Kapitel 11

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Irgendwo zwischen Highway und Landstraße fielen mir die Augen zu. Draußen war es noch immer dunkel und die Sterne waren die einzige Lichtquelle, die das Himmelszelt erleuchteten. Funkelnd und glitzernd, oben am Firmament.Mein Kopf fiel leise gegen die kalte Glasscheibe des Transporters und ließ sie leicht diesig, kreisrund anlaufen.

Als der Transporter hielt, schimmerte der orange-rote Sonnenaufgang bereits am Horizont. Ich blinzelte und rieb mir über die Augen. Im ersten Moment sah ich alles verschwommen. Mein Nacken fühlte sich hart und verspannt an, so als hätte ich die ganze Nacht eine Halskrause getragen und sie gerade in diesem Moment abgenommen. Ich massierte mein Genick und sah nach vorn. Ich war allein im Auto. War das ihr verdammter Ernst? Missmutig sah ich mich um. Ich. Allein. In der Prärie. Na schönen Dank auch.Ich spürte ein mulmiges Gefühl in der Magengrube und auch wenn ich es nicht genau zuordnen konnte war mir doch sofort bewusst, dass es kein Hunger war. Ich fühlte mich unbehaglich so allein mitten im Nirgendwo. Ich lehnte mich nach vorn und drückte auf den Verriegelungsknopf des Autos, ehe ich mich abermals umsah. Bäume und anderes Grünzeug wohin man sah. Zwischen den Zweigen entdeckte ich etwas, das aussah wie ein Gebäude. Ich drängte die Augenlider näher aneinander und blinzelte. Die Hoffnung, dass ich dadurch besser sehen würde, zerstörte sich noch im selben Moment. Mir entwich ein leises Seufzen. Anscheinend hatten sie mich also doch nicht einfach nur irgendwo in der Pampa ausgesetzt. Sie hatten mich in der Pampa vor einem Hexenhäuschen ausgesetzt. 

In meinem Kopf wütete der Kampf Verstand gegen Neugier. Letztere gewann schließlich. Mit einem Ruck öffnete ich die Tür und stieg aus. Die Luft war kühl und feucht, nicht besonders angenehm aber auch kein Grund, wieder zurück ins Auto zu gehen. „Okay, ganz ruhig. Du bist nicht Gretel, du bist nicht Gretel!" Mantras waren schon etwas Nützliches. Wie automatisch rieb ich mir mit gekreuzten Armen über die Schultern bis zu den Ellenbogen als ich begann zu frösteln.Besonders behaglich war mir die Situation natürlich nicht, aber irgendwie hatte diese Gegend mein Interesse geweckt. Ich wollte, nein ich musste herausfinden wo ich war. Gut, vielleicht war ich auch einfach ein Kontrollfreak. Je mehr man in den Wald hinein sah, desto gruseliger schien er zu wirken. Die Bäume und all ihre Blätter und Zweige drängten sich immer enger aneinander je tiefer der Forst wurde. Bis sie sich schließlich in einem drückenden Dunkel verloren. Ich würde ihnen den Hals umdrehen, das schwor ich mir. Was fiel diesen Dumpfbacken überhaupt ein, mich einfach irgendwo abzuparken und sich zu verdrücken? Nicht zum ersten Mal fühlte ich mich wie im falschen Film. Ich wusste zwar selbst nicht genau warum,aber ich versuchte möglichst leise zu gehen, irgendwer, oder schlimmer noch, irgendwas könnte mich schließlich hören und was dann passieren würde wollte ich mir nicht mal ausmalen. Eigentlich war es dafür aber sowieso schon zu spät. 

Meine Fantasie ging längst mit mir durch und vor meinem Inneren Auge sah ich sie alle. Monster mit langen, spitzen Krallen, blutsaugende Ungeheuer, Menschenfresser und Kakerlaken. Gott, wie ich Kakerlaken hasse. Ich schluckte.„Konzentriere dich auf den Weg." befahl ich mir gedanklich und suchte nach einem Anhaltspunkt wo genau ich mich befand. Mir wollte einfach nicht in den Kopf, wieso die nicht einfach mal mitten in der Wildnis ein Straßenschild aufstellen konnten. Ich drehte mich um und sah zum Auto. Es war ein seltsames Gefühl, es dort einfach so stehen zu lassen. Es schien wohl eine Art improvisierter Parkplatz zu sein,auf dem es stand und doch war es das einzige Auto auf dem Schotter weit und breit. Gut, „weit und breit" war wohl etwas hoch gegriffen, immerhin umfasste die Größe des Platzes gerade mal die eines Tennisfeldes. Ich zuckte zusammen, als hätten mich gerade tausende von Volt durchzogen. Beim rückwärts gehen war ich auf einen kleinen Ast getreten, der unter lautem Knacken unter meinem Schuh auseinander gebrochen war. Instinktiv schnellte meine Hand an meine Brust. Mein Herz raste wie wild. Wenn ich jetzt nicht wach war, dann wohl nie. Ich stieß einen tiefen Atemstoß aus und ließ meine Hand wieder sinken. Schnell strich ich mir die störenden Haare aus demGesicht und drehte mich um. Vor mir gab sich ein Gebilde preis, das ich wenige Minuten zuvor nur durch ein paar Äste gesehen hatte. Das Hexenhäuschen also. 

Wo zur Hölle waren nur meine Brotkrumen? Das Haus war klein und schief. Die Farbe der Außenfassade war großflächig abgeblättert und hatte sich bereits auf dem hölzernen Brett der winzigen Fenster gesammelt. Auf dem Dach prangte ein dreckiges Metallschild mit der Aufschrift „Swanwan Motel". Der Zunge, die das gern aussprach fehlte definitiv jeglicher Geschmackssinn. Die Eingangstür war wohl nicht weniger dreckig als das Schild, dafür aber anscheinend hundert Mal schwerer, gefühlt jedenfalls. Ich stemmte mich mit meinem Körper, die Schulter voran, dagegen und drückte sie auf. Der modrige Geruch, der mir sofort entgegen geweht kam, ließ mich beinahe auf dem Absatz kehrt machen. Meine Gesichtsnerven entgleisten und zogen meine Mundwinkel nach unten. Gretel war auf dem Weg Bitches.  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 08 ⏰

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