mit zitternden Fingern nahm Lexa das kalte Metall in die Hand und musterte es, dann sah sie wieder zu ihrer Mentorin. Während Lexa den Gegenstand betrachtet hatte, hatte Anya den Entschluss gefasst sie erst einmal in ihre eigene Behausung zurückzubringen und dann mit der Zeremonie zu beginnen, dir ihr beider Leben von nun verändern würde.

Sie trat zu Lexa an den Tisch heran und fasste ihr mit einem Arm um die Schulter, bevor sie die andere unter ihre Beine legte „Halt dich an mir fest" Lexa kam der Aufforderung sofort nach und Anya hob sie ohne große Anstrengung von dem unbequemen Tisch herunter. Den ganzen Weg bis zu ihrer Unterkunft legten sie schweigend zurück. Vorsichtig setzte Anya Lexa vor der Feuerstelle ihrer Hütte auf einem der weichen Felle ab. Erst jetzt bemerkte Lexa, dass sie nicht alleine in dem Raum waren. Während Anya damit beschäftigt war einige Utensilien zusammen zu suchen und Wasser in eine kleine Schale zu gießen, betrachtete Lexa das blonde Mädchen zu ihrer rechten, welches sie bisher nur schlafend gesehen hatte. Ihren Blick hatte sie starr auf das Feuer vor sich gerichtet und es schien fast so, als wäre sie in Gedanken gar nicht wirklich anwesend. Nur ihre Finger spielten nervös mit einem Gegenstand, den Lexa bei genauerem Hinsehen als einen zweischneidigen Dolch identifizieren konnte.

Ein leises Donnern lenkte Lexas Aufmerksamkeit kurz von dem Mädchen neben sich ab, doch ein schneller Blick zur Tür genügte um sich zu vergewissern, dass lediglich ein neues Unwetter begonnen hatte. Lexa atmete tief ein und wieder aus um die Anspannung aus ihrem Körper zu lösen. Gerade als ihren Kopf wieder dem Mädchen zuwandte, trafen sich ihre Blicke zum ersten Mal. Nur für einen Moment konnte Lexa die schreckgeweiteten grauen Augen betrachten, bevor das Mädchen ihren Kopf wieder ruckartig zum Feuer umwand und ihr diesmal auch ein paar Haarsträhnen vor das Gesicht vielen. Fast ein wenig enttäuscht darüber, dass die Fremde ihr keinerlei Aufmerksamkeit schenken wollte, wollte auch sie gerade ihren Blick auf das Feuer richten, als neben ihr etwas klimpernd zu Boden fiel.

Reflexartig griff Lexa nach dem Gegenstand und hielt den Dolch des Mädchens, den diese kurz zuvor noch geschickt durch die Finger gedreht hatte, in ihrer Hand. Als sie ihren Blick wieder von der Waffe gelöst hatte, bemerkte sie dass der Blick des Mädchens sich erneut auf sie gerichtet hatte. Nun hatte Lexa die Möglichkeit sie etwas genauer zu mustern, denn diesmal wand sie den Blick nicht wieder ab als sich ihre Augen erneut fanden. Die Anspannung, die plötzlich zwischen ihnen herrschte, war beinahe greifbar. Immer wieder zuckten die grauen Augen zwischen Lexas Blick und dem Dolch hin und her, es war nicht zu übersehen dass Lexas Gegenüber alles andere als glücklich darüber war, dass Lexa den Dolch an sich genommen hatte und zögerte ihn wieder herauszurücken.

Überrascht davon, dass sich die anfängliche Nervosität schlagartig in Ärger umwandelte, zog Lexa sich sogar noch ein paar Zentimeter weiter zurück, als sie das Mädchen vor ihr plötzlich die Augen zusammenkniff und sie musterte, als würde sie nach einer Schwachstelle in ihrer Deckung suchen um sie niederzuringen und sich den Dolch wenn nötig mit Gewalt zu holen. Ein wenig ließ diese Vorstellung Lexa schmunzeln, immerhin brauchte ihre Gegenüber nur ein Wort zu sagen und sie würde ihr, ihr Eigentum sofort zurückgeben, doch Höflichkeit war scheinbar keine Option.

Bevor einer von beiden etwas sagen sollte, meldete sich jedoch Anya zu Wort: „Ich dachte meine Anweisung wäre selbst für dich verständlich gewesen. Sitz nicht weiter untätig im Weg und kümmere dich wenigstens um das Essen!" Gerade als das Mädchen ihren nun mehr wütenden Blick auf Anya richtete und Luft holte um ihr eine Antwort entgegen zu schleudern, trat Anya direkt neben sie und zog sie unsanft am Arm auf ihre Beine, um ihr direkt noch einen Schubs Richtung Türe zu geben „Raus jetzt, Costia! Lass und alleine!" Diesmal machte Anyas Tonfall deutlich, dass sie keinerlei Widerspruch dulden würde und mit einem letzten missmutigen Blick auf Lexa und ihren Dolch, stapfte Costia hinaus.

