Rosarote Brille

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Die nächste Zeit ist schwer, weil ich Jasper nicht mehr sehen kann und der Alltag wieder einkehrt. Die Schule fängt wieder an und meine Freizeit wird allmählich durch stundenlanges Langeweilen in der Klasse und Hausaufgaben gekürzt. Dazu kommen auch noch die vielen Stunden, die ich beim Cheerleader Team trainieren muss und meine Freundinnen, die ich auf keinen Fall vernachlässigen will. Meine Tage sind vollgepackt bis in den Abend und dann nervt mich auch noch meine Mutter zuhause mit Hausarbeiten und Mutter-Tochterquatsch. Ich sehne mich immer mehr nach den Stunden nach dem Abendessen, wenn ich in mein Zimmer gehen kann, um Jasper anzurufen. Wir telefonieren meist stundenlang, obwohl wir uns sowieso tagsüber Nachrichten schreiben.

Ich liebe es seine Stimme zu hören und bin jeden Tag ein einziges Grinsekuchenpferd auch wenn meine Mama immer mal wieder schlecht von ihm spricht. Im Grunde will sie mich doch nur beschützen und verhindern, dass ich irgendwann mal bei ihr ausziehe. Ich tue das Gesagte einfach ab.

Das Polaroid Foto von Jasper und mir, habe ich über meinem Bett hängen, gemeinsam mit den anderen Bildern, die ich über die Jahre so angesammelt habe.

Kostbare Dinge sollte man festhalten. Dieser Meinung bin ich schon mein Leben lang. Deshalb halte ich meine kostbarsten Momente in Bildern fest. Jedes Mal, wenn ich dann die Bilder ansehe, kann ich mich erinnern, was für eine tolle Zeit ich da verbracht habe. Ich sehe auf das nächste Bild auf der Wand und schmunzle. Das eher verwackelte Bild zeigt mich auf der Bühne des Schultheaters. Ich durfte eine Sternenfee spielen und war äußerst zufrieden über meinen Auftritt.

Es war gut, dass ich nicht die Hauptrolle bekommen habe. So viel Ruhm und Aufmerksamkeit wollte ich dann doch nicht haben. Ich hätte sie bekommen können, wenn ich wollte, und das soll jetzt keinesfalls arrogant oder überheblich klingen, jedoch habe ich sie bewusst Tila überlassen. Ich habe gesehen, dass sie die Rolle unbedingt wollte, nur leider sind ihre Schauspielkünste nicht gerade die Besten. Außerdem hat sich außer uns Beiden noch Alice beworben, die jedes Mal, wenn sie vor Publikum auftreten muss, Nasenbluten bekommt. Da fragt man sich, warum sie sich überhaupt beworben hat.

Beim Casting habe ich mich bewusst ein wenig blamiert und so fiel die Wahl des Lehrers dann auf Tila, die sich so darüber freute, dass sie herumhüpfte, an den Pappkulissen hängen blieb (fragt mich nicht wie das geht, ich weiß es selbst nicht) und all die Arbeit zerstört hat.

Ich bekam schließlich eine der kleineren Rollen und die gefiel mir sehr gut. Solche Momente, die man mit einem Knopfdruck einfangen kann, sind mir die Liebsten. Das Foto hat meine Mutter gemacht und sie hat dabei Kaffee getrunken (eines ihrer Lieblingsgetränke) und sich die Zunge verbrannt. Deshalb ist es auch so verschwommen. Ich muss leise kichern. Trotzdem mag ich es. Ich leine Cherry an und begebe mich dann nach draußen um mit ihm eine Runde spazieren zu gehen. Dabei kann ich gleich ein paar Schnappschüsse von ihm machen. Er ist einfach zuckersüß. Ich weiß, dass es ein wenig seltsam klingt, aber, wenn ich ihn umarme, dann könnte ich ihn zerquetschen, so süß und knuddelig ist er.

**1 Monat später**

Die Zeit vergeht, je weniger Zeit ich für die Schule verschwende desto mehr telefoniere und chatte ich mit Jasper. Langsam wird es unmöglich, nicht an ihn zu denken oder seine Stimme zu hören. Es tut schon fast weh nicht bei ihm zu sein.

Doch dann kommt der Abend, der mir meine rosa Brille wegnimmt.

Der Tag fängt an wie jeder andere. Ganz gut, wenn ihr mich fragt. Ich telefoniere am Morgen kurz mit Jasper und er klärt mich über eine neue Video Idee auf. In der Schule angekommen, begrüßen mich meine Freunde und wir verbringen den langweiligen Unterricht miteinander. Ich träume die halbe Zeit, kann mich einfach nicht so richtig konzentrieren und schreibe die andere Zeit Zettelchen mit meiner besten Freundin. So wie die letzten Wochen bemühe ich mich einfach so schnell wie möglich die Zeit hinter mich zu bringen, damit ich mich auf Jasper konzentrieren kann. Doch das ist mein Fehler und ich bemerke es erst als ein Zettel vor meiner Nase landet, der mehr rot als schwarz ist. Mir springt sofort die rot eingekreiste Zahl auf dem Bogen ins Auge und meine Träume lösen sich in Luft auf. Mir wird heiß und kalt zugleich und meine beste Freundin beugt sich scharf die Luft einziehend über meine Schulter. Das Rot brennt sich in meine Augen und verschwindet nicht wie erhofft. So sitze ich wie versteinert mit aufsteigender Übelkeit in meinem Sitz, während Dalia mir den Bogen entreißt und Ramona mir schadenfrohe Blicke zuwirft. Diese dumme Kuh, sie kann es wohl einfach nicht lassen, obwohl wir dieses seltsame Gespräch hatten und meinen Ex geprankt haben. Irgendwer wird es durch ihre Wand schaffen, dieser jemand werde wohl nicht ich sein.

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