...
...
Wie ihr vielleicht wisst, bin ich kein großer Redner, geschweige denn ein Briefeschreiber. Und nun soll ich einen Brief darüber schreiben, was für mich Liebe bedeutet.
Ich wünschte, Nicole hätte einen anderen gefragt.
Warum ausgerechnet Liebe? Hätte ich nicht über etwas anderes schreiben können? Liebe ist so ... privat und ich rede nicht gerne über mich selbst oder wie ich empfinde. Ich finde, Taten sagen mehr als Worte. Warum also darüber reden?
Ich könnte euch etwas über verschiedene Kampftechniken erzählen. Das würde mir um einiges leichter fallen, als diesen Brief zu schreiben. Als Polliander kenne ich mich mit den verschiedensten Techniken und Waffen bestens aus. Schließlich hatte ich über mehrere Leben und Jahrhunderte Zeit, meine Künste zu perfektionieren.
Oder ich könnte euch etwas über den Eid der Polliander erzählen, nach dem wir leben, der uns ausmacht – und den ich aus Liebe brechen würde.
Ich glaube, dies ist auch ein Grund, warum ich nicht gerne über das Thema spreche. Denn dann müsste ich zugeben, dass ich ein Eidbrecher bin, dass ich nicht imstande bin, meine Schützlinge, denen ich einen magischen Eid geschworen habe, sie zu beschützen und ihr Leben und ihr Wohlbefinden stets über mein eigenes zu stellen, so zu dienen, wie es eigentlich nötig wäre und wie sie es verdient haben.
Die Wahrheit ist: Aus Liebe habe ich meine langjährigen Freunde im Stich gelassen, mich mit meinem besten Freund gestritten und den Schutz eines meiner Schützlinge aufgegeben.
Denn meine große Liebe brauchte mich. So simpel war es. Mehr hat es nicht gebraucht, um meine Loyalität zu untergraben.
Er brauchte mich.
Meine Freunde wundern sich über mein Verhalten, doch ich glaube, sie haben nicht verstanden, warum ich mich so seltsam verhalte. Nur Nelia schaut mich manchmal so wissend an. Ich glaube, sie hat mich durchschaut. Doch sie sagt nichts. Sie kennt mich zu gut, sie weiß, dass ich nicht über meine Gefühle reden will.
Er jedoch scheint nicht zu ahnen, wie es um mich steht, und das ist auch gut so. Dies ist mein Geheimnis. Er muss nicht wissen, warum ich wirklich über ihn wache. Was er mir bedeutet. Denn obwohl ich seinetwegen alles verraten würde, woran ich glaube, was mich ausmacht, einen Grundsatz habe ich mir bewahrt: Seine Gefühle sind wichtiger als meine eigenen. Und solange er mir kein Zeichen gibt, dass er meine Gefühle erwidert, werde ich schweigen.
Wie lange?
So lange es nötig ist. Ein Monat, ein Jahr – ja, sogar ein ganzes Leben. Es spielt keine Rolle, ob er es jemals erfährt. Ob meine Liebe Erfüllung findet.
Wichtig ist nur, dass er glücklich ist. Mehr will ich nicht. Mehr brauche ich nicht, um selbst glücklich zu sein.
Vermutlich halten mich einige von euch jetzt für einen selbstlosen Idioten. Aber das ist mir egal.
Ich hätte nie gedacht, dass ich aus Liebe zu einem Verräter werden würde, dass ich aus Liebe jeden Eid brechen, jeden Freund opfern und tausend Tode sterben würde. Doch die Liebe ist stärker als jeder Eid, wichtiger als sie alle, sie ist stärker als ich, als all meine Prinzipien oder meine Namensmagie.
Liebe ist gefährlich.
Doch obwohl das so ist und ich es weiß, kann ich sie nicht aufgeben. Allein der Gedanke daran ist unmöglich.
Ich weiß, dass ich nie aufhören werde ihn zu lieben. Nicht in diesem Leben und auch nicht darüber hinaus.
Und mehr muss ich dazu nicht sagen.
DU LIEST GERADE
Die Definition von Liebe
Short StoryIch wurde getagged. "Die Definition der Liebe" lautet die Aufgabe, die mir @storyofdie gestellt hat. Der stelle ich mich doch gerne und lasse hier meine Figuren zu Wort kommen, die in Form von Briefen ihre Auffassung von Liebe darlegen. Viel Spaß be...