1

3.4K 139 28
                                    

Die Perfektion mancher Menschen war vom Ausdruck unbeschreiblich. Unbeschrieblich schön, komplett makellos, -was auch immer es sein. Wer wünschte sich denn nicht, genau so zu sein?
Gleich ein komplett anderes Leben zu führen. Ungefähr so eines, wie ihres.
Ein perfektes eben.
Leicht war es nicht. Das war schon mein erster Gedanke.
Und daran hielt ich dann auch so lange fest, bis ich etliche Male kämpfen, mich unzählige Male hindurch beißen musste, um letzendlich zu begreifen, dass das Streben ums Perfektsein völlig umsonst war.
Denn perfekte Leute gibt, und gab es in keinster Weise.
Da bin ich mir bis heute sicher.

Ich bin nicht perfekt. War es auch nie, und würde es niemals sein.

Vogelgezwitscher. Vogelgezwitscher und ein leichtes, gedämpftes Aufbrausen quietschender Autoreifen füllten die kleinen Gassen zum Park nahe des Hasetsu Castles. Es war gefühlt Ewigkeiten her, seit dem ich das letze Mal diese Straßen entlang ging. Sehr viel hatte sich allerdings wohl nicht geändert. Trotzdem würde ich einfach zu gerne öfters nach Japan kommen. Doch leider kostet auch nur ein Flug sehr viel Geld, welches ich mir als 15 Jahre alte Schülerin nicht wirklich leisten kann. Deutschland liegt nunmal nicht gerade nebenan. Außerdem ist da auch noch die Schule. Die Schule, oh ja, wie sehr ich sie doch hasse. Nicht allein die Schule an sich, sondern zusätzlich aufgrund den Lehrern und Schülern.
Womöglich lag es eh an mir, dieser ganze Stress.
Und um abzuschalten kam ich hier her.
Sofort war ich bereit, die nächsten sechs Wochen in Japan zu verbringen.

Ich ließ meinen Blick ein wenig schweifen, und nach ein paar Minuten Gehen erblickte ich eine Bank, auf die ich mich erst einmal niederließ und anfing, in meiner Tasche herum zu wühlen, bis ich schließlich meinen Skizzenblock fand, und ihn zusammen mit einem Bleistift heraus kramte. Ich schaute auf. Von hier aus hatte man den perfekten Blick auf das allseitsbekannte Hasetsu Castle.

Ich öffnete meinen Block und fing an erste Linien auf dem dünnen Papier zu zeichnen. Nach und nach, von Strich zu Strich, konnte man immer mehr das räumige Schloss erkennen. Mit meiner Arbeit zufrieden lächelte ich kurz, rückte meine Brille ein Stück höher.
Stundenlang hätte ich hier sitzen können, ohne von jemandem gestört zu werden. Einfach weiter zeichnen. Doch plötzlich ertönte aus der Ferne Bellen. Bellen das immer lauter wurde. Ich schrak auf und richtete meinen Blick. Ein Hund. Ein Hund, der immer näher kam und mich schließlich ansprang. Schützend hob ich meinen Skizzenblock gegen den Hund und kniff meine Augen zu, die bereits angefangen hatten, zu tränen, doch das Tier hatte nicht im Geringsten Willen daran, aufhören zu kläffen.
"Makkachin!!" Makka- was?

"Eh.. Entschuldige.." Vorsichtig öffnete ich meine Augen, senkte meinen Block und sah einen schwarzhaarigen jungen Mann vor mir stehen. Mein Blick fiel auf den Hund, welcher nun von dem Mann zurück an seine Leine gebunden wurde. Sie war rot gefärbt und trug ein kleines Glöckchen.
Ich musterte den Mann etwas genauer. Er trug eine zierliche Brille auf seiner Nase und hatte für einen typischen Asiaten ziemlich große, weite braune Augen. Zumindest nahm ich an, dass er hier wohnte.
"Eh..", machte der Mann. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sehr ich ihn angestarrt hatte, ich zuckte zusammen und lief ein wenig rot an. "Sch-Schon in Ordnung..", gab ich leise zurück.

Der Mann rieb sich am Hinterkopf, ließ seinen Blick durch die Umgebung wandern und erblickte irgendwann meine Zeichung. "Hast du das etwa gezeichnet?"
"Eh.. ja..",erwiderte ich ein wenig verwirrt ansatz des so plötzlichen Komplimentes. Er lächelte. "Das sieht echt gut aus!" Etwas verlegen bedankte ich mich und der Japananer antwortete -wieder mit einem Lächeln.

Nachdem der Fremde sich zusammen mit seinem Hund wieder auf den Weg gemacht und ich meine Zeichnung beendet hatte, schnappte ich mir meinen Rucksack und ging anschließend wieder zurück auf mein Hotelzimmer, in dem ich erst am heutigen Morgen angekommen war.
Müde schmiss ich mich auf das frisch bezogene Bett, ließ meine Füße bäumeln und dachte über den heutigen Tag nach.
Bis ich nach einer Weile schließlich einschliefー

Alles war schwarz weiß. Nirgendwo war auch nur ein kleines bisschen Farbe zu sehen. Nichts und niemand war da, -nur du.

"ICH HASSE DICH", fingst du an zu schreien, "ICH HASSE DICH, ICH HASSE DICH, ICH HASSE DICH!!" Tränen liefen deine grauen, kalten Wangen hinunter. "Ich..", noch ein letztes Mal hattest du dich umgedreht, sahst mir mit deinem eisigen Blick tief in die Augen, "...hasse dich." Und mit diesen letzten Worten wandtest du mir entgültig den Rücken zu und verschwandest hinter dem dichten Nebel, der dich für jeden weiteren Schritt, den du gingst, immer weiter verschluckte.

"Ich hasse dich"

Für die, die sich wundern sollten: Ich bin gerade dabei, not perfect umzuschreiben, deshalb hab ich die Kapis zurück gezogen :)

not perfect  |Yuri PlisetskyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt