Olivia
„Was für eine Pizza nimmst du?", frage ich und sehe ihn über die Schulter hinweg an, während ich die Treppen hoch laufe. Er folgt mir mühelos. Meine Wohnung liegt im dritten Stockwerk und das Gebäude ist so alt, dass kein Aufzug vorhanden ist. Das Treppengeländer ist so ekelig, dass man es lieber nicht anfasst ohne Desinfektionsmittel dabei zu haben. Die gelbe Farbe der Wände blättert bereits ab und die Stufen der Treppe sind ausgetreten.
„Ich weiß noch nicht... ist schon ein bisschen her das ich Pizza gegessen habe. Hast du eine Speisekarte da?"
„Olivia Johnson! Ich warte schon seit einer Stunde! Ich hatte dir doch geschrieben, dass ich vorbei komme...", eine schrille Stimme durchbricht unser Gespräch und ich bleibe augenblicklich wie angewurzelt stehen. Verdammt, die hatte ich ja komplett vergessen.
„Mum...",sage ich dezent genervt. Aber das scheint sie gar nicht zu merken. Sie steht von den Stufen auf und sieht zu mir herab, dann schaut sie an mir vorbei zu Collin. Ihre gefärbten Augenbrauen zieht sie hoch ehe sie spöttisch sagt: „Na, dein Geschmack war auch schon mal besser!" Fassungslos sehe ich sie an. Was denkt sie sich? Kommt hier einfach her und meint an mir herum nörgeln zu müssen und meine Entscheidungen zu kritisieren, anstatt, dass sie mich wie eine normale Mutter erst einmal in den Arm nimmt. Aber seit wann ist meine Mutter schon wie eine normale Mutter.
„Was willst du hier?!",frage ich sie gereizt. Obwohl ich eigentlich ganz genau weiß, warum sie da ist. Aber das kann sie vergessen! Sie bekommen kein Geld von mir. Ich wüsste nicht mal, woher ich das Geld nehmen sollte.
„Ach Livy, das weißt du doch..." Sie steigt gemächlich eine Stufe hinab um mir näher zu sein und um mir tief in die Augen zu schauen. Ihre sind blaugrau. Keine besonders schöne Farbe, meiner Meinung nach. Ihre schmalen presst sie aufeinander und es sieht so aus als hätte sie überhaupt keine Lippe. Was wird das hier? Wieso kann sie nicht einfach gehen und mich in Ruhe lassen? Wieso versteht sie nicht, dass ich, auch wenn ich ihr helfen wollen würde, es nicht könnte.
„Meine Meinung hat sich nicht geändert! Und wenn du uns jetzt bitte entschuldigst, wir haben Hunger!" Trotzig sehe ich meiner Mutter in die Augen. „Komm Collin..." Damit gehe ich an ihr vorbei, ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, die restlichen Stufen hoch zu meiner Wohnung und schließe dann die graue Metalltür auf.
„Du bist so egoistisch, Olivia, weißt du das?! - Weißt du eigentlich, was dein Vater und ich alles für dich geopfert haben? Und wie dankst du es uns: in dem du uns den Rücken zu wendest, wenn es mal schwierig wird!"
Ist das zu fassen? Denkt sie wirklich so kommt sie weiter im Leben? Anderen Leuten Vorwürfe zu machen anstatt sie vielleicht mal lieb und nett zu fragen.„Ich habe kein Geld, Mum! Ich komme gerade so selbst über die Runden. Woher soll ich denn bitte 50.000 Euro auftreiben?! Soll ich eine Bank ausrauben? Ich werde mein Leben nicht mehr für euch aufgeben!" Meine Hand ballt sich um den Schlüssel zur Faust und das Metall drückt sich in meine Haut. Wieso versteht sie denn nicht, dass ich ihnen überhaupt nicht helfen kann? Weil sie nur das sieht, was sie sehen will, Olivia.
„Ja ich versteh schon, Liv. Ich weiß, dass wir die egal sind." Was? „Aber ich habe gedacht, dass du wenigsten dieses Mal für uns da sein könntest. Tja, aber da habe ich mich wohl getäuscht...",der Vorwurf in ihrer Stimme ist kaum zu überhören. Und er macht mich unglaublich aggressiv und zu gleich auch traurig.
„Tja, da hast du dich wohl tatsächlich getäuscht!" Ich presse meine Lippen aufeinander um nicht noch mehr zu sagen, was am Ende dazu führen würde, dass die Situation noch eskalieren würde. Meine Augen funkeln sie wütend an, dann packe ich Collin, der meine Mutter und mich abwechselnd schweigend ansieht, ziehen ihn in meine Wohnung und knalle hinter ihm die Tür zu. Soll sie doch dahin gehen wo der Pfeffer wächst!
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Farbenwelt
Ficción General»Du musst etwas Farbe in deine Welt bringen.« Ein Obdachloser und eine Geschäftsfrau. Arm und reich. Zwei Geschichten die vielleicht ähnlicher sind als beide anfangs dachten.