-Sophie-
Seit ich denken kann ist Yvonne meine beste Freundin, wir hatten uns im Kindergarten kennengelernt, ein junge hatte mir damals Sand über den Kopf gegossen, aus einer diesen Eimern, aus denen man Burgen formen kann, die ganze Ladung. Sie hatte ihn von mir weggezogen und als Rache mit dem Gesicht in den selbigen gedrückt. Ich kann mich noch gut daran erinnern obwohl ich damals noch so jung gewesen war, wir konnten noch Jahre, ach was sag ich, Jahrzehnte später darüber lachen, wie dieser freche Junge danach heulend davon gerannt war. Auch weiß ich noch ganz genau wie ich ihr damals in dem Umkleideraum für Mädchen der Sporthalle geholfen hatte, Sascha hatte versucht sie nackt zu sehen, glücklicherweise war ich in diesem Moment gerade in der Nähe gewesen, seine Wange war noch wochen- später geschwollen und das Veilchen auf seinem Auge war die Demütigung schlechthin, ein Mädchen hatte es ihm verpasst. Ich war das. Er hatte sich so sehr dafür geschämt das er eine Lügengeschichte erfand wie sein Auge so dunkelgrün wurde. Das sind Yvonne und Sophie, ein Duo das man nicht unterschätzen sollte und trotzdem geht sie mir gerade tierisch auf den Zeiger.
"Und fühlst du dich jetzt besser?" Ihre Stimme klingt in einem ironischen Unterton nach der mir gar nicht passt.
"Ach Sophie, hast du dir schon wieder mit diesem Dreckszeug den Kopf weggeblasen", sagt sie absichtlich laut, sodass es mir im Kopf zu dröhnen beginnt. Schmerzen.
"Damit du es weißt, ich hab es in der Schüssel versenkt."
Ich presse meine Hände auf die Ohren und will ihrer schrillenden Stimme entfliehen, doch wird dadurch Übelkeit heraufbeschworen die mir von unten gegen den Kehlkopf drückt und selbst mit geschlossenen Augen dreht sich noch alles.
"Kannst du nicht ein wenig leiser sprechen, mein Schädel brummt auch ohne dein Geschrei schon mehr als genug", würge ich hervor, aber sie denkt gar nicht daran ihr Organ herunterzuregeln.
"Glaubst du allen ernstes ich sehe dabei zu wie du dich damit zerstörst? Das muss endlich aufhören, dass du dir fast jede Nacht den Kopf weg ballerst."
Selbst gedämpft erzeugt ihr Geschrei einen Würgereflex den ich nicht zu unterdrücken vermag und ich spüre das ich es nicht mehr alten kann, also taumele ich so schnell ich kann in Richtung Badezimmer und hänge über der Schüssel. Es ist ein absoluter Supergau für meine Sinne die gegen jede Bewegung rebellieren, die Geräusche, die dabei mache sollte keine Erwachsene Frau dabei machen. Jedoch habe ich es aufgegeben mich dagegen zu wehren und lasse alles raus, es ist nicht das erste Mal das ich so einen jämmerlichen Anblick biete, wobei ich sonst immer alleine bin. Irgendwann sitze ich schwer atmend auf dem kalten gefliesten Boden und habe den widerlichen Geschmack von Galle im Mund, der sich herb dort verbreitet.
"Sieh dich doch nur mal im Spiegel an, du bist ein Wrack. Kannst du mir bitte sagen wie lange das noch so gehen soll?"
"Dein Bruder ist tot und keiner gibt dir die Schuld dafür, außer du selbst suhlst dich in Selbstmitleid das einem schlecht werden könnte."
"Hast du ihn an die Drogenmafia verraten oder ich?" Ich spucke ihr die Worte vor die Füße obwohl sie über mir steht und mich mitfühlend ansieht. "Ich war es, nicht du. Also lass mal die Kirche im Dorf und kümmer dich im deine eigenen Probleme." Yvonnes Gesichtszüge verändern sich schlagartig zu einer wütenden Grimasse der ich kaum standhalte und blicke lieber auf den gefliesten Boden. Sie kann sehr direkt sein und nimmt nie ein Blatt vor den Mund, wofür ich immer sehr dankbar bin, doch tut es auch weh.
"Wer hat sich denn im falschen Gebiet herumgetrieben und Drogen vertickt. Du oder ich? Das er das billigend in kauf genommen hat macht mich so wütend." Sie schreit mich schon wieder an, lässt ihre Wut auf meinen Bruder freien lauf und hält sich dabei nicht zurück. "Und dann noch in dem Wissen das du bei der Polizei arbeitest, hat er alles so hingenommen, hat dich ausgenutzt. Und die Krönung von allem das er von dir verlangt hat seinen billigen Arsch zu decken."
Mir dröhnt der Kopf, aber nicht von Drogen und Alkohol, sondern von dieser Nacht die ich wie ein Wunder überlebt habe, doch nach und nach vermischt es sich mit spitzen schreien und einem permanenten Geräusch, dass einer Kreissäge. Mir wird wieder übel und Panik steigt mir in die Glieder.
"Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Er war mein Bruder und ich hatte es mehr als einmal versucht ihn den Kopf zu waschen, aber er hat nur das Geld gesehen. Und ihn verpfeifen? Selbst wenn ich es anonym gemacht hätte, wäre es irgendwann auf mich zurückgefallen."
Yvonne sieht mich an und nickt aber ihre Augen blitzen immer noch vor Zorn. "Dennoch hast du dich für diesen Schmarotzer auch noch foltern lassen."
Die ganzen verdrängten Erinnerungen werden aus ihrem düsteren Gefängnis gesprengt und fallen auf meinen Verstand nieder, ich versuche so gut es geht stand zu halten doch das kreischende Geräusch der Kreissäge lässt sich nicht verbannen. Der Schmerz in meinem Hinterkopf reicht tief, frisst mein Verstand auf und ich befürchte das die Ohnmacht nicht lange auf sich warten lässt.
"Yvonne ich glaube mir geht es gar nicht gut, mein Kopf tut so verdammt weh", wimmere ich und krümme mich zusammen, ich spüre das ich nur noch einen Augenblick habe. "Bitte mach das es aufhört, bitte mach doch was."
Sie weiß das ich auf diese Nacht empfindlich reagiere und nicht gern daran erinnert werde, dennoch hat sie es für nötig gehalten mich damit zu konfrontieren. Wenn ich nicht gelähmt wäre hätte ich ihr gerne eine dafür verpasst.
"Sophie ich weiß es, bitte verzeih mir." Doch nehme ich sie nur noch unverständlich wahr, kurz bevor ich nur noch schwärze erlebe verkrampft sich mein Körper.
-Emma-
Verschwommen blicke ich zur Decke, das Neonlicht brennt in meinen Augen und ich wünsche mir doch nur Dunkelheit, die Krankenschwester hat vergessen das Licht zu löschen nachdem sie den Tropf über mir gewechselt hat. Ich bleibe liegen, es bleibt mir nichts anderes übrig denn meine Beine liegen taub unter mir, meine Kniescheiben und teile meiner Beinknochen sind zertrümmert, so hatte ich es in der Visite mitbekommen, glaube ich. Oder ich habe mir alles nur eingebildet? Ich weiß es nicht genau, ich dämmere immer wieder weg. Geräuschvoll wird die Türe aufgestoßen und ich schrecke zusammen, zwei Gestalten schieben ein Bett hinein, ich blicke nur kurz hinüber, bin noch benebelt.
"Du bekommst eine Zimmernachbarin", sagt einer der beiden monoton, ich beachte es gar nicht, will nur meine Ruhe und einige Sekunden später wird mein Wunsch erfüllt, ich liege in der umarmenden Finsternis.
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Bitte liebe mich
Teen FictionEmma kämpft um die Liebe ihrer Mutter, doch wird diese nicht erwidert. Die Vergangenheit spaltet ihr Verhältnis zusehends, doch auch die Gegenwart hält nichts gutes bereit. Bis eines Tages Sophie in Emmas Leben tritt. Warnung: Diese Geschichte kann...