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~Muggle (no-maj) a person without the ability to produce magic~

Oben angekommen erfuhr Sophie zunächst einmal eine neue Definition von Unordnung. Überall flogen Zettel herum und auf dem Küchentisch stapelten sich kleine Glasgefäße und andere Dinge, die in ihr den Anschein erweckten, dass sie es mit einem Zaubertränkemeister zutun hatte. Das einzig wirklich sympathische war für sie das überquellende Bücherregal.

An den Wänden klebten, wie Amy schon gesagt hatte, uralte Tapeten mit einem Muster, das so alt aussah, dass es auch in Malfoy-Manor oder einem anderen Reinblüter-Haushalt hätte hängen können. Auf eben dieser Tapete über dem kleinen Sofa war ein gelber Smiley gesprüht worden, der inzwischen ein wenig durchlöchert war.

Grund dafür war offensichtlich die Pistole, die einer der beiden Männer in der Hand hielt. Sophie versuchte festzustellen, welcher der beiden der Ehemann und welcher die Jungfrau war. Lediglich der kleine goldene Ring am Finger des Kleineren, der zusammen mit ihrer angeheirateten Tante auf den Lockenschopf mit der Pistole einredete, verriet es ihr.

Da alle mit sich gegenseitig anschreien beschäftigt waren und niemand sie zu beachten schien, nutze Sophie die Gelegenheit, sich den Blätterstapel auf dem kleinen Tisch einmal genauer anzuschauen.

Eigentlich hielt sie nichts davon, in fremden Sachen herumzuwühlen, aber in diesem Fall siegte einfach ihre Neugier. Sie wollte wissen, was das für ein Mensch war, der statt Essen chemische Experimente auf dem Tisch stehen hatte und aus Langeweile, das hatte sie inzwischen aus dem 'Gespräch' herausgehört, in eine mit einer uralten Tapete behangene Wand schoss.

Das erste Blatt war grob mit einer nicht wirklich leserlichen Schrift bekritzelt und Sophie hätte mehr Zeit gebraucht, um den Sinn dahinter zu verstehen, als der verheiratete Mann ihr gab. Er hatte sich anscheinend inzwischen aus der Diskussion ausgeklinkt und zog ihr jetzt vorsichtig die Zettel aus der Hand.

"Tut mir Leid, aber das hier geht sie eigentlich nichts an."

Dieser Satz lenkte nun auch die Aufmerksamkeit des anderen Fremden auf sie. Fragend blickte er Amy an.

"Mrs. Hudson, wer ist das? Und warum wühlt sie in meinen Unterlagen?"

"Das, Sherlock, ist Sophie. Sie ist die Nichte meiner lieben Schwester und ist gerade zu Besuch hier in London", sie wandte sich an eben genannte, "und das, liebe Sophie, sind Sherlock und John."

Höflich und auch um von ihrem Spionieren abzulenken streckte Sophie dem größeren, der anscheinend Sherlock hieß, die Hand hin: "Freut mich."

Sherlock ergriff und schüttelte diese, wenn auch nur recht widerwillig. Er schätzte menschlichen Kontakt anscheinend nicht wirklich. Auch Sophie fühlte sich jetzt ein bisschen unwohl.

"Mrs. Hudson, diese Wand wird von drei starken Balken gehalten und wird nicht wegen ein paar Kugeln aus einem einfachen Revolver gleich einstürzen. Außerdem: Raus hier, ich muss nachdenken!"

Sophie war von seiner Unhöflichkeit ein wenig schockiert, aber verließ dennoch das Zimmer, da es ja auch nicht gerade höflich gewesen war, in seinen Sachen herumzuwühlen. Die beiden Frauen verschwanden die Treppe hinunter und John hörte nach kurzer Zeit wieder die murmelnden Stimmen von unten.

Er wusste, dass Sherlock mal wieder kurz vorm Durchdrehen war. Wenn Lestrade nicht bald was spannendes hatte, würde es noch schwerer werden, Sherlock von den Drogen wegzuhalten, als es eh schon war. Missbilligend betrachtete er das kleine Päckchen, dass unter den Papieren, die er Sophie entwendet hatte, lag.

Da er aber keinen Streit anfangen wollte, fragte er stattdessen: "Was hältst du von ihr?"

"Ich halte nichts. Daher müsste die Frage richtig heißen: Was weißt du über sie?" Augenverdrehend forderte John ihn auf, weiter zu sprechen.

Sherlock ließ sich in seinen Sessel fallen, das leicht spöttische Ich-weiß-nur-das-offensichtliche-und-ihr-seid-nur-alle-zu-dumm-um-es-zu-erkennen-Lächeln auf dem Gesicht. Er war in seinem Element. Es ging zwar nicht um einen Mordfall, aber nach einer so langen Pause war selbst eine neue etwas komische Begegnung eine aufregende Sache.

"Sie kommt von weiter weg, ist mit dem Zug gefahren. Sie fängt in London höchst wahrscheinlich nochmal neu an. Irgendetwas Schreckliches ist in ihrer nahen Vergangenheit passiert und sie kennt Mrs. Hudsons Schwester, eine Schulleiterin an einer schottischen Schule..", rasselte Sherlock runter und John erstaunte mal wieder der gleichgültige Blick, den sein Freund aufsetzte, während er in den privatesten Dingen der Personen herum deduzierte.

Sherlock hatte nicht gelogen mit dem hochfunktionellem Soziopaten.

Die Faktenrunterzählerei oder auch das Angeben von Sherlock stoppte plötzlich und John sah, wie Sherlocks Blick von seinen Fingerspitzen zu dem Handy auf dem kleinen Tisch schoss, welches vibriert hatte.

Obwohl John ihn als faulste Person der ganzen Welt eingestuft hatte, war dieser schneller beim Tisch als John gucken konnte. Ein kleines Lächeln schlich auf sein Gesicht, denn er hoffte auf etwas Gutes, das Sherlock mindestens eine Woche intensiv beschäftigen würde.

Diese Hoffnung wurde zumindest nicht enttäuscht, denn Sherlock riss beim zur Tür rausstürmen seinen Mantel mit und war schon halb die Treppe runter, als er sich noch einmal umdrehte und John durch die halb offene Tür zurief:

"Wollen wir?"

John stand schmunzelnd auf. In solchen Situationen benahm sich der sonst so reservierte und gefühlskalte Sherlock wie ein kleiner Junge an Weihnachten. Es war als hätte jemand ihn genau für die Rolle des Detektivs programmiert:

Nie kamen ihm Trauer oder Mitgefühl bei Fällen in den Weg. Sein Gehirn konnte kaum etwas anderes als wichtige und unwichtige Dinge von einander zu trennen und die wichtigen dann miteinander zu kombinieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Und all seine Energie wurde nur bei aufregenden Fällen aktiviert, dann aber so gebündelt, dass er weder Schlaf, noch Essen brauchte.

Als John dem ungeduldigen Sherlock hinterher eilte, hörte er aus der Wohnung von Mrs. Hudson lautes Lachen und die Stimme von Sophie brachte von Lachern geschüttelt folgenden Satz hervor, der John die Stirn runzeln ließ: "Das ist soo typisch Muggel!"

Das Wort Muggel hatte er noch nie gehört. War es Schottisch? Laut Sherlock konnte sie doch geradewegs daher kommen. Welche Bedeutung es hatte, dass er gerade diesen Satz gehört hatte, war ihm da noch nicht klar und so setzte er 'Muggel googeln' gedanklich erstmal weiter unten auf seine To-Do-Liste.

Seine Gedanken über vielleicht schottische Wörter wurden allerdings sofort in die Ecke geschoben, als das Taxi hielt, in dem er mit Sherlock gesessen hatte, und die Beiden den Tatort betraten.

Ein Fall von Magie (Potterlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt