Kakashis Sicht:
War ich gestorben? Um mich herum erstreckte sich eine gähnende Leere. Der Kampf gegen den Neunschwänzigen war von Anfang an vergeblich gewesen. Aber was machte das Monster hier? Warum hatte es sich von Konoha abgewand? Das alles war jetzt egal. Etwas ausrichten konnte ich eh nicht und der Bijuu war wieder auf dem Weg nach Konoha. Wenn ich wenigstens die Dorfbewohner warnen könnte... Aber auch das war mir unmöglich.
Was war das? Töne drangen an mein Ohr. Eine Stimme - angenehm und vertraut - erklang in einem bezaubernden Singsang. Langsam kehrte ich in die reale Welt zurück. Auf meiner Brust lagen zwei Hände und meinen Körper umgab eine wohlige Wärme. Die Worte, welche neben mir erklangen, wurden klarer und ich konnte ein, mir unbekanntes Lied wahrnehmen.
Während ich der Stimme lauschte, kam sie mir immer vertrauter vor. Ich wusste einfach nicht, wem sie gehörte, aber das Mädchen war mir wichtig. Mädchen? Welches Mädchen konnte mir etwas bedeuten? Tropfen berührten mein Gesicht. Regnete es? Nein, dafür waren es zu wenige. Nach und nach gelang es mir, mein Auge zu öffnen. Viel konnte ich nicht erkennen, da mein Blick getrübt war, aber ich nahm chemenhaftes blaues Haar war. Blaues Haar? Wer hatte denn blaue Haare? Mein Blick klärte sich und ich schaute genau in Rios besorgtes Gesicht. Über ihre Wangen liefen Tränen und ihr Auge war gerötet. Das andere konnte ich nicht sehen, da es, wie immer, hinter ihrem Pony versteckt war. Ihre Lippen umspielte jetzt ein erleichtertes Lächeln. Mit einem freudigen Aufschrei fiel sie mir plötzlich um den Hals und erdrückte mich dabei fast. Aber, was machte sie hier? Und seit wann war sie so besorgt? Bevor ich an ihrer Umarmung ersticken konnte, brachte ich geradenoch ein knappes "...keine Luft..." hervor. Sofort entfernte sie sich wieder und sah mich etwas verlegen an. Erst jetzt nahm ich den seltsamen Geruch war. Er wirkte erfrischend und belebend und kam...aus einem kleinen Beutel in Rios Schoß. Langsam richtete ich mich auf. Den Blick auf das Säckchen gerichtet sprach ich meine Gedanken jetzt laut aus: "Was ist das?" "Ach, nur eine Kräutermischung. Sie ist nach einem alten Rezept meines Clans hergestellt und wirkt regenerierend und erfrischend.", antwortete sie, den Blick jetzt auf den Beutel gesenkt. "Aber...,was ist hier passiert? War das etwa der Fuchs?", fuhr sie, weiterhin besorgt, fort. Stumm nickte ich. Als ich über das Vergangene nachsann, blieben meine Gedanken an den Jungs hängen. Was war mit ihnen geschehen? "Deine Kameraden haben es nicht überlebt." Als hätte sie meine Gedanken gelesen, überbrachte Rio mir diese schreckliche Nachricht und schaute mir dabei mit beileidigem Blick genau ins Auge. Zusammenreißen musste ich mich jetzt mehr denn je. In einer solchen Situation einen kühlen Kopf zu bewaren war keine leichte Aufgabe, aber ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Im Moment ging das Dorf vor alles andere...und auch Rio durfte nichts geschehen. Mit Mühe richtete ich mich auf und versuchte die Orientierung wieder zu erlangen. Rio half mir mich zu sortieren und wir nahmen gemeinsam die Verfolgung des Fuchses auf. Erst jetzt realisierte ich richtig was geschehen war. Zum Ersten Mal dachte ich auch über den Inhalt von Rios Lied nach. Was hatte sie gesagt? "Nur bei dir fühl ich mich...Unsterblich"*, rief ich mir ihre Worte in erinnerung. Was hatte das zu bedeuten? Meinte sie etwa mich? Sollte es überhaupt etwas bedeuten? Oder hatte sie einfach nur irgendwas gesungen? Am liebsten hätte ich sie gefragt, aber dafür blieb jetzt keine Zeit. Genauso wenig wie für all die anderen Fragen, die in meinem Kopf nach Antworten suchten. Später würden sich garantiert noch genug Möglichkeiten bieten alles zu klären, versuchte ich mich abzulenken.
"Da ist er!" Mit diesem Ausruf zog Rio meine Aufmerksamkeit auf sich. Wir hatten es geschafft! Endlich hatten wir den Fuchs eingeholt. Aber wie sollte es weitergehen? Die Chance den Kampf zu überleben, geschweigedenn zu gewinnen war minimal. Gerade versuchte ich eine Strategie zu entwickeln, als Rio plötzlich vorstürmte. Mehr fliegend als rennend aktivierte sie ihr Shinseina ikimono no ai. Außerdem bildete sich ein Schutzpanzer aus Chakra um sie herum...wie machte sie das nur? Je näher sie unserem Gegner kam, umso stärker wurde die Energie, die von ihr ausging. Eine riesige routierende Kugel in ihrer Handfläche sog jetzt jegliches Chakra, das Rio umhüllte auf. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Gürtel - er leuchtete seltsam. Er musste den Schutz erzeugen und die Attacke mit zusätzlichem Chakra speisen. Gleich. Jetzt. Ein letzter Kampfschrei seitens Rio zerriss die vorherige Stille des Waldes. Sogleich wurde der schrille Ton auch schon durch ein anderes Geräusch abgelöst: Ein ohrenbetäubender Knall, ausgelöst durch den Aufprall des Angriffes auf die Flanke des Neunschwänzigen. So schnell der Ton kam, so schnell schluckte ihn auch schon wieder eine enorme Druckwelle, die rundherum gnadenlos Bäume ausriss, Felsen in kleinste Einzelteile zersplitterte und den Boden in einen tiefen Krater verwandelte. Auch ich musste mich, trotz meinem Abstand, verdammt anstrengen um nicht mehrere Meter zurück geschleudert zu werden. Mein Inneres füllte sich mit Leere, die erst mit Rückkehr der Ruhe wieder nachließ. Was war geschehen? Was war mit dem Fuchs? Wie ging es Rio? Alles war so schnell passiert, dass ich mich fragte wie ich die einzelnen Details der Aktion eigentlich mitbekommen hatte. Wie konnte überhaupt so viel in so wenigen Sekunde geschehen? Aber jetzt war keine Zeit über vergangenes nachzudenken. Ich musste den Kampf in die Hand nehmen. Wie war die Situation? Höchstens leicht verletzt und wenige Meter nach hinten platziert stand der Fuchs da und richtete seine Aufmerksamkeit auf ein regungsloses Mädchen. Rio. Sie schien deutlich mehr abbekommen zu haben. Ihren genauen Zustand konnte ich nicht erkennen. Lebte sie überhaupt noch? Allein der Gedanke, dass sie es nicht tat, versetzte mir einen Stich mitten ins Herz. Volltreffer. Aber...woher kam dieser Schmerz? Ich wusste es nicht. Dafür aber etwas anderes: Ich musste jetzt handeln. Schnell handeln.
Wohl durchdacht, aber doch ziemlich hoffnungslos feuerte ich ein Jutsu nach dem anderen auf das Ungeheuer, doch die Wirkung blieb aus. Um genau zu sein scherte sich mein Gegner einen feuchten Dreck um meine vergeblichen Versuche ihm etwas entgegenzusetzen. Näher heran kam ich auch nicht. Wie hatte Rio das nur gemacht? Beherrschte sie einen Trick oder war es lediglich der Überraschungseffekt?
"KAKASHI!!!" Ein gellender Schrei rieb mir meine Unaufmerksamkeit direkt unter die Nase. Noch während dieser Gedanke mein Hirn durchstreifte, drehte ich mich um und bekam ein verwirrendes Bild zu sehen: Rio kam stolpernd auf mich zu gerannt. In ihrem Gesicht spiegelten sich Verzweiflung und Panik. Es war schön zu sehen, dass sie lebte, aber was hatte sie vor? Warum lief sie mir entgegen, anstelle sich in Sicherheit zu bringen? Sonderlich viel Kraft zum Kämpfen schien sie wirklich nicht mehr zu haben. Trotzdem stürmte sie auf mich zu, stolperte, fing sich wieder. Wenige Meter vor mir stieß sie sich vom Boden ab und sprang auf mich zu. Was war das?! Kein einziger Muskel in mir rührte sich. Wie angewurzelt stand ich da und konnte mich nicht bewegen. Rio flog auf mich zu und kam näher – immer näher. Fast berührte sie mich schon. Da! Mit unerwarteter, aber trotzdem sanfter Gewalt wurde ich zurückgestoßen. Noch im Flug nahm ich plötzlich den Grund ihrer seltsamen Aktion war: Unaufhaltsam schnellte die Tatze des Neunschwänzigen herab. Immer schneller senkte sie sich über genau dem Punkt, wo ich noch vor wenigen Sekunden stand und Rio nun kurz vor einer unsanften Landung schwebte. Angst machte sich in mir breit. Panik. Was würde geschehen? Das Bild des hilflosen Mädchens, welches mir auf irgendeine Weise so wichtig war, brannte sich unauslöschbar in mein Hirn ein. Mein Herz wurde geradezu durchlöchert von den unzähligen Stichen, die sich wie mit unsichtbaren Speeren hindurch bohrten. Von Rios Lippen tropfte Blut. Trotzdem umspielte sie ein sanftes Lächeln. Ihr Pony war verrutscht und das erste und letzte Mal konnte ich ihr ganzes Gesicht sehen. So wunderschön. Einfach zum