Du bist tot, wie sollst du mir da helfen?! (1)

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„Jillian!" 

Ruckartig wandte ich mich um und blickte in Josh's graugrüne Augen, die vor Panik geweitet waren. Sofort wurde mir bewusst, dass ich stehengeblieben war, um das Schauspiel hinter uns zu beobachten. 

„Verdammt nochmal, Jillian! Beweg' deinen Arsch. Wir müssen hier weg!", schrie er mich an, aber nur langsam drangen die Worte zu mir durch. Zu langsam. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie einer, der großen, in schwarz gekleideten Kerle, sich in unsere Richtung drehte und sein Blick uns erfasste. 

Was dann passierte verlief wie in Zeitlupe. 

Meine Schockstarre löste sich und ich stolperte ein paar Schritte rückwärts, bevor ich mich umdrehte und zu rennen ansetzte. Ich hatte gerade zu Josh aufgeschlossen, da ertönte ein lautes Geräusch hinter mir, das ich nicht sofort zuordnen konnte. 

Das Einzige was ich spürte war, wie mein Herz eine Sekunde stehen blieb und dann ein Schmerz an meinem Arm, gefolgt von einem gewaltigen Ruck durch meinen Körper. Von Josh geschubst fiel ich hinter ihm entlang, vornüber in eine Seitengasse. 

Nachdem ich auf der Erde aufkam stützte ich mich sofort auf meine Arme und drehte mich um. 

Aus seinem vor Schock, Angst und Trauer verzogenem Gesicht blickten mich seine leblosen Augen an. Er lag auf dem Bauch, nur einen seiner Arme in meine Richtung streckend, als würde er versuchen mich zu erreichen, doch die große rote Pfütze, die sich immer weiter ausbreitete, machte mir klar, dass er mich nicht mehr erreichen würde und ich ihn genauso wenig...

„NEIIIIN!!" 

Mit einem Ruck wachte ich auf und schlug mir prompt den Kopf an der Decke an. Stöhnend sank ich wieder auf die Matratze und rieb mir über die Stirn, bis der Schmerz wieder verging. 

Dann lag ich noch eine Weile da und versuchte zu Atem zu kommen. Mein gesamter Körper war mit Schweiß bedeckt und meine Decke, war vom Hochbett herunter, auf den Boden gefallen. 

Schwarze Streifen bildete sich auf meinem Kissen ab, was bedeutete, dass ich mal wieder im Schlaf geweint hatte und meine Schminke nun quer über mein Gesicht verteilt war, doch das kümmerte mich recht wenig.

Plötzlich ertönte ein leises Knarzen und ein schmaler Lichtstrahl fiel in das Zimmer. 

„Jillian?", ertönte die sanfte Stimme meiner kleinen Schwester. 

Schnell wischte ich mir über mein Gesicht und drehte mich dann auf die Seite, um auf die Konturen ihrer Figur zu schauen, die durch die Zimmertür sichtbar waren. 

„Ja?", fragte ich sie und versuchte meine Stimme so normal wie möglich zu halten. 

„Hast du wieder von Josh geträumt?" 

Unwillkürlich sammelte sich wieder ein Kloß in meinem Hals und ich konnte nur noch Nicken. Mir war klar, dass ich so kein Wort über die Lippen bringen konnte, doch Lia hatte auch mein Nicken gereicht. 

„Kann ich heute Nacht wieder bei dir schlafen?" 

Tränen traten mir in die Augen und ich schob mich an den hinteren Rand, meines Hochbettes. 

„Ich habe die Decke fallen lassen..", flüsterte ich, um meine raue Stimme zu überdecken und kurz darauf schob sie die eine Hälfte der Decke über das Geländer. Ich zog die hoch und kurz darauf wackelte das Bett, als Lia die Treppe hochkletterte. Flink hatte sie ihren Körper neben mir lang gemacht und ich breitete die Decke über uns aus. Sie schlang ihre Arme um mich und presste ihren Kopf an meine Brust. 

„Ich hab dich lieb, Schwesterherz. Das weißt du, ja?" 

Das gab mir den Rest und ich fing wieder an hemmungslos zu schluchzen. Dabei strich Lia mir die ganze Zeit sanft über den Rücken, bis sie einschlief. So weit war es mit mir schon. Inzwischen musste mich sogar meine 14 Jährige Schwester Nachts trösten. 

Doch der Schmerz saß so tief. Nicht mal sie konnte mir da helfen. 

Ich war Schuld an dem Tot meine Freundes. Wäre ich damals nicht stehengeblieben. Hätte ich damals auf ihn gehört! 

Ich hatte an meinem 17. Geburtstag die Liebe meines Lebens getötet.

Träume von den Toten, my Dear.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt