~Friend: a person attached to another by feelings of affection or personal regard~
Nachdem sie sich von Amy verabschiedet hatte, saß Sophie jetzt in der U-Bahn und beobachtete die Leute die an der Queensway Station umherwuselten. Sie mochte es, einen oberflächlichen Blick auf das Leben anderer Leute zu werfen und sich dann vorzustellen, wie es wohl ablief. Sie verurteilte sie nicht. Sie dachte sich einfach nur Geschichten zu ihnen aus, die sie an ihrem Verhalten festmachen konnte.
Da war zum Beispiel dieser kleine Junge, der seine Mutter am Arm hinter sich herzog und Sophie musste lächeln, als sie darüber nachdachte, ob er zu seiner Großmutter unterwegs war oder einfach nur ein Eis haben wollte. Er erinnerte sie ein wenig an ihren Bruder. Charlie war stets aufgedreht und fröhlich gewesen, vor allem als kleiner Junge.
Sie zwang sich, ihre Gedanken von dem traurigen Thema abzulenken indem sie sich überlegte, was andere sich wohl für Geschichten über ihr Leben ausdachten. Wie viel würden sie richtig haben?
Sie merkte erst, dass der Zug wieder angefahren war, als schon die nächste Station angesagt wurde und er wieder hielt. Sie nahm ihre Tasche, den Koffer hatte sie erstmal noch bei Amy gelassen, und bewegte sich zur Tür. Notting Hill Gate war ihre Zielstation.
Sie blickte auf ihre Uhr und stellte fest, dass sie gut in der Zeit war. Der Fußweg zu Café Diana dauerte laut Google Maps fünf Minuten und sie hatte noch etwa eine Viertelstunde, bis ihr Bewerbungsgespräch begann, was ganz gut war, denn Sophie war nicht gerade mit dem besten Orientierungssinn gesegnet. Außerdem kannte sie sich in London, mal abgesehen von der Winkelgasse, nicht sonderlich gut aus.
Auf dem Weg von Schottland hierher hatte sie mit ihrem Laptop, einer der wenigen Anschaffungen zur Vorbereitung auf ihr neues Muggelleben, nach einem Jobangebot gesucht und war bei einer Anzeige vom Café Diana hängen geblieben. Eine der Kellnerinnen war Schwanger und würde Ende des Monats in Mutterschutz gehen. Sie hatte montags und mittwochs die zweite Schicht von 15:30 Uhr bis 23:00 Uhr und sonntags die erste Schicht von 8:00 Uhr bis 15:30 erledigt und wenn Sophie das Gespräch überstand, würde sie eben diese Schichten für mindestens ein halbes Jahr übernehmen.
Sie hatte schon mal im drei Besen als Kellnerin gearbeitet, was zwar nicht ganz das gleiche war, aber das musste sie ja dem Besitzer nicht erzählen, und am Telefon war man positiv gestimmt und hatte ihr noch am selben Tag ein Gespräch vorgeschlagen.
Zwar würde sie damit kein Vermögen verdienen, aber sie hatte noch genug Zeit, eine Ausbildung oder einen Studienplatz in ihren Kalender zu bekommen und sie konnte alles Geld, das sie kriegen konnte gebrauchen. Wohnungen in London waren nicht gerade billig.
Amy hatte ihr von einer Freundin erzählt, deren zukünftige Schwägerin eine Mitbewohnerin suchte. Pia, die Schwester von Mollys Verlobten, Tom, war etwa in ihrem Alter und die Wohnung war laut Amy zwar klein, aber gemütlich, zentral und nicht zu teuer.
Sophie hatte auf das Drängen ihrer angeheirateten Tante zugestimmt, noch die Woche bei ihr zu bleiben und in der Zeit würde sie mal diese Pia kennenlernen und mit ihr über die Wohnsituation sprechen.
Als sie das kleine Café betrat, fühlte sie sich sofort wohl. Es sah sehr gemütlich aus. Überall an den Wänden hingen Bilder von Lady Diana. Wie sie schon an dem Namen des Inhabers, der ihr am Telefon angeboten hatte, ihn Abdul zu nennen, aufgefallen war, war dieser aus dem Osten und auch das Menü und die zum Teil arabische Schrift -Sophie vermutete zumindest, dass es arabisch war- spiegelte das wieder.
Eine Frau mit blonden Haaren, die ein wenig älter als 20 aussah, kam auf sie zu und fragte, ob sie Sophie helfen könne. Das Lächeln, das dabei auf ihren Lippen lag, wirkte ehrlich und die ganze Art der Frau sehr sympathisch.
Sophie lächelte zurück und sagte nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr: "Ich habe in ziemlich genau fünf Minuten ein Gespräch mit Abdul."
"Ah, dann musst du Sophie Clark sein, Milas Aushilfe. Ich bin übrigens Clara", entgegnete sie, "komm, im Moment ist hier eh nicht viel los und Jack wird auch ohne mich klar kommen."
Clara führte sie in einen kleinen Raum vor der Küche und grinste sie herausfordernd an. "Du hast ja jetzt noch fünf Minuten. Erzähl mal was von dir!"
Ihre offene Art erinnerte Sophie an eine alte Freundin von Hogwarts, die aufgrund ihres Blutstatus nach Amerika geflohen war, als der Krieg ausgebrochen war. Sie überlegte kurz, was sie erzählen sollte und fing dann an.
"Ich heiße, wie du ja schon weißt, Sophie Clark und ich komme aus Schottland. Meine Mutter starb vor ein paar Monaten an einer Krankheit und mein Vater hat uns verlassen, als wir klein waren. Nachdem mein Bruder dann letzte Woche Amerika auswanderte, hielt mich nicht mehr viel dort und um die Erinnerungen an meine Mum los zu werden, beschloss ich hier in London ein neues Leben anzufangen. Und tja, jetzt bin ich hier."
Sophie hoffte, man würde ihr ihre kleinen Notlügen in Hinsicht auf ihre Familie verzeihen und versuchte die leichten Tränen in ihren Augen herunterzuschlucken. Clara blickte sie mitfühlend an.
"Mein Vater war ein komplettes Arschloch. Erst hat er das komplette Geld, das meine Mum verdient und zusammen gespart hatte, ausgegeben und uns dann in Armut zurückgelassen", in ihren grünen Augen blitzte Bitterkeit, "dann, als meine Mum befördert und schließlich nach Jahren harter Arbeit Chefin der Firma wurde, hat er sich wieder gemeldet, kam schleimend angekrochen. Zum Glück hat Mum ihm nicht verziehen und Patrick, ihr neuer Freund, hat ihm eins aufs Maul gegeben, was er voll und ganz verdient hat."
"Na, wenn man das so hört, war mein Dad ja nahezu gnädig, uns wegen einer anderen zu verlassen. Immerhin hatte er den Anstand, Mum nicht zu betrügen, als er merkte, dass nichts mehr lief, sondern hat sich von ihr scheiden lassen, bevor er was mit ihr anfing. Das einzige, wofür ich ihn hasse, ist, dass er sich nie gemeldet hat. Ich hatte ihn echt lieb."
"Wo wohnst du eigentlich momentan?", wechselte Clara das Thema. "Diese Woche noch bei der Schwester meiner Tante, aber eine Freundin von ihr sucht eine Mitbewohnerin und die werde ich morgen mal besuchen."
"Also, falls das nichts wird, bei mir bist du immer willkommen bis du was eigenes hast. Könnte zwar ein wenig eng werden, aber du scheinst nett zu sein und dann teile ich doch gerne." Dieses Mädchen wurde Sophie immer sympathischer und sie freute sich, einen Menschen kennengelernt zu haben, der nach nicht einmal fünf Minuten schon wie eine beste Freundin war.
Sie tauschten noch kurz Telefonnummern aus und dann kam auch schon Abdul, der nicht weniger nett war und Clara verabschiedete sich und ging zurück an ihre Arbeit.
Als Sophie mit dem Gespräch fertig war und eine kurze Einweisung erhalten hatte, war Clara schon durch mit ihrer Schicht und wahrscheinlich auf dem weg nach Hause.
DU LIEST GERADE
Ein Fall von Magie (Potterlock)
Fiksi Penggemar"Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das was bleibt die Wahrheit sein, so absurd sie auch klingen mag." Tja, das Unmögliche ist aber ein recht dehnbarer Begriff, vor allem für Leute wie Sophie. Die halbblutige Hexe hat nach dem zweiten...