Die Nacht schritt voran und irgendwann schlief Celioné über seiner Betrachtung ein. Als die Sonne sich über den Hang schob und ihn weckte, war es noch still im Haus. Ragnar und Zarus schliefen noch. Der junge Mann erhob und streckte sich und machte sich an die alltäglichen morgendlichen Aufgaben. Er hatte das Ei ganz vergessen. Er machte die Haustür auf und atmete die frische Luft ein, ehe er den eimer nahm und zum Bach schlenderte. An einem Baumstumpf lehnte eine axt, die er erst freischaufeln musste. Dann bearbeitete er mit dem Werkzeug die gefrorene Oberfläche des Baches. Splitternd brach das Eis nach dem dritten kraftvollen Schlag und gab das klare Wasser frei. Celioné hockte sich hin und lies den Eimer voll laufen. Dann machte er sich auf den Weg zum Stall und blieb erschrocken stehen. Vor dem Stall saß ein kleines Wesen, halb Adler halb Löwe und starrte ihn aus goldenen Augen an. Der Kopf war von weißen Federn umgeben, der Hals goldfarben und mit silbernen Sprenkeln besetzt. Die Klauen waren geschuppt und von schwarzen Krallen gekrönt. Das Fell, welches etwa im Schulterbereich begann, war Goldgelb und glänzte seidig. Der Schwanz lag um die Hinterbeine herum und schnippte ab und an. Der Kleine legte den Kopf schief und musterte Celioné wachsam, ehe er leise fiebte und den Schnabel aufriss. Der Junge lies den Eimer fallen und schlug sich die Hände vor den Mund. Das musste im Ei gewesen sein! Der Kleine erhob sich und tabste tollpatschig auf ihn zu. Er hatte ihn etwa die Größe einer kleinen Katze. Vorsichtig, den Kopf vorgeregt kam der Kleine näher und schnüffelte dabei. Er beroch die Hose des jungen Mannes, schnupperte am Wasser und setzte sich dann wieder auf sein Hinterteil. Celioné war hin und her gerissen. Schließlich hockte er sich hin und streckte die Hand aus. Der Kleine musterte diese und drückte dann seinen Kopf dagegen. Celioné entwich ein Seufzer. Er kraulte dem Tier den Kopf und füllte das es richtig war. Der Kleine schien zu ihm zu gehören, auch wenn er nicht erklären konnte wieso.
" Du meine Güte!" Zarus Stimme durchschnitt die Ruhe wie ein Faustschlag. Der Kleine sprang auf den Arm des jungen Mannes und drückte sich an dessen Brust.
" Ich lasse es nicht zu!" donnerte Zarus dann und stürzte auf Celioné zu. Der wich stolpernd zurück, von dem unerklärlichen Drang erfüllt, das Wesen in seinen Armen um jeden Preis zu verteidigen.
" Wage nicht näher zu kommen! Ich tu dir weh!" warnte er und streckte die rechte Hand abwehrend nach vorn. Zarus blieb stehen und musterte seinen Sohn wachsam. Ragnar stürmte heraus und blieb verdutzt stehen. Er war mehr erfreut als erstaunt.
" Was ist los?" fragte er unbekümmert und fand sich plötzlich im Schnee wieder. Zarus hatte zugeschlagen und ihn so zu Boden befördert. Ragnar hielt sich die Hand an die Nase und spürte Blut fließen. Zarus stand wie ein Fels über ihm. " Ihr ward das! Ihr habt dieses....Vieh hergebracht und meinem Sohn gegeben! Ich lasse nicht zu, das er wird was auch immer Ihr seid!" tobte er und wollte nochmal zuschlagen. Doch Ragnar war vorbereitet. Er trat dem Bauern gegen das Schienbein, rollte sich weg und sprang auf die Beine. Sein Blick huschte zu Celioné und dem Wesen in dessen Arm. Er hob die Rechte Hand und sprach etwas. Die Luft schien zu vibieren. Celioné krümmte sich zusammen und sackte zu Boden. Der Kleine wurde aus seinem Arm gerissen und in die Luft gehoben. Entsetzt und Faziniert zugleich, sah er zu, wie er wuchs. Die Schwingen wurden Manneslang, der Körper streckte sich. Hals, Schnabel und Klauen wurden größer.
Als er die Größe eines starken Ackergauls erreicht hatte, lies Raganer die Hand sinken und wandte sich Zarus zu. Doch der blieb erstarrt wo er war. Das Wesen schüttelte sich und besah sich seine Flügel und Klauen. Er lies sie zuschnappen und bäumte sich auf. Dabei ließ er die Schwingen wedeln. Dann wandte er sich Celioné zu, der noch immer im Schnee saß und ihn anstarrte.
"Celioné!"
Der erstarrte noch mehr.
" Du sprichst? Was bist du?" fragte er zitternd und kam langsam wieder auf die Beine. Schnee hatte seine Handschuhe verklebt und er lies sie einfach zu Boden fallen. Wieder ertönte die volle Stimme in seinem Geist und erfüllte ihn mit Wärme und Freude.
"Ich bin Juliné. Dein Greif. Und du, bist mein Reiter!"
" Reiter, ich? Neimals!" wehrte Celioné ab und wich etwas zurück, während Ragnar und Zarus die beiden weiter beobachteten.
" Ich lüge nicht. Komm her und fülle selbst!"
Der Greif hob den Kopf und stieß ein leises Pfeifen aus. Zörgend trat der junge Mann an ihn heran und legte seine Hand auf die weißen Federn am Hals. Wieder erwarten waren sie weich und warm. Seine Hand fuhr den Hals entlang und kam zum Übergang. Nun lag sie in weichem warmen Fell, das Golden schimmerte. Der Greif bewegte sich nicht, er summte nur. Celioné spürte das sanfte Vibrieren und fuhr fort das Tier zu ertasten. Die Schwingen waren ebenfalls mit weißen Federn ausgestattet. Doch hier waren sie auch andersfarbig. Elfenbein und Alabaster herrschten vor. Sie waren auch nicht so weich, wie die am Hals. Aber sie waren auch von feinen silbernen Fäden durchzogen. Ohne es zu planen, griff Celioné ins dichtere Fell am Halsansatz und zog sich auf den Rücken des Tieres.
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Greifenreiter Band 1
AdventureCelioné könnte sich nicht vorstellen, je etwas anders zu tun als Bauer zu sein. Doch wie es das Schicksal vorsieht, stolpert er in eine Reihe Ereignisse, die sein Leben komplett umkrempeln. Er muss lernen zu vertrauen und zu kämpfen. Und er muss ent...