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Stunden waren vergangen und Anya spürte wie ihre Konzentration nach ließ. Sie hätte lieber bis zum Morgengrauen gewartet, statt die Tätowierung auf Lexas rechtem Oberarm im Fackelschein vorzunehmen, doch sie wusste dass sie ihre Entscheidung schnell durchführen musste, bevor sie doch noch in Frage gestellt wurde. Immerhin war es alles andere als üblich, ein Kind in diesen jungen Jahren schon zu einem vollwertigen Clanmitglied zu ernennen, doch mit der wenn auch unfreiwilligen Tötung eines anderen Kriegers, hatte Lexa sich eben dieses Recht errungen.

Von nun an, durfte sie für sich selber sprechen und an den Versammlungen teilnehmen. Allerdings waren diese neuen Rechte auch mit Pflichten verbunden und auch wenn sie versuchte sich einzureden, dass die Verantwortung bald noch viel größere Ausmaße annehmen würde und Lexa gut daran tat sich früh genug daran zu gewöhnen, konnte Anya sich nicht ganz davon überzeugen, dass ihre Entscheidung wirklich gut für Lexa gewesen war. War es doch noch zu früh? Nein, Lexa hatte schon früher bewiesen wie zäh sie war und auch diese Herausforderung würde sie bestehen.

Ohne sich ihre Zweifel anmerken zu lassen, stach sie ein letztes Mal mit der Nadel in Lexas Arm und betrachtete dann das verschnörkelte Bild, dass von weitem auch für einen Armreif gehalten werden konnte, in dessen Mitte sie mit der etwas größeren Metallspitze einen kleine Punkt geritzt hatte. An dieser Stelle würde eine Narbe zurück bleiben, es war das übliche Ritual mit dem die Siege die ein Krieger für sich errungen hatte, auf seiner Haut verewigt wurden und auch wenn es unter den Kriegern keine wirkliche Rangordnung gab, so standen die Narben und der Respekt der einem entgegen gebracht wurde, doch in einer sehr direkten Verbindung zueinander. Zufrieden betrachtete Anya ihr Werk, immerhin war sie eigentlich nicht für ihre besondere Kunstfertigkeit bekannt, dennoch war es ihr wichtig gewesen, dass sie es war die Lexas Ernennung durchführte. Sie wartete bis auch Lexa die Tätowierung ausreichend gemustert hatte und sie anschaute.

Bisher hatte sie, nachdem sie Costia hinaus geschickt hatte, kein Wort mehr gesprochen und sich auf ihre Aufgabe konzentriert, doch die Fragen die in Lexas Augen brannten, duldeten nun keinen weiteren Aufschub mehr. „Du bist jetzt eine Kriegerin der Trikru, dennoch bleibst du meine Sekundantin, bis deine Ausbildung abgeschlossen ist." Anya wartete bis Lexa ihr mit einem kurzen Nicken zu verstehen gegeben hatte, dass sie verstanden hatte, erst dann fuhr sie mit sanfterer Stimme fort. „Ab morgen stehst du mit deinem Leben dafür ein, jede Frau, jeden Mann und jedes Kind unseres Clans zu beschützen. Du wirst wie jeder andere Krieger meinen Anweisungen ohne Zögern folgen, auch wenn du dich damit in Gefahr begibst. Verstehst du das?" Auch wenn Lexa ein weiteres Mal nickte und ihr ernster Gesichtsausdruck zeigte, wie sehr sie diesen Pflichten nachkommen wollte, so wusste Anya doch, dass sie überhaupt nicht verstand, ja es überhaupt nicht verstehen konnte, was es bedeutete sein Leben für das Überleben anderer zurückzustellen.

Sie erhob sich und verschwand kurz im hinteren Teil der Behausung, in der sie selbst schlief und in dem sie einige Dinge aufbewahrte. Gerade als Lexa sich ebenfalls erhob, scheinbar um ihr zu folgen, kehrte Anya an die Feuerstelle zurück. Auf ihren Händen ruhte ein schmales Schwert in der dazu passenden Scheide, welches sie Lexa nun entgegenstreckte. „Dieses Schwert habe ich zu meiner Ernennung bekommen, auch wenn ich ein paar Jahre älter war als du es heute bist. Ich möchte es nun dir geben. Morgen werden wir mit dem Unterricht beginnen, nachdem du in der Gemeinschaft aufgenommen wurdest." Zufrieden beobachtete Anya nun, wie Lexa mit leicht zitternden Fingern das Schwert von ihr entgegennahm.

Mit großen Augen strahlte sie über das ganze Gesicht und Anya war sich sicher, sie noch nie zuvor so glücklich gesehen zu haben. Auch wenn der Anblick von Lexa wirklich rührend war, versuchte sie ihre Gefühle nicht zu zeigen und ihrem Gesicht einen ernsten Ausdruck zu verleihen. Doch zu ihrer eigenen Überraschung, legte Lexa das Schwert kurz darauf zur Seite, trat einen Schritt auf sie zu und umarmte sie. Für einen Moment spannte Anya sich auf Grund der unerwarteten Nähe an, so dass Lexa ihre Umarmung wieder löste und beschämt zu Boden sah, doch noch bevor sie sich wieder von Anya entfernen konnte, kniete diese sich vor ihren Schützling und schloss sie ihrerseits in die Arme. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 05, 2016 ⏰

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