verlieben... Fingerzeichen. Warum? Wofür? Immernoch berührte keiner von uns den Grund. Als wäre die Zeit eingefroren schwebten wir nahezu bewegungslos über dem Boden. Was war das? Mein Blickfeld verringerte sich. Als fiele ich durch einen Tunnel, umgab ein breiter werdender Rahmen das Bild vor meinen Augen. Immer weiter entfernte ich mich von Rio, die weiterhin warm lächelte und nun ihre Hand zu einem stummen Gruß hob. Dann... Die Fuchspranke schnellte herunter und begrub Rio unter sich. Staub wirbelte auf. Alles hatte sein normales Tempo zurückerlangt. Der Schmerz in meiner Brust war unerträglich. Endgültig hatte ich sie verloren. Als würde ich mich immer weiter von dem Geschehen entfernen, verringerte sich mein Blickfeld und die Geräusche klangen gedämpft. Immernoch lagen Unmengen an Staub in der Luft. Es war vorbei. Wir hatten verloren. Ich schloss die Augen. Weiterhin freier Fall. Wie war das möglich? Doch dann... Der Aufprall. Unsanft und hart. Das konnte kein weicher Waldboden sein. Aber was sonst? Noch blieb ich einfach liegen. Aber...was war das? Stimmen? "Das ist Kakashi!" "Wo kommt der denn her?" "Wo sind die anderen?" "Was ist mit ihm los?" Wo war ich nur. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und zog mich sanft, aber bestimmt hoch. "He, Junge, ist alles okay?" Langsam öffnete ich das rechte Auge und blickte genau in das Gesicht von Hiroshi, einem freundlichen Händler aus Konoha. Wie konnte das sein? Meine Augen weiteten sich. Das war doch unmöglich.
Ich war... in Konoha... In Konoha!
Das Dorf war gerettet. Minato hatte sein Leben gegeben und den Bijuu in ein Neugeborenes eingeschlossen. Mich hatte man über das Vergangene ausgefragt und danach ins Krankenhaus gebracht. Nach dem Angriff wurde ich aber schnell wieder entlassen. Jetzt gab es nur noch ein Ziel für mich: Ich musste zurück zum Kampfort und sie finden. Unbedingt musste ich sie wiedersehen. Lebend. Egal wie gering die Chance war, ich musste es einfach versuchen. Schon auf der Reise schienen mir die Bilder, welche meine Vorstellung streiften unerträglich. Doch am Kampfplatz angekommen fand ich keines dieser Szenarien vor. Nichts, außer einem riesigen Krater und Unmengen an umgeknickten Bäumen und zersplitterten Felsen. Das konnte doch nicht sein. Wo war sie hin? Langsam streiften meine Blicke den kompletten Krater und ich drehte nahezu jeden Stein einzeln um. Nichts - Außer... Ein Amulett. Ihr Amulett. Das einzige, was ich noch von ihr hatte. Erschöpft setzte ich mich auf einen entwurzelten Baumstamm. Nachdenklich und mit getrübter Sicht schweiften meine Blicke über das kleine Schmuckstück in meiner Hand. Wo war sie nur? Gerade wollte ich wieder aufbrechen und schloss die Hand fest um den Anhänger. Doch dann... Klick. Was war das? Vorsichtig löste ich meine Finger. Hatte ich es kaputt gemacht? Nein. Alles heile. Zum Glück. Aber...es hatte sich ein Türchen geöffnet, sodass man ins Innere des Amuletts sehen konnte. Mit zitternden Fingern holte ich den darin enthaltenen Zettel heraus, entfaltete ihn und las den Text. Plötzlich hallte ihre Stimme wieder durch meinen Kopf. Es war...ihr Lied.
Mit diesen letzten beiden Andenken kehrte ich nach Hause zurück. Wochen lang hoffte ich noch, auch sie würde das tun. Doch sie kam nicht wieder. Niemals.
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So, das war das letzte Kapitel des ersten Teils...
Wie fandet ihr es?
*Das angedeutete Lied bezieht sich übrigens auf den Song „Unsterblich" von Luxuslerm.
Ich liebe dieses Lied und als ich es kennenlernte fand ich es so passend, dass ich es einfach einbauen musste.
Für mich ist es eine Art musikalische Wiedergabe von Rios Gefühlen gegenüber Kakashi.
Ich bedanke mich vielmals bei meinem Cousin und gleichzeitig meinem Testleser.
Vielen Dank, dass du mit Rat und Tat an meiner Seite standest
und dir immer Zeit für mich genommen hast. Hab dich lieb Großer ;-* !
Außerdem möchte ich an dieser Stelle nochmal darauf hinweisen, dass ein zweiter Teil folgen wird.
Wer wird wohl dieses Mal die Hauptrollen einnehmen?
Falls ihr Interesse habt, freue ich mich auf euch und eure konstruktive Kritik.
Vielen Dank für's lesen!
Liebe Grüße, LadyPicasso
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Das dritte Auge
FanfictionDer (hoffentlich) allseits bekannte Konoha-Ninja Kakashi Hatake lernte auf einer Mission eine fremde Kunoichi kennen. Aufgrund einiger Geheimnisse, welche das Mädchen anscheinend verbarg, nahm er sie mit in sein Dorf. Dort gewann er nach und nach ih...