Eine kleine Kurzgeschichte für euch:-) Ich hoffe, sie gefällt euch! Kommentieren und Voten bitte!
Teil I
Seine Augen waren wie flüssiges Gold. Glänzend und schimmernd nahmen sie mich gefangen in ihren Bann, funkelten im tanzenden Licht der Oktobersonne schöner als die waghalsigsten Sterne in der kältesten Nacht. Enträtselt, entschlüsselt und erraten hätte ich am liebsten diese Sterne, die so wunderschön der farblosen Erde entgegen blickten und doch so einsam am Himmelszelt auf den Ruf ihres Schicksals warteten. Schicksal, was war das schon? Welche Tiefe enthielt dieses Wort, diese Bezeichnung, die unendlich wichtig und doch so unverständlich war?
Wusste er die Antwort auf meine Frage? Hatte er schon lange genug am Horizont geleuchtet um mir die Weisheit der Welt zuflüstern zu können? Seine Augen taten es mit einem Trick, der mir fremd war und den er wahnsinnig gut beherrschte. Er schloss mich ein in ein Universum, das endlos schien, das nicht von Grenzen regiert wurde, sondern von einer Freiheit, die ich in diesem Moment fast schmecken konnte. Schicksal, Freiheit – was waren das für Formeln, die ich nicht anzuwenden wusste und mit denen er ganze Ozeane überqueren konnte? Ich konnte es in seinen Augen sehen, in dieser funkelnden Sternen Nacht, die sich nicht vor der Eroberung der Morgendämmerung fürchtete, nicht zu fliehen gedachte oder zu den Waffen griff, sondern diesen einen Moment auskoste, der ihr zufällig zugespielt worden war. Sie nahm ihn an und verwandelte ihn in das schönste, das die Erinnerung wahren konnte.
Der Herr dieser Augen hatte diese Gabe erlernt und in sein Leben gepflanzt, damit es blühen und gedeihen konnte. Tapferkeit und Mut prägten das Schimmern der dunklen Flecke seiner Augen. In meinem Herzen regierten die Wunden, aus denen keine Stärke würde steigen und heilen können. Mir fehlte seine Gabe, die dem ganzen Trott einen Sinn gab. Von Anfang an waren mir die Antworten auf meine drängenden Fragen verwehrt worden. Hatte ich den Prinzipien des Wettbewerbs nicht entsprochen? Hatte ich die Fragen nicht klug genug beantwortet? War ich zu feige gewesen, zu schwach, zu zerbrechlich? Die Spielregeln waren mir einfach nicht erklärt worden, mit denen man dem Leben seinen Sinn entlockte. Ich hatte ihn nie erreichen können. Er war mir jedes Mal, wenn ich zu hoffen gewagt hatte, aus den Fingern entglitten und im Staub der Ferne verschwunden. Dieser Mann beherrschte diese Spielregeln wie kein anderer. Spielend leicht tanzten sie in seinen Augen, feierten einen Sieg, von dem ich immer nur träumen durfte.
Vielleicht war ich in diesem Moment eifersüchtig. Vielleicht packte mich die Bitterkeit und erwürgte die Hoffnung in meinem Herzen. Vielleicht war ich aber auch nur fasziniert von den Farben des Sieges, die golden im Wind flatterten. Überwältigt war ich allemal. Ertappt von einem Wunsch, der fest in mir verankert war: mit gehissten Segeln den Horizont herausfordern, den Kompass finden, dessen Nadel um meinen Norden summte und verstehen, was ich nicht verstehen konnte.
Es war ein wahnsinnig stressiger Morgen gewesen, Anrufe und Termine waren klingelnd auf mich eingeprasselt, hupend und lärmend hatten sie mir die Wichtigkeit unter die Nase gerieben und mich dazu angestiftet, meine Arbeit noch schneller und besser zu perfektionieren. Und in all der Raserei und dem Wahnsinn, der in der grauen Innenstadt New Yorks laut pulsierte und seine teuflischen Kreise zog, hatte sich ganz plötzlich eine Eisschicht über die tickende Zeit gesenkt, die den Lärm einfror und einen kleinen, kostbaren Moment auf die Stadt herab rieseln ließ, dessen Reise genau in meiner Handfläche endete. Stille umschloss mich und diesen fremden Mann mit den wunderschönen Augen, die einem Sternenhimmel entsprungen waren und die Weisheit der Welt hüteten. Mein ganzes Leben lang war ich diesen Fragen nach Schicksal und dem Sinn dieses Lebens hinterher gejagt, hatte sie verfolgt und doch die Antworten nie erreichen können. Und jetzt – genau jetzt – waren sie so greifbar nah wie noch nie zuvor. Eine rastlose Sehnsucht fing in meiner Brust Feuer, lechzte danach, seinen Antworten zu lauschen oder wenigstens noch ein bisschen länger in seinem Gold nach ihnen graben zu dürfen um sie zu enträtseln. Ein wenig länger die Zeit auszukosten, die still stand, eingefroren war, vergessen hatte, weiter zu ticken und mit Sandkorn um Sandkorn das Rennen gegen die Ewigkeit zu gewinnen. Für diesen einen Augenblick lag die Ewigkeit in Führung. Nur begann dieser kostbare Moment in meiner Hand bereits jetzt zu schmelzen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser Moment verloren gehen würde. Und bis dahin wollte ich mich daran klammern und nicht mehr loslassen, ihn auskosten und in mein Gedächtnis schreiben.
Denn unsere Blicke verschmolzen ineinander wie tiefrote Glut, glommen sich gegenseitig vor Faszination und Neugier an und ertränkten das Universum aus hupenden Autos und gestressten Passanten in einer Flut aus Hoffnung. Das war es nämlich, was er mir schenkte. Ein fremder Mann, zwei fremde faszinierende Augen und ein fremdes Gefühl von zart aufblühender Hoffnung. Es war genug um mein Herz in Triolen hüpfen zu lassen. So lange war es eingesperrt und vom Alltag knapp an der Leine geführt worden; ja keine Taktwechsel, denn sonst ging die Ordnung kaputt und das Chaos durfte einziehen. Jetzt hieß ich dieses Chaos an flatterhaften, hoffnungsvollen Gefühlen mit offenen Armen willkommen. Vor mir stand jemand, der Antworten auf meine Fragen hatte, der wusste, was Schicksal bedeutete und der wusste, wie der Sinn des Lebens funktionierte.
Vielleicht hatte ich ihm etwas zurufen oder ihn zum Warten anhalten wollen, aber dazu bekam ich keine Chance. Mit einem schleppenden Ruck drehte sich die einst zugefrorene Welt weiter. Mein Moment war geschmolzen und ins Nichts getropft. Die Zeiger des Universums ratterten weiter. Sandkorn gesellte sich im Einklang zu Sandkorn. Die Zeit wurde wieder angekurbelt und ließ in einem Augenblick die Ewigkeit hinter sich. Zu schnell war die Ewigkeit vorbei getickt, zu schnell das Flüstern der goldenen Stille verklungen. Glocken hupten zum Aufbruch, Chöre plapperten schrill zwischen die aufgewirbelten Seiten der Chroniken von säuselnden Gefühlen. Hektisch wurden sie von den Nachrichten übertönt, die zurück zur Realität klingelten. Die traumähnliche Unendlichkeit wurde von der Realität von Bord gestoßen. Bunte Farbpalette verblasste hinter grauen Barrikaden des öden Alltags.
Ich spürte, wie die neue Melodie, meine neu gewonnene Hoffnung mir entglitt und ins Jenseits verschwand und ich selbst alte Takte weiter stolperte. War es mein Handy gewesen? Seins? Das eines verschwommenen Passanten? Ich wusste es nicht, aber ich zuckte zusammen, schreckte auf, ließ den Traum zurück, der mir ohnehin entglitten war und verlor in der verstopften Masse den Sternenhimmel aus den Augen.
„Emilia!" Irritiert drehte ich mich im Kreis, schwindelig von den Wolkenkratzern, die sich über meinem Kopf gegenseitig Konkurrenz machten. Dann schüttelte jemand meine Schulter, riss mich aus der Trance, die mir Herz und Sinne vernebelt hatte.
„Hallo? Ist alles gut bei dir?" Erneut rüttelte sie mich, wartete allerdings nicht darauf, bis ich meine Stimme zum Antworten gefunden hatte. „Sophie hat mich dir nachgeschickt, du sollst Mortimer noch Russels Akte bringen." Eilig drückte sie mir den Umschlag in die Hand, rief hektisch ein paar Abschiedsworte hinterher und rannte weiter.
Mein Herz galoppierte mir noch immer davon. Fest presste ich die Akte an meine Brust und kniff die Augen zusammen. Die Glut war erloschen, die Erinnerung jedoch lebendig verblieben.
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Sternenhimmel
Teen FictionEine Geschichte über das Schicksal und den Sinn des Lebens. Beides ist auf Emilias Landkarte irgendwie nicht eingezeichnet und lässt sich auch nicht so einfach im Wörterbuch nachschlagen. Nur eine einzige Begegnung, ein einziger Augenblick, bringt i...