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Ich vermisse Luca, mein Bett, meine Waage, meinen Trainingskeller und meine Kalorientabelle.

Ich will nicht jeden Tag Essen, nicht mit Therapeuten reden oder mich wiegen lassen.

Also schleiche ich mich nach drausen in den Gang, als ich plötzlich einen Jungen entdecke, der eilig in eine Tür verschwindet.
Es regnet, doch mir ist viel zu langweilig und ich muss mich ablenken, mein Gehirn von den giftigen Substanzen schützen, also folge ich dem Rotschopf hinaus auf die Feuertreppe.

"Was machst du da?" frage ich den Jungen, der vor mir im strömenden Regen auf der Feuertreppe sitzt. Einzig und allein ein kleines Stück Metall schützt ihn vor den kalten Tropfen. Aber weil ich sie auf meinem Gesicht spüren will stelle ich mich weiter hinaus und lehne mich über das Geländer. Der Regen berührt meine Haut und lässt mich fühlen, das gefällt mir.
"Ich glaube ich sollte das gleiche lieber dich fragen." gibt er zurück und wühlt weiterhin in der Tasche seiner olivgrünen Jacke.
"Mir war langweilig, eigentlich ist mir immer langweilig hier, dann hab ich dich hier rausgehen sehen und bin dir gefolgt." antworte ich ihm und sehe ihn schulterzuckend an.
Er kramt nun endlich sein gesuchtes Objekt aus der Tasche, eine Zigarette und ein Feuer und steckt sich das Ding zwischen die Lippen.
"Kennen wir uns nicht?" fragt er nun, nachdem er die Kippe angezündet hat und den ersten Zug genommen hat.
"Ja, du bist Jonas, der mit den roten Haaren."
"Hmm."
Er mustert mich, wie ich da stehe mit meinem dicken Pullover dem Parka, der Jogginghose und meinen Lieblingskuschelsocken und hält mir dann seine halb aufgerauchte Kippe hin. Ich nehme sie zwischen die Finger und lasse mich langsam neben ihn auf das Gitter der Treppe sinken.
"Die sollten echt mal ein Kissen hier rauslegen" gebe ich von mir.
"Sag das denen bloß nicht! Strenggenommen dürfen wir hier gar nicht raus."
"Oh." Ich blase den Rauch aus und sehe ihm fasziniert hinerher. Meine Lungen füllen sich mit der tödlichen Substanz und geben mir kurz das Gefühl lebendig zu sein.
"Ich bin übrigens Lexi." sagte ich dann und reichte ihm seine Kippe zurück.
"Ich weiß. Die Schwestern reden oft über dich. Nichts gutes natürlich." gab er mit einem leicht schiefen Grinsen zurück. Ich will gerade zurück lächeln, doch da beugt sich Jonas plötzlich nach vorne und beginnt sich die Seele aus dem Leib zu husten.
Die Zigarette fällt ihm plötzlich aus der Hand und wird durch eine rote Flüssigkeit ersetzt die er aus seinem Mund hustet.
Wie versteinert stehe ich da und alte Erinnerungen kommen in mir hoch.
Anstatt zu ihm zu gehen, oder ihn zu einer Schwester zu schicken sage ich monoton: "Du hast Krebs."

Als sein Hustenanfall vorüber ist, sein Gesicht gerötet, die Haare die mir so gefallen, stehen in alle Richtungen ab.

"Gut erkannt Sherlock." antwortet er und macht anstalten aufzustehen.

"Lungenkrebs, nächste Woche soll meine erste Chemo beginnen. Jetzt ist dir sicher klar warum ich lieber in meinem Bett liegen sollte, als hier draußen im Regen zu sitzten und zu rauchen."

Ich nicke nur. Denn mehr bringe ich nicht zu stande. Es quält mich daran zu denken. Ich hasse es was diese Krankheit Menschen antut.
Also helfe ich ihn auf, sehe ihn in die glänzend blauen Augen und frage: "Hast du Lust auf meine Einweihungsparty zu kommen?"

Beautiful Pain #Etherealaward17Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt