2| Vorurteile

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Olivia

Er verzieht seine Lippen zu einem enttäuschtem Lächeln. „Ihr seid alle gleich..."

Wie meint er das jetzt schon wieder? Sollte ich das nicht eher von ihm und seinen heimatlosen Kumpanen denken? Anscheinend hat er an meinem Gesichtsausdruck erkannt, dass ich seine Aussage nicht wirklich verstehe. Was ihn aber nur dazu bewegt zu lachen. Er lacht mich aus. Ist das zufassen? Wie kann er in seiner Lage über meine Lage lachen?

„Das ihr alle davon ausgeht, dass wir euch jeden Moment beklauen!" Seine Miene wird wieder finsterer. „Traurig, mit welchen Vorurteilen ihr durch den Alltag geht..." Er presst seine Lippen aufeinander. Mustert mich von oben bis unten.

„Das ha-" - „Spar es dir...ich kenne den Gesichtsausdruck." Er lehnt sich zurück. Und verschränkt die Arme hinter den Kopf. Mir steigt ein unangenehmer Geruch von Schweiß in die Nase. „Traurig, dass wir uns nicht mal mehr mit euch Schnöseln unterhalten können, ohne direkt schräg angeschaut zu werden."

„Ach ja, du scheinst aber mit genauso vielen Vorurteilen durch das Leben zu gehen..."

Er seufzt: „Das Leben hat mich gefickt. Und jetzt ist es fertig mit mir. Ich darf wohl Vorurteile haben!" Als ich zu ihm rüber schaue, sehe ich wie er mit den Schultern zuckt. Seine Augen starren in die Leere und obwohl diese Worte wahrscheinlich wahr sind, lächelt er.

„Vielleicht ist das Leben aber nicht nur mit dir fertig, sondern auch mit diesen Schnöseln." „Ach komm so schlimm kann dein Leben nicht sein. Hast du ne Krankheit? Bist du Obdachlos? Ist jemand deiner Geliebten gestorben?"

„Ich wüsste nicht, dass es dich etwas angeht!" Auf irgendeine Art und Weise habe ich das Bedürfnis mich zu rechtfertigen. Weil ich nicht auf mir sitzen lassen will, dass er denkt, alle verdienenden Menschen seien Schnösel. Aber auf der anderen Seite kenne ich diesen Kerl namens Collin nicht mal. Und ich wüsste nicht, was ihn mein privat Leben angeht.

„Ja, da hast du wahrscheinlich recht. Und ehrlich gesagt interessiert mich euer Schnöselleben auch rein gar nicht."

„Schnösel ist übrigens ein Begriff für ausschließlich Männer!"

Er zuckt mit den Schultern. „Kann ja sein das du ne Transe bist...nicht, dass ich etwas gegen Transen habe. Ich komme mit vielen Menschen klar. Nur nicht mit arroganten Reichen, die denken sie wären etwas besseres. Was heutzutage leider auf den größten Teil der Gesellschaft zutrifft."

Seine Aussage macht mich wütend. „Du kannst uns nicht vorwerfen, dass wir Vorurteile haben, wenn du selbst mit welchen durch den Alltag gehst!"

„Also gibst du es zu?"

„Was?"

„Dass du auch so bist..."

„Wie wer?"

„Sag mal bist du irgendwie blöd? Wovon reden wir hier die ganze Zeit?! Mein Gott, dumm hätte ich dich jetzt echt nicht eingeschätzt!"

„Sag mal spinnst du?! Es tut mir leid, dass ich dir nicht ganz folgen konnte. Aber ich saß hier nun einmal zu erst und wenn es dir nicht passt, wie ich bin, kannst du gerne auch wieder gehen. Ich habe nämlich wichtigere Probleme als ein Obdachloser, der meine Zeit zum Quatschen verschwendet!"

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