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Franks Sicht


»Wach auf«

Ich drehte mich mühsam auf die Seite und öffnete meine Augen einen Spalt breit, grade noch rechtzeitig um meine Mutter aus meiner Zimmertür gehen zu sehen. Schließlich brachte ich genügend Motivation auf um mich aufzusetzen und müde in meinem Zimmer umherzugucken. Ich ging in die Küche wo mich meine Mutter mit den Worten

»Sei leise, dein Vater schläft im Wohnzimmer«

begrüßte. Er war also schon wieder vor dem Fernseher eingeschlafen, naja mir soll's recht sein.

Ich schüttete ein paar Cornflakes in eine Schüssel und aß sie im Stehen, während meine Mutter im Bad war. Nachdem sie fertig war und mir ein kurzes Tschüss zugeflüstert hatte duschte ich schnell und ging mit einem Handtuch um die Hüften in mein Zimmer. Ich entschied mich für mein Lieblingsshirt von My Chemical Romance, das mit 'I'm not okay (I promise)', und eine meiner typischen schwarzen Jeans. Nachdem ich meinen Eyeliner unordentlich aufgetragen hatte, blieben mir noch ein paar Minuten, bis ich los musste. Also nahm ich mein Handy und schaute meine Nachrichten auf Twitter durch. Bis auf ein paar Sachen von Seiten denen ich folgte war da natürlich nichts. Als ich es dann nicht mehr hinauszögern konnte schnappte ich mir meinen Rucksack und meine Chucks und ging so leise, wie möglich aus der Wohnung. Mein Vater wurde immer unausstehlich wenn man ihn aus Versehen weckte. Ich ging das dunkle und schäbige Treppenhaus hinunter und nahm dabei mein Headset raus, das einzige was mich die Schule halbwegs überstehen ließ. Ich wusste sowieso nicht, was ich da noch sollte, wenn es nach mir ginge wäre ich schon nach der Zehnten abgegangen, aber meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich wenigstens noch die elfte Klasse machen sollte. Und danach wusste ich eh nichts Besseres mit mir anzufangen und hab deswegen einfach noch weiter gemacht. Sobald ich aus der Tür trat traf mich die Kälte ins Gesicht und ich zog den Kopf ein. Ich konzentrierte mich auf das Gitarrensolo in Welcome To The Black Parade und stieg in die Straßenbahn. 

Grade rechtzeitig zum ersten Klingeln bog ich um die Ecke aufs Schulgelände. Ich ging schnell und mit gesenktem Blick rein, um nicht schon wieder zu spät zu kommen. Sobald ich durch die Klassenzimmertür trat sackte meine Stimmung auf den allmorgendlichen Tiefpunkt. Ich machte meine Musik aus und schob mich in die hinterste Reihe neben Dan. Dan kann man wohl als meinen Freund bezeichnen. Wir saßen in so ziemlich allen Fächern nebeneinander und redeten ein bisschen in den Pausen, außerdem war er einer der wenigen die mich nicht dumm anmachten. Er war schwul und deswegen genauso ein Außenseