4. Kapitel

78 6 3
                                    

Hastig richte ich mich auf. Meine Augen sind noch zu und verklebt. Mein Verstand und ich sind noch nicht wach. Erinnerungsfetzen an den Traum, den ich soeben hatte, spulen sich in meinem Kopf ab. Ich öffne leicht die Augen. Es ist noch dunkel draußen, also könnte ich noch weiterschlafen.

Ich entsinne mich an den Traum.

Ich stehe in einem Raum und gehe an den Kühlschrank. Als ich ihn öffne fällt mir ein Körper entgegen. Zuerst sieht es aus, als wäre es mein Haustier, doch dann merke ich, dass es ein Frauenkörper ist, ohne dass ich ihn wiedererkenne, weiß ich, dass es Hayden ist. Ich sehe, dass da, wo ihr Bauch sein sollte ein riesiges klaffendes Loch ist. Ab den Rippen ist da einfach offen. Keine Leber, kein Dickdarm, kein Dünndarm, alles weg. Als hätte man es ihr hinausgerissen. Ich gerate in Panik und fange an sie wiederzubeleben. Allerdings setzte ich nicht unterhalb der Rippen an sondern über dem Brustbein, da weiter unten ja nur ein Loch ist. Während des Widerbelebens gerate ich plötzlich in ein Dilemma. Ich hätte den Krankenwagen rufen sollen, aber jetzt kann ich doch nicht mehr aufhören? Ich muss sie ja wiederbeleben. Dieser Konflikt zerreißt mich. Dann höre ich auf. Kurze Zeit später bereue ich die Entscheidung. Ich hätte sie vielleicht wiederbeleben können.

Wenn ich so drüber nachdenken fällt mir auf, was für ein Käse dieser Traum war. Ich schüttele meinen Kopf und lege mich wieder hin.

Als ich wenig später erneut wach werde, bleibe ich wach. Der Traum liegt mir noch immer quer im Magen.

Ich könnte mich nochmal hinlegen. Aber müde bin ich eigentlich nicht. Nur sehr gelangweilt.

Meine Gedanken schweifen kurz ab.

Ich muss dringend mit Theo sprechen, schießt es mir in den Kopf, er wird mir helfen.



Die Tür öffnet sich. Es tritt ein junger Pfleger hinein. Mit einem Mal schießt mir ein Gedankenblitz in den Kopf. Ein Lächeln huscht über meine Lippen.

„Morgen", sagt er frisch und lässt die Tür einen Spalt offenstehen, um von draußen etwas zu holen.

Er kommt mit einem Tablett wieder rein.

Er stellt es auf den Tisch und deckt den Wärmeschutz auf. Dabei erhasche ich seinen Namen. Er will mit dem Deckel wieder gehen.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?"

„Klar, was kann ich für dich tun", antwortet er aufgestellt.

„Ich muss telefonieren. Kann ich das Telefon haben." Dabei nicke ich zu dem Telefon, das in seiner Brusttasche festgeklemmt ist.

Er belächelt meine Frage.

„Ohne Genehmigung leider nicht. Alles andere gerne."

„Ich kann dir etwas im Gegenzug anbieten", werfe ich hastig ein. Ich denke wir wissen beide, was gemeint ist.

„Nein, danke", antwortet er und belächelt mich noch immer.

„Dann behaupte ich, du hättest versucht dich an mir zu vergehen."

Sein verschmitztes Lächeln stirbt. Darauf weiß er nichts zu antworten.

„Wenn du nicht dafür sorgst, dass ich telefonieren kann, werde ich erzählen, dass du übergriffig geworden bist", meine ich, ohne mit der Wimper zu zucken, das ging leichter von den Lippen als gedacht.

„Warum, solltest du das?", fragt er entsetzt.

Gute Frage.

„Weil ich es kann", antworte ich ihm und lächle.

Er blickt mich irritiert an. Er könnte seinen Job verlieren. Vielleicht könnte ihm sogar ein Prozess erwarten. Ich sehe wie es in ihm arbeitet und

Als er meinen Blick erhascht, fühlt er sich kalt erwischt. Er zuckt zusammen und verlässt den Raum.

Werden wir ja sehen. Aber irgendwie habe ich ein gutes Gefühl bei der Sache. Ich stehe auf und setze mich an den Tisch, um mein Essen zu betrachten. Es ist eine labbrige Scheibe Brot, ein quadratisches Stück Käse und eingepackte Butter. Ich schiebe das Ganze von mir weg. Das werde ich nicht herunterwürgen.

Herzen aus GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt