Wenn es nie ein Ende zu nehmen scheint...

23 3 0
                                    

Er versank in Trauer, Einsamkeit und Hass. Hass auf alles. Hass auf die Menschen, welche ihm das angetan hatten. Hass auf die Welt, in der er lebte, doch vorallem Hass vor der eigenen Person. Wenn er sich im Spiegel betrachtete, sah er nichts außer einer leeren Hülle seiner Selbst, bestückt voller Narben, welche ihm zeigen sollten, dass er noch lebendig war, doch auch dieser Gedankenzug wurde ein für alle mal aus seinem Hirn radiert, als er begann sich immer mehr Schmerz zuzufügen und so sein ganzer Körper bald taub zu sein schien. Aus dem Haus traute er sich nur noch mit langer Kleidung, welche jeden seiner Körperteile bedeckte. Er wollte nicht erkannt werden und vor allem nicht bemitleidet werden, denn das tat er sich selbst seiner Meinung nach schon genug.

Eigentlich war er doch ein Kämpfer, aber was nützte es ihm einer zu sein, wenn keiner exestierte, für den es sich zu kämpfen lohnte? Was nützte es ihm zu kämpfen, wenn man am Ende doch eh der Verlierer sein wird?

Er verabscheute seine Feigheit. Warum konnte er nicht alles einfach beenden? Sein Leben war doch schon praktisch vorbei. Er hatte sich schon so oft mit einer scharfen Klinge geschnitten, da würde ein weiterer Stich, etwas tiefer, doch nichts mehr ausmachen müssen! Er hatte seinen Frust schon so oft mit Tabletten runtergeschluckt, da würde eine mehr doch auch keinen Unterschied mehr machen müssen! Er stand schon so oft vor einer Klippe, um sich das Meer anzuschauen, da würde ein Schritt mehr doch auch nicht schwierig sein müssen! Und doch tat er es nie. Nie wagte er den letzten Schritt, welchen er sich doch jeden Tag so sehnlichst erträumt hatte. Stattdessen stand er jeden Tag wieder auf, jedoch erst gegen Mittag, da sein Job ihm schon seit einiger Zeit genommen wurden war. Er zwang sich ein paar Bisse vom Brot oder dem Mal des gestrigen Abends auf und begann seinen Körper zu schaden. Wie er es macht, entschied er immer spontan...

Seine Trauer und der Hass blieb, doch seine Einsamkeit sollte verschwinden, als er eines Tages diese eine Person traf. Er wusste nicht warum, aber sie fand ihn interessant, wollte sich auf ihn einlassen. Diese kurzen schwarzen Haare, das Lächeln, welches so viel Lebensfreude ausdrückte und diese strahlenden Augen, prägten sich in sein Hirn. Er wollte auch so sein, er wollte sein, wie diese Person vor ihm. Sie ließ sich nicht von seiner Art abschrecken, egal wie sehr er es versuchte und so gab er es bald auf. Diese Person schien zu bemerken, wie es ihm ging, doch nie stellte sie diese Frage, die doch eh niemand besonders mochte: „Wie geht es dir?", stattdessen redete sie nicht um den heißen Brei. Man konnte klar sehen, wenn man sich nur eine Minute Zeit gäbe, um ihn zu betrachten, dass es ihm nicht gut ging und sie schenkte ihm ein Gefühl, welches er schon lange nicht mehr empfand. Vertrauen. Ja, sein Hass gegenüber allem wurde gelindert, denn nun gab es etwas, was er nicht Hassen konnte. Diese eine Person.

Doch egal wie groß das Vertrauen war, es fiel ihm schwer über seine Gefühle zu sprechen. Er wollte ihr doch nicht zur Last fallen, nicht der einen Person, welche ihm doch so viel bedeutete!

Sie zwang ihn jedoch auf, immer mehr Zeit mit ihr zu verbringen, wodurch es nicht lange dauerte, bis sie seine Narben sah. Sie waren auch überall, da war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie sie entdecken würde. Außer seinem Gesicht, war ja alles nur so voll von Narben und noch frischen Wunden, denn obwohl sich seine Stimmungslage durch sie verbessert hatte, konnte er nicht aufhören. Für ihn war das Ritzen genauso eine Droge, wie die Tabletten, welche er Tag für Tag zu sich nahm.

Als sie sie sah, konnte man den Schmerz in ihren Augen sehen. Es waren Tränen. Sie wusste, dass es ihm nicht gut geht, doch damit hätte sie nie gerechnet.

Er wusste, sie meinte es nur gut, sie mochte ihn und er bedeutete ihr genauso viel, wie sie ihm und als sie diese Worte sagte: „Bitte mach das nicht mehr, tu es für mich, okay?", konnte er nur nicken und so nahm er sich fest vor zu kämpfen. Für sie!

Es dauerte jedoch keine zwei Tage, bis er im Badezimmer stand, müde, weil er die ganze Nacht von Albträumen heim gesucht wurden war, mit einer Rasierklinge in der rechten Hand. Das Zittern war stärker als sonst, er wollte es nicht machen. Er hatte es ihr doch versprochen, aber es war seine Droge und so begann er langsam, mit der scharfen Klinge, an seiner Brust entlang zufahren. Sein Gesicht überzog sich mit Schmerz, nicht weil es so weh tat, wie die Klinge sich in sein Fleisch grub, sondern weil er wusste, dass er damit die eine Person, welche ihm am meisten bedeutete verletzte. Drei weitere Schnitte verteilte er auf seinen Körper. Zwei für je einen Albtraum, den er in dieser Nacht hatte und den letzten für die Reue, die er verspürte, weil er sein Versprechen gebrochen hatte...

OCEAN EYES //KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt