Beerdigung

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Pov Sophi

Ich weiß überhaupt nicht wieviele Tage vergangen sind, bis zu Ardys Beerdigung. Ich wusste es nicht, weil ich es einfach nicht wissen wollte. Es war zuviel passiert, was die Zeit nicht heilen konnte. Es dauerte ewig, bis ich endlich wirklich begriffen hatte, dass Ardy tot war. Ich hatte es nicht begriffen. Hatte gehofft, dass ich aus einem dunklen Traum wieder aufwachen würde, dass alles nicht passiert war. Doch ich wachte nicht auf und musste begreifen, dass ich Ardy niemehr sehen würde. Ich würde niemehr seine Stimme hören, seinem lachen zuhören dürfen, das Funkeln in seinen Augen würde ich nie wieder sehen. Die Zeit bis zur Beerdigung war das Schrecklichste was ich je erleben musste. Es fühlte sich an, als würde ich ertrinken. Als würde mich etwas unter Wasser drücken und dort festhalten. Ich war zu schwach um hochzukommen. Zu schwach um an die Oberfläche zu kommen. Und gleichzeitig konnte ich nicht ertrinken. Irgendetwas hielt mich vom sterben ab. Denn ich sinke immer tiefer, will keine Luft, brauche keine Hand. Ich möchte nur sinken. Immer tiefer und tiefer. Versinken, ertrinken, verschwinden.

Genauso fühlte sich diese Zeit an. Als würde ich ertrinken, wäre aber nicht fähig zum sterben. 

Dann kam die Beerdigung. Alle waren da. Viele Leute kannte ich nicht. Manu stand mit zwei anderen in der Menge. Wahrscheinlich um nicht aufzufallen.

Vorne am Altar stand ein Bild von ihm und nebendran sein Sarg.

Unter seinem Bild war ein Schriftzug gedruckt:

„Wenn ihr an mich denkt, dann seid nicht traurig, sondern habt den Mut von mir zu erzählen und zu lachen. Gebt mir einen Platz zwischen euch, so wie ich ihn im Leben hatte."

Ich las ihn und ein Lächeln umspielte meine Mundwinkeln. Ich wusste nicht warum, doch es war so.

Dann als der Teil in der Kirche vorbei war, kamen die Sargträger und schoben den Sarg zum Grab. Da ich mit ihm verheiratet war, stand ich neben dem Grab, als die Leute kamen. Und man sah ihnen an, dass sie versuchten die Fassung zu bewahren. Sie schafften es auch relativ gut. Bis dieser Moment kam, indem man vor dem Grab steht und auf den Sarg hinunter schaut. Man wirft eine Rose hinunter und in diesem Moment sieht man all den Schmerz in ihrem Gesicht. Dann wurde ich selbst nochmal, immer wieder, an diesen Schmerz, an meinen eigenen Schmerz erinnert. Der Verlust wurde mir mit jeder Rose, die auf dem Sarg landete mehr bewusst. Und mit jeder Rose vergoss ich eine Träne. Es tat weh. Es tat immer so unglaublich weh.

Dann war das Totenmahl. Ungefähr 75 ausgewählte Personen waren dabei. Sie lenkten sich gegenseitig von der Trauer ab. Ich verstand sie, obwohl ich mich nicht ablenken konnte.

Schließlich wurde es Abend. Die letzten waren gegangen. Ich stand auf und ging nocheinmal zum Friedhof. Ich konnte garnicht anders. Die Sonne schien auf das noch offene Grab. Ich kniete mich davor hin und fing einfach an zu reden.

„Weißt du Ardy. Ich weiß, dass du nie wieder kommst und das bricht mir das Herz. Ich lag die ganze Zeit im Bett und hatte darauf gewartet, dass sich etwas ändert. Doch wie sollte es sich ändern? Manchmal habe ich dann darüber nachgedacht, was aus uns geworden wäre. Hätten wir ein Haus gekauft, einen Hund gehabt, Kinder bekommen? Doch ich fantasiere eben nur. Weil du nie wieder kommen wirst. Nie wieder. Weißt du. Mit dir war ich richtig am leben. Fehlende Teile meines Herzens hatten sich zusammengeschlossen. Alles wegen dir. Du warst der Grund, weshalb ich neu aufgeblüht bin. Du warst meine Melodie. Meine perfekte Melodie die ich immer hören wollte. Ich hatte nie genug von dir bekommen. Du hast mir meinen Kopf verdreht. Ich war nur eine Hälfte des Ganzen. Jetzt bin eine Hälfte, welche ganz alleine steht. Ich habe deine Hand nicht mehr zum halten. Ich finde keinen Halt mehr. Ohne dich bin ich zerrissen. Ich fühle mich, als ob ich in tausend Teile zerbrochen wäre. Ich bin ohne Halt wie ein Segel im Sturm. Es fühlt sich an, als würde ich in Zeitlupe leben und alles um mich würde sich viel zu schnell bewegen. Und ich will einfach nur zu dem Punkt zurück .. an dem alles noch normal war. Ich weiß nichtmalmehr, wer ich überhaupt bin. Ich habe viel Zeit damit verbracht Gründe und Antworten zu finden. Doch wie soll man etwas finden, wenn es nicht da ist? Du bist gegangen und ich muss damit weiterleben. Du hast einfach aufgehört zu atmen und deine Augen geschlossen. Für immer."

Dann brach meine Stimme und die Tränen liefen mir über mein Gesicht. Ich griff in meine Tasche und holte ein Foto heraus.

„Hätten wir doch nur die Zeit angehalten... Ich werde dich vermissen. Ich liebe dich. Hab ich immer und werde ich immer. Vergiss das nicht egal wo du bist, egal ob du mich hören kannst. Ich werde mach Amerika gehen. Abstand gewinnen. Außerdem bin ich naja... ich bin schwanger. Von dir. Ich werde jetzt gehen und länger nicht wiederkommen. Bitte vergiss mich nicht. Ich liebe dich"

Ich ließ das Foto hinab auf den Sarg fallen und wischte meine Tränen ab. Es war unser Hochzeitsfoto. Hätten wir doch nur die Zeit angehalten. Ich drehte mich um und ging. Ich blickte nicht zurück.

Ich ging zurück nach Essen. Meine Koffer waren gepackt. Von den anderen musste ich mich nicht verabschieden. Jeder von ihnen hatte einen Brief bekommen und Bandit hatte ich izzi übergeben. Er hatte sich gefreut wie ein kleines Kind, denn er wollte schon immer einen Hund und jetzt hatte er endlich einen. Für mich war es ein Abschied, denn er war mir so ans Herz gewachsen, doch ich wusste, dass er in Amerika nichts zu suchen hatte. Also ließ ich ihn bei izzi. Meine Wohnung hatte ich verkauft. Mitsamt den Möbeln, bald würde jemand Neues hier einziehen.

Ich ging nach draußen und schloss die Tür zum letzten Mal, fuhr mit dem Taxi zum Flughafen und stieg in das Flugzeug, welches mich weit weg bringen würde.

*edited 16.03.18 22:47*


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