Dorem aus "Die verhängnisvolle Prophezeiung - Helden von Arphelien 1"

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Auf Ibedos lernst du schnell: Wenn du etwas haben willst, dann musst du darum kämpfen. Mit allen Mitteln. Sonst kommt ein anderer und schnappt es dir unter der Nase weg. Und wenn du es hast, musst du allzeit darauf aufpassen, dass es dir niemand stiehlt.

Das sind die Regeln der Welt, in der ich aufgewachsen bin. Auch wenn es in der Hauptstadt Xeant, in der ich inzwischen zur Schule gehe, nicht ganz so offen gewalttätig und hinterlistig zugeht, so musste ich doch feststellen, dass es zwischen dem Abschaum, der auf meiner Heimatinsel Ibedos lebt, und den Bewohnern von Xeant keinen so großen Unterschied gibt.

Auch hier muss ich um alles kämpfen: um gute Noten, um die Anerkennung der Lehrer und Mitschüler, die auf einen armen Stipendiaten meistens verächtlich herabschauen, um Freunde und um jede einzelne Münze meines Stipendiums, das mir der Schulleiter scheinheilig wohlwollend überreicht.

Und so ist es auch mit der Liebe. Als ich mich verliebt habe, habe ich zuerst alles mit großer Freude gesehen. Jede Minute, jede Stunde, die mein Schwarm mit mir verbrachte, war ein kostbares Geschenk, das ich höher geschätzt habe als alles andere.

Dann jedoch musste ich um jede Minute kämpfen, weil andere um die Aufmerksamkeit meines Schwarms buhlten. Der Musiker Korian, das Pferd Lady, das Bobodan Kristallauge, Meister Ceros, aber vor allem Omenon, der verfluchte eingebildete Omenon, der alles hat, was ich nicht habe: Vermögen, eine große Familie, viele Freunde und gute Noten, ohne sich anzustrengen.

Er hat doch alles, warum konnte er mir nicht Liaman lassen, sondern musste ihn mir unbedingt wegnehmen?

Ich sehe doch, wie er Liaman Lügen über mich ins Ohr flüstert, wie er unseren Mitschüler Meron gegen mich aufbringt, wie er mir Liamans Zeit stiehlt, indem er ihm lange Reitausflüge vorschlägt, damit ich mich ihnen nicht anschließen kann. Es zerfrisst mich, wenn ich sehe, wie die beiden über etwas lachen, in das ich nicht eingeweiht bin. Ich fühle mich ausgeschlossen, allein.

Liebe ist furchtbar. Sie ist ein unersättlicher Hunger in mir. Schon lange bin ich mehr mit den wenigen Minuten oder Stunden am Tag, in denen ich mich in seiner Gesellschaft befinde, zufrieden. Ich will mehr. Ich will ihn nicht mit unseren Mitschülern, Lehrern oder seinen Freunden teilen müssen.

Warum sieht er das nicht? Warum lässt er es zu, dass Omenon einen Keil zwischen uns treibt?

Nachts packt mich häufig die Verzweiflung. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Doch so bleiben kann es nicht. Ich gehe zugrunde, wenn ich weiter nur die Brosamen seiner Zuneigung abbekomme. Ich brauche mehr.

Und dabei bemerke ich doch, dass es Liaman ähnlich geht. Das Lächeln, das er mir schenkt, schenkt er niemandem sonst. Er redet mit mir über Dinge, über die er mit anderen nicht spricht, Dinge, die nur wir beide verstehen. Ich weiß, was er für mich empfindet, er muss es nicht laut sagen.

Doch Omenon ist eifersüchtig auf unsere Beziehung, auf unser blindes Verständnis. Er drängt sich zwischen uns, verlangt immer mehr von Liamans Zeit und Liaman mag nicht protestieren, weil er selbst nur ein Stipendiat ist und Omenon Reichtum und Einfluss hat. Liaman ist zu nett, um zu kämpfen.

Daher muss ich es für uns beide tun. Ich muss unsere Gegner ein für alle Mal in die Schranken weisen. Ich darf nicht zulassen, dass sie ihn mir wegnehmen. Zwei von ihnen habe ich schon aus dem Weg geschafft.

Bald ist es soweit. Bald werden wir endlich zusammen sein. Bald wird Liaman nur noch mir gehören.

Denn nachher wird Omenon sterben.

Die Definition von LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt