Ich wähle eine weitere Nummer, die ich in und auswendig kann.
„Hallo?", fragt jemand ins Telefon.
„Sue ich bin's"
„Lucy, alles gut?".
„Ja, treffen morgen wird nichts."
„Was? Warum?"
„Ich bin wieder in der Klinik."
„Soll ich vorbeikommen?"
„Alles gut, ich komme schon klar."
„Was ist denn passiert?"
„Weiß ich nicht mehr so genau."
Kurz Stille.
„Ach Lucy, ich mache mir so große Sorgen um dich."
„Ich weiß, aber hier bin ich erstmal sicher."
Erneut eine Pause. Sie scheint nicht so richtig zu wissen, was sie antworten soll.
„Lucy pass auf dich auf, ja?"
„Mache ich."
Ich lege auf und stelle das Telefon zurück in die Station. Es macht ein bestätigendes Geräusch. Ich atme einmal tief durch. Dann drehe ich mich um, mein Blick fällt auf die Eingangstür. Es sieht verlockend aus. Wie weit würde ich kommen? Doch ich bin am Zweifeln. Es muss schon einen Sinn haben, dass ich hier gelandet bin.
Aber nur mal kurz an die frische Luft wird ja wohl gehen. Behutsamen Schrittes tapse ich auf die Eingangstür zu. Ich greife nach der großen Messingklinke und will sie hinunterdrücken.
Ehe ich hinaustrete, werfe ich nochmal einen prüfenden Blick in die Dunkelheit der Halle. Niemand da, außer hier und da Schatten. Ein unangenehmer Schauer läuft mir über den Rücken. Doch es hält mich nicht auf und ich trete hinaus.
Als ich draußen bin, blicke ich direkt in ein Gesicht. Ich erschrecke mich und zucke zusammen. Es ist Julién. Er hält eine Zigarette in der Hand und schaut mich genauso verdutzt an. Wortlos schauen wir uns an und keiner scheint so recht, was sagen zu wollen.
„Kann ich auch eine haben?", frage ich in diese seltsame Stille.
„Klar", meint er und steckt sich noch währenddessen die Zigarette in den Mund, um aus seiner Hosentasche die Packung und das Feuerzeug zu holen.
Vielleicht war ich etwas zu Harsch zu ihm, überlege ich.
Ich zünde mir die Zigaretten an und gebe ihm das Feuerzeug zurück. Dann blicke eine Weile in den klaren Sternenhimmel und lasse mir von dem Wind das Haar zerzausen. Und träume vor mich hin, während ich an der Zigarette ziehe.
Ich denke an Theo, an sein hübsches, markantes Gesicht. Seine bräunlich-blonden Haare. Die warmen Augen. Ich stelle mir vor, wie ich ihm über seine Wange streichle.
„Dann kann ich ja jetzt meinen Gefallen einfordern, oder?", meint er und unterbricht mich in meiner Träumerei.
Ich denke darüber nach. Warum nicht ein wenig Spaß? Doch dann kommt mir Theo in den Sinn, mit dem ich ja nicht mal richtig zusammen bin. Ob er das so cool finden würde?
„Nein", meine ich und schnipse die Asche zu Boden.
Darauf antwortet er nichts.
Die Zigarette neigt sich dem Ende zu. Da meine Füße kalt werden, werfe ich die Zigarette zu Boden und drehe mich nach der Eingangstür.
Plötzlich spüre ich eine kalte Hand an meinem Arm. Es ist Julién, der mich festhält. Allein an seinem Blick erkenne ich, was er will. Seinen Gefallen.
Ich schüttele mit dem Kopf, ohne ein Wort zu sagen. Und ich bin mir sicher, dass er weiß, was ich meine. Er lässt meinen Arm los. Ich trete wieder ins Gebäude ein und gehe zurück zu meinem Zimmer.

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Herzen aus Glas
RomantikIn den Tiefen des Herzens liegt die Liebe, ein Gefühl, das uns erfüllt und manchmal den Verstand raubt. Doch kann dieses Gefühl auch dunkle Seiten offenbaren? Stell dir vor, du begegnest jemandem, der dein Herz einnimmt. Dich auf Wolke 7 schweben lä...