2. Arwid. Weshalb wir unsere eigenen Geheimnisse nicht verstehen.

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Mit den Geheimnissen der Werwölfe war es so eine Sache.

Kaum ein Mensch wusste, dass es diese Wesen gab, obwohl es nicht wenige waren. Irgendwie konnten sie trotzdem lange Zeit im Verborgenen bleiben.

Vor langer Zeit war es zwar jemandem gelungen, diese „Fabelwesen" zu fangen und Experimente an ihnen zu machen. Jedoch hatte er keine logische oder wissenschaftliche Erklärung dafür gefunden, weshalb sich meine Art, wann immer sie wollte, in Menschen oder Wölfe verwandeln konnte. So gerieten wir in Vergessenheit und wurden zum Mythos.

Aber aufgrund der Versuche war die Erkenntnis unter uns weit verbreitet, dass es sich bei dieser Veränderung der Gestalt schlichtweg um Magie handeln musste. Und eben diese Magie war auch dafür verantwortlich, dass jeder Werwolf, sobald er sich in seiner menschlichen Gestalt befand, eine besondere Fähigkeit hatte.

Ich war der Überzeugung, dass diese Fähigkeiten die Schwäche wieder auszugleichen versuchte, die unsere menschliche Gestalt barg. Zwar übertrugen sich die geschärften Sinne eines Raubtieres teilweise auf die menschliche Seite. Jedoch war es genauso mit den tierischen Instinkten und deren Logik, was so manchem von uns zu schaffen machte.

Meine Fähigkeit war es, die Anwesenheit von Lebewesen jeglicher Art innerhalb des Reviers zu wissen. Ich hatte gelernt, sie geschickt einzusetzen und damit auch zu diesem Rudel, dem Tambolin-Rudel gefunden.

Natürlich hatte ich mich nicht auf die Suche gemacht, ohne mich vorher über das Rudel zu informieren. Tambolin war noch nie eine große Gruppe gewesen, aber im Laufe der Jahre war die Anzahl der Mitglieder weit gesunken. Ich hatte meiner Quelle nur fünf Mitglieder entnehmen können, wobei es wiederum nur über drei davon brauchbare Informationen gab.

Bekannt war, dass der Alpha ein junger Mann war, der „Dachs" genannt wurde. Dieser sei mehr oder weniger aufgrund von günstigen Voraussetzungen an einen so hohen Rang gekommen, hatte ihn aber bisher verteidigen können. Er sollte schweigsam und geschickt sein, und eine starke Fähigkeit besitzen. Es war ihm damit möglich, sein Gegenüber perfekt einzuschätzen und zu verstehen. Trotzdem konnte seine Position den Hintergrund haben, dass der Rest des Rudels schlichtweg zu schwach war, ihm diese streitig zu machen.

Die anderen beiden Rudelmitglieder, über die ich etwas erfahren hatte, waren ein Paar, Cajetan und Annetta. Sie beide waren mitte zwanzig und relativ normal, außer dass er vor ein paar Jahren im Knast gewesen sein soll, weshalb wusste ich nicht.

Dass der Mann, der die Wölfe gefüttert hatte und nun abwesend den Waldrand musterte -so, als würden die Frau und ich nicht auf eine Antwort von ihm warten,- der Alpha mit dem Spitznamen „Dachs" sein musste, war mir bewusst. Ob die Frau jedoch diese Annetta war, bezweifelte ich.

Dann sprach Dachs doch wieder: „Wir nehmen ihn auf, wenn du herausfindest, wie er uns gefunden hat."

Ohne uns nochmal anzugucken ging er mit schweren Schritten auf den Waldrand zu. Einen Moment lang war ich verblüfft darüber, dass Dachs sein Rudel anscheinend so gleichgültig war, dass er es mit einem Fremden allein ließ. Dann aber wurde ich von den spitzen Nägeln der Frau abgelenkt, die leicht an meinem Kinn entlang fuhren, als sie mein Gesicht wieder losließ. Ihre Hände wanderten die Zaunstreben entlang und hielten sich schließlich an den dicken Streben über ihrem Kopf fest.

Sie war die verrückte Eingesperrte, die ihren Wärter musterte, während sie sich darauf vorbereitete, ihm den Hals umzudrehen.



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