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Er glaubte seinen Augen kaum. Das, was er sah, konnte nicht der Wahrheit entsprechen. Dieses Häufchen Elend, welches keine fünf Meter von ihm entfernt im Gras hockte und sich die Seele aus dem Leib zu schluchzen schien, konnte unmöglich das Kind der Götter sein.

Was war geschehen? Dieses Mädchen war nicht die Heldin, von der der gesamte Stützpunkt der übernatürlichen Welt, Skya, schwärmte. Das junge Ding schien noch nicht einmal in der Lage zu sein wieder auf die Beine zu kommen, wie konnte sie je gegen die Anführerin der Daktylen, einem Volk voller grausamer Metallmonster antreten und auch nur einen Wimpernschlag lang überleben?

Kein Wunder, dass ihr Wächter Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um über sein Ableben hinweg für ihren Schutz zu sorgen. Er hätte zwar selbst nie gedacht, dass es je soweit kommen würde, dennoch hockte er jetzt hier hinter den Büschen und beobachtete das weinende Mädchen.

Tief atmete er durch und versuchte dabei keinen Laut von sich zu geben. Seine Aufgabe bestand darin, das Mädchen zu beobachten und mögliche Gefahren auszuschalten und das ohne, dass sie von seiner Anwesenheit Notiz nahm. Reine Vorsichtsmaßnahmen, so Gideon. Peter wusste nicht, dass sie es noch durch das Portal geschafft hatte und so sollte es auch bleiben.

Aus diesem Grund schritten sie auch nicht ein, als sie vom Vorhaben der Prinzessin erfuhren, dass sie zu ihrer menschlichen Tante nach Schottland ziehen wolle.

Wieso auch, schließlich wird sie in einem Land, welches für die vielen Rotschöpfe bekannt ist, bestimmt nicht mehr so auffallen., dachte er bei sich und verschluckte sich prompt, als er versuchte nicht zu lachen.

Schnell schlug er sich die Hände vor den Mund und hoffte, dass die Prinzessin sein unterdrücktes Husten für ein Geräusch des Waldes halten würde. Natürlich tat sie das nicht. Schließlich war sie nicht dumm. Verdammt!

Augenblicklich erstarrte die am Boden kniende Gestalt und richtete sich kerzengerade auf. Sie verharrte. Er verharrte. Beide hielten sie die Luft an und warteten auf ein Zeichen des anderen.

Zum ersten Mal konnte er einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen. Sie war hübsch. Dennoch konnte er die Entscheidung ihres Wächters nicht nachvollziehen. Alle Regeln zu brechen und das nur der Liebe willen! Undenkbar. Dachten zumindest alle, dass es bei Cyrian niemals der Fall sein würde, schließlich war er der Musterschüler, der mit den wenigsten Brüchen und den besten Noten.

Wer ist da?, die Stimme des Mädchens klang belegt vom vielen Weinen.

Er wagte es nicht mehr zu atmen. Langsam stieg Panik in ihm auf. Was sollte er nun tun? Panisch dachte er nach, schließlich war dies sein erster Außeneinsatz, da konnte er nicht bereits nach drei Stunden erwischt werden!

Schnell zog er sich noch mehr in die Schatten der umstehenden Bäume zurück. Zu seinem Glück kam genau in diesem Moment die Freundin des Mädchens. Er hörte sie einige Worte wechseln, war jedoch zu sehr damit beschäftigt kein Geräusch von sich zu geben, als dass er ihrem Gespräch hätte lauschen können.

Als er das nächste Mal aufsah stieß er erleichtert die angehaltene Luft aus. Sie gingen! Mit einem letzten misstrauischen Blick in das Unterholz verschwanden die Mädchen.

Keine zehn Sekunden später begann sein Seelenstein warm zu werden. Obwohl jedes Lebewesen so einen Stein besaß, fand er ihn doch ziemlich unpraktisch. Noch dazu was die Privatsphäre anging. So sah er also, sobald er den gelben Fernoss aus seiner Hosentasche gefischt hatte, geradewegs in das wütende Gesicht seines Vorgesetzten.

Gideon! Was ist los?, er wusste bereits, was als nächstes kommen würde.

Drei verdammte Stunden lässt man dich alleine und schon lässt du beinahe die gesamte Mission auffliegen. Ich sollte dich sofort zurückbeordern und dich zwanzig Meilen laufen lassen, damit dir dein Lachen endlich vergeht. Doch das wäre gegen Cyrians Wunsch und er muss wohl wissen was das Beste für Cleo ist. Weshalb wir nun eben den Plan etwas ändern., sichtlich gestresst fährt er sich durch seine hellen Haare.

Du wirst dich an ihrer zukünftigen Schule in Schottland einschreiben und dich mit ihr anfreunden. Dann musst du dich nicht länger im Unterholz verstecken um deine Arbeit zu erledigen.

Bevor er auch nur die Gelegenheit hatte irgendetwas auf diese plötzliche Planänderung zu erwidern, war Gideons Gesicht auch schon wieder verschwunden. Der Fernoss verlor beinahe augenblicklich seine Wärme.

Na toll, kaum war er die Schule auf Skya los, musste er auf die nächste. Und noch dazu auf eine menschliche!

Das Kind der Götter - OzeanblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt