Kapitel 1

145 4 7
                                    


"Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen, du Miststück", schreit sie mich an. Ich rieche die Alkoholfahne aus ihrem Mund und weiß sie hat wieder zu tief ins Glas geschaut. Meine Mutter ist dem Alkohol verfallen. Torkelnd wendet sie sich von mir ab und läuft mit wackligen Beinen durch den Flur in Richtung Wohnzimmer. Ich hasse es wenn ich sie so antreffe, sie unterdrückt ihren Hass auf mich dann nicht mehr, wie sie es sonst immer tut. Links und rechts von uns, auf dem Flurteppich, liegen schon wieder die leeren Flaschen. Gelehrte Unzufriedenheit, vermischt mit Kummer. Ich tapse ihr hinterher. Je näher wir dem Wohnzimmer kommen, desto stärker steigt mir der Geruch von kaltem Zigarettenrauch in die Nase. Ich kannte es doch habe ich mich noch immer nicht daran gewöhnt, auch die Unordnung kenne ich zu gut, seit sie an der Flasche hängt. Ich finde es widerlich und versuche den Gestank so wenig wie möglich in meinen Rachen zu atmen. Natürlich gelingt mir dies nur zum Teil, wieder dieser Ekel. Die Wohnung wirkt verwohnt, die Tapeten vergilbt. Aus ihrem torkelnden Zustand verliert sie das Gleichgewicht und droht auf den Boden zu fallen, ich stütze sie, versuche ihren Fall entgegenzuwirken. Ungestüm entzieht sie sich meinem Griff und stößt mich angewidert von mir weg. "Fass mich nicht an du Nutte", keift sie mich an, sodass mir ihr Speichel entgegen fliegt. "Sonst fängst du dir eine." Ich schrecke zurück, obwohl ich doch weiß das sie mich hasst und trete einen Schritt zurück. Meinen Blick auf den verdreckten Boden gerichtet wage ich es nicht ihr in die Augen zu sehen. Jedoch spüre ich ihren auf mir ruhen, der mir unangenehme Schauer über den Rücken laufen lässt. Ich versuche mich klein zu machen, versuche ihr alles recht zu machen. "Ja Mama", flüstere ich unterwürfig, in der Hoffnung sie beruhigt sich wieder. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall, sie wird lauter: „Nenn mich nicht so", leidet ihre Aussprache an der Zunge, die schwer in ihrem Mund liegt. „Du verdammtes Unglückskind." Ich nicke nur und weiß worauf sie anspielt.

Einen Moment stehen wir nur so da und schweigen.

"Was willst du?", fragt sie mich die Stille unterbrechend, knapp und kalt, ihre Abneigung zwischen ihren Zähnen zischend. Zögerlich hebe ich meinen Kopf, traue mich kaum. Von hier aus kann ich den Wohnzimmerschrank erspähen, den meine Mutter halb verdeckt. Zwischen geleerten Flaschen steht das Foto. Mir dreht sich der Magen um, in meinem Hals bildet sich ein Kloß der mir Tränen in die Augen drückt. Ich sehe mich und meine kleine Schwester in den Armen meiner Mutter, wir lachen, wir sind glücklich. Das Bild ist kaum drei Jahre alt. Nun fällt es mir nur noch schwerer sie anzusehen. Dieser bösartige stechende Blick den sie zu mir hinunter wirft, die Lippen fest aufeinander gepresst. "Ich hab dich lieb", erstickt meine Stimme in Tränen die mir glühend über die Wangen laufen. Ihre Faust sehe ich zu spät und so trifft sie mein Gesicht, der pulsierende Schmerz durchzieht meine Schläfe während ich hart zu Boden gehe. Ich halte meinen Kopf zwischen beiden Händen in der Hoffnung dieses peinigende Dröhnen zu lindern, aber dieser zieht sich immer weiter in mich hinein.Schluchzend liege ich da und kann meine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Ich weine laut. "Ich wünschte du wärst damals gestorben und nicht Luisa", schreit sie zu mir hinunter, der Tritt gegen meinen Kopf wird von meinen Unterarmen gedämpft, trotzdem verschwimmt die Sicht vor meinen Augen. Meine Sinne drehen sich, in graue Schattierungen die ich dennoch nicht einordnen kann. "Mama bitte nicht." Mein Flehen klingt verzerrt. "Halt dein Maul", giftet sie zu mir herunter und holt zu einem zweiten Tritt aus. Mein Kopf schmerzt immer mehr, ich halte es kaum noch aus. Ich versuch auf die Beine zu kommen, doch das Schwindelgefühl verstärkt sich zusehends. So torkele ich auf meine Knie zurück und lehne mich an die Flurwand. "Du bist in fünf Minuten verschwunden sonst schlage ich dich grün und blau."

Bitte liebe michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt