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Ich schrie auf.
Rieb mir sofort die Augen.
Schweißgebadet fand ich mich in meinem Bett des Hotelzimmers wieder.
"Ein... Traum..?"
Langsam wurde ich mir bewusst, dass es wieder "Der Selbe", -so hatte ich ihn getauft, war. Sogut wie jeden Monat suchten mich die stetigen Erinnerungen meiner grausamen Kindheit heim.
"12:17..", murmelte ich, stieß die Decke beiseite, um somit mein Bett zu verlassen.

Ungefähr eine halbe Stunde verging. Frühstück konnte ich wohl vergessen; dafür war es jetzt wohl zu spät. Und um Einkaufen zu gehen, hatte ich am vergangenen Tag wohl keine großartige Lust gehabt, was ich nun umso mehr bereute. Dann eben heute.

Sobald ich meine Einkäufe erledigt hatte, besuchte ich ein zweites Mal den Platz, vor dem Hasetsu Castle, an dem ich gestern noch an meiner Zeichnung gearbeitet hatte. Ich setzte mich also wieder auf die altbekannte Bank und holte meine angefangene Skizze, zusammen mit einem Etui hervor, begang damit, meine Zeichnung zu outlinen und sie letzendlich zu colorieren. Auch wenn es heute erst mein zweiter Tag hier war, hatte ich diesen Platz schon liebgewonnen. Die ruhige Umgebung schenkte Inspiration.
Irgendwann stopfte ich meine Zeichenutensilien wieder zurück in den Rucksack und begab mich auf einen kleinen Rundgang durch den Park. Ich hatte sowieso nichts Besseres zu tun.
Keine zwei Minuten Gehens später machte ich halt. Vor mir erstreckte sich ein metergroßes blaues Gebäude. Grübelnd las ich dessen Aufschrift. 'Ice Castle'? Neugierig begab ich mich zum Eingang, wo mir gleich ein nächstes Schild ins Auge fiel.

"Öffentliche Laufzeiten Dienstag: 14:30 Uhr - 23:00 Uhr"
Eine Eishalle?

Zwei Mal war ich jetzt schon in Hasetsu gewesen, aber das war mir neu.
Da ich für meinen spontanen Aufenthalt sogut wie gar nichts geplant hatte, und mir eh nichts anderes in den Sinn kam, entschied ich mich dazu, für heute Eislaufen zu gehen. Kurz warf ich einen Blick auf meine Uhr, welche mich wissen ließ, dass ich mich wohl noch eine halbe Stunde gedulden musste. Seufzend lehnte ich mich nach hinten, und erschrak, als die Tür von allein aufging. Geradeso hatte ich mich noch an einem Regal festhalten können, um nicht mit voller Wucht hinzuknallen. Ich atmete auf, mein Herz klopfte. Bei meinem Pech allerdings ließ sich nicht verhindern, dass das Regal brach, und ich letzendlich doch auf dem kalten Fußboden landete.

Plötzlich ging das Licht an, und ich fuhr schlagartig wieder hoch.

"Wer bist du denn?" Drei kleine Mädchen umgaben mich so einmal, und holten mich von meinen Gedanken wieder in die Realität zurück. Doch kaum hätte ich antworten können, hallte eine weitere Stimme von hinten durch den Gang. "He!" Sie klang wütend. "Axel, Loop, Lutz, ich hab euch doch gesagt, ihr sollt-" Die braunhaarige Frau blieb verwundert stehen, als sie mich sah. Die drei Mädchen verschwanden. Ihr Blick schweifte von mir hinzu dem zertrümmerten Regal, dann wieder zu mir, und immer so weiter. "Eh, i-ich..." Kläglich scheiterte ich an dem Versuch, mich herauszureden. Verschämt schaute ich zu Boden. "E-Entschuldigen Sie.. I-Ich ersetz das..",brachte ich in Panik und Not gerade so heraus. Ich konnte schon allein spüren, wie rot meine Wangen wurden. Wie peinlich.. Die Frau wunk ab, und trat einen Schritt näher, was mir eine deutliche Gänsehaut verschuldete. Sie ging in die Hocke, um die Teile des zertrümmerten Regales eins nach dem anderen aufzuheben. "W-Warten Sie, ich helfe ihnen..", sagte ich und beugte mich. "Bitte sag einfach Du zu mir, so alt bin ich nun auch wieder nicht. Ich heiße Yuuko, und du?" Ich zögerte, antwortete ihr dennoch. "Mimi." "Bist du neu in der Stadt, Mimi?" Ich schüttelte den Kopf, während ich Yuuko dabei zu sah, wie sie hinter der Theke verschwand, um die Splitter zu entsorgen. "I-Ich.. komme aus Deutschland.." "Wow, ganz schön weit weg." Yuuko schenkte mir ein warmherziges Lächeln. "Achja, stimmt. -Was ist deine Schuhgröße?" Bei der Frage runzelte ich vorerst die Stirn, bis mir bewusst wurde, wozu ich eigentlich hier war. "38..", murmelte ich leise, nahm die Schuhe entgegen und bedankte mich.

Ein Stauen verließ meinem Mund, alsbald ich der Eisfläche an gewaltiger Größe direkt zuvor stand. Ich blickte mich um. Niemand anderes außer mir war hier. Langsam begab ich mich zu den Sitzplätzen, ließ meinen Blick allerdings keine Sekunde vom Eis ab. Es schien so, als würde das Glitzern mir etwas sagen wollen. Schnell legte ich meine Sachen ab, und tauschte meine Chucks gegen die Schlittschuhe aus. Ich war ewig nicht mehr eislaufen gewesen.

Bedachtsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, wobei mir das Geländer als Stütze diente, bis ich mich schließlich einigermaßen sicher fühlte, und los ließ. Langsam nahm mein Tempo zu. In Momenten wie diesen, wo keiner hinsah, war ich immer am Mutigsten und am Motiviertesten gewesen.

Ja, ich mochte es, allein zu sein. Trotzdessen gab es diese einzige Sache, welche mich daran störte. Wenn Menschen in meinem Umfeld es nicht einmal bemerkten, dann tat mein Herz weh. Ich wusste, dass es meine eigene Schuld war, mich so von den anderen zu isolieren, dass ich in ihren Augen schon unsichtbar war, während ich mich doch so schmerzhaft sichtbar und komplett ignoriert fühlte. Doch irgendwann will ich jemanden kennenlernen, der es endlich bemerkt und mich wahrnimmt. Mich wirklich wahrnimmt und sich um mich sorgt. Jemanden, für den ich niemals unsichtbar sein würde.











not perfect  |Yuri PlisetskyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt