~1~

290 40 16
                                    

~Bored!~ SH

Es war lange her, dass sie in einem Zug saß, der nicht nach Hogwarts fuhr. Um genau zu sein hatte sie das letzte Mal einen Muggelzug betreten, als sie elf Jahre alt gewesen war. Damals war sie zusammen mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem kleine Bruder auf dem Weg zur Fähre gewesen, die sie nach Frankreich in den Urlaub gebracht hatte.

Der Gedanke an ihre Familie schmerzte. Ihre Eltern waren beide im zweiten Zaubererkrieg umgekommen und von ihrem Bruder fehlte seit einem Todesser-Angriff jede Spur. Um die Welt zu verlassen, die ihr so viel Trauer beschert hatte, würde sie nun ihr Leben neu starten und in der Muggelwelt ein Leben ähnlich wie das ihrer Muggelmutter führen.

Der Zug hielt und die Ansage unterbrach ihre trübseligen Gedanken. Sie schnappte sich ihren kleinen Reisekoffer, in dem alles enthalten war, was sie mit in ihr neues Leben nehmen wollte. Und obwohl der Koffer nicht gerade groß war, war er gerade einmal halb voll.

Sie würde sich einen guten Nebenjob und ein Studienplatz suchen. Das dürfte mit ihrem nachgeholten Abi, das sie kurz nach ihrem Abschluss in Hogwarts gemacht hatte, kein Problem sein. Sie hatte damals nicht geplant, ein Leben in der anderen Welt zu führen. Ihr Kopf, wegen dem sie nicht umsonst nach Ravenclaw geschickt worden war, hatte einfach etwas zu tun gebraucht und für eines der magischen Studienfächer hatte sie sich nicht entscheiden können.

Wenn sie einen Job hätte, dann hätte sie genug Geld, um in eine Wohngemeinschaft zu ziehen und sich auch sonst alles andere zu leisten, dass sie den Erinnerungen wegen daheim gelassen hatte.

Ihr Kapital bestand momentan aus ein paar Galleonen, die sie jetzt sobald sie den Bahnhof verlassen hatte in der Winkelgasse umtauschen würde.

Die Kobolde guckten sie etwas komisch an, als sie dort in Muggelkleidung in der noch vom Krieg zerstörten Halle der Zaubererbank stand und ihr Konto auflösen wollte. Sie merkte, dass der Zustand von dem einst so protzigen Gebäude nichts über die dermaßen verschärften Sicherheitsvorkehrungen aussagte. Anscheinend hatte der Einbruch von Harry Potter die Kobolde zutiefst in ihrer Ehre gekränkt und sie wollten nun alles dagegen tun, dass sich so ein Vorfall wiederholte.

Das Geld in der Tasche stieg sie in die U-Bahn. Sie wollte, wenn sie denn schon mal in London war, die Schwester ihrer Tante aufsuchen. Sie war eine der wenigen Verwandten, die ihr noch geblieben waren.

Nach dem sie es geschafft hatte, sich durch die Masse an Leuten zu quetschen, die am U-Bahnhof standen und einem Straßenmusikanten mit Violine ein paar kleine Münzen, deren Verlust sich bei ihrem geringen Vermögen momentan trotzdem bemerkbar machen würde, in seinen Koffer gelegt hatte, stand sie nun vor der schwarzen Tür.

Sie hob den Mettalgriff an und klopfte mit ihm gegen die Haustür. Normale Menschen würden die in diesem Jahrhundert natürlich vorhandene Klingel drücken, aber sie mochte alte Dinge und stand vielen elektronischen Dingen doch recht skeptisch gegenüber, was auch daran lag, dass sie das letzte mal mit ihnen zutun hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war und sich seitdem vieles weiterentwickelt hatte.

Die Tür schwang auf und eine etwas ältere, herzliche kleine Dame öffnete ihr die Tür.

"Sophie", rief sie und drückte diese fest, "wie lange ist es her, dass wir uns zu gesehen haben?" "Viel zu lange", erwiderte Sophie mit einem echten Lächeln auf den Lippen. Eins der ersten seit dem Verlust ihrer Eltern. "Aber es ist gut so. Kontakt mit mir hätte dir in den letzten paar Jahren das Leben kosten können, Amelia."

Dafür fing sie sich einen strengen Blick von der älteren Dame ein. "Du weißt genau, dass ich diesen Namen verabscheue. Amy, wenn ich bitten darf. Oder auch Mrs. Hudson, wenn du ganz formell sein möchtest."

"Du hast den Namen von diesem Schwein immer noch behalten?" "Ja, habe ich. Die Leute hier kennen mich so, aber möchtest du nicht reinkommen? Du hast sicher eine lange Reise hinter dir."

Gemeinsam betraten die beiden Frauen das bescheidene Haus in der Baker Street. Die Jüngere von beiden stellte ihren kleinen Koffer in den Flur und ließ auch ihren Mantel und ihre Schuhe dort zurück, bevor sie der Älteren in die kleine Wohnung im Erdgeschoss folgte.

"Der Einrichtung nach könnte man fast denken, du hättest seit dem Bau dieses Hauses nichts daran geändert." Belustigt schaute sie sich um, "aber gemütlich ist es allemal!"

"Ach, das ist oben noch schlimmer. Die Wände da sehen aus wie die von meiner Urururururur-Großmutter, aber das scheint die Herren nicht zu stören." "Junggesellen?", den leicht spöttischen Unterton konnte man nicht überhören.

"Der eine hatte vor ein paar Wochen seine Hochzeit und wohnt auch eigentlich seit zwei Jahren nicht mehr hier und der andere hatte einmal eine Zweckbeziehung, ist aber immer noch Jungfrau." "Nicht so auf soziale Kontakte gepolt?"

Mrs. Hudson hatte inzwischen zwei Tassen Tee und einen Teller mit Keksen auf den kleinen Tisch gestellt, an dem sie jetzt auch Platz nahm.

"Überhaupt nicht! Der lebt für seine Arbeit und hatte vor seinem damaligen Mitbewohner keine bis kaum Freunde. Aber das liegt in der Familie, sein Bruder ist noch schlimmer. Apropos Familie, wie geht es denn meinen lieben Schwestern?"

Im Flur konnte man Gepolter hören. Die beiden Herren aus der oberen Wohnung waren anscheinend von einem Ausflug, der wo auch immer hin gegangen war, zurück.

"Über Diana kann ich dir nicht viel sagen. Seit das mit meinem Vater und so rausgekommen ist, wollten sie und Mamas Bruder nichts mehr mit uns zutun haben. Wir waren ihnen nicht normal genug für ihr schönes langweiliges Muggelleben." "Tja, Diana war schon immer die Langweiligste von uns Dreien. Und Minerva? Ist sie immer noch Lehrerin an dieser Schule in Schottland?"

"Jap, Minerva oder besser gesagt Professor McGonagall hat nach Dumbledores und Snapes Tod den Posten des Schulleiters oder besser gesagt als Schulleiterin übernommen. Sobald Hogwarts wieder aufgebaut ist, wird übrigens auch Neville als einer der jüngsten Lehrer unterrichten. Du weißt schon, Frank Longbottoms Sohn."

"Ach, Frank war der Cousin deines Vaters richtig? Ich erinnere mich. Neville war der Kleine etwas tollpatschige Junge. Es ist schon traurig, was mit seinen Eltern passiert ist."

Sophie nippte kurz an ihrem noch etwas zu heißen Tee und nickte dann zustimmend.

"Der kleine tollpatschige Junge ist groß geworden. Er war einer der Mutigsten. Ohne ihn wäre es nicht so sicher, ob der Krieg schon vorbei wäre. Er war im silbernen Trio und damit eines der sechs wichtigsten Mitglieder von Dumbledores Armee."

"Ach du meine Güte. Bin ich froh, dass meine wilden Zeiten vorbei sind."

Kaum hatte sie den Satz beendet, hörte man von oben einen lauten Knall. Sophie zuckte zusammen und verschüttete dabei ihren Tee auf ihre Finger. Dem Knall folgte ein lautes:

"Sherlock, hast du sie noch alle? Nur weil Lestrade nichts Neues für dich hatte, heißt das noch lange nicht, dass du einfach meinen Revolver nehmen und in die arme Wand schießen darfst!"

Sophie zog den Weidenstock aus ihrer Tasche und verarztete mit einem kurzen Heilzauber die Brandblasen, die der Tee auf ihren Fingern zurückgelassen hatte. Muggelleben hin oder her, manche Dinge waren als Hexe einfach viel praktischer!

Danach stürzte sie hinter Mrs Hudson die Treppe hoch.

Ein Fall von Magie (Potterlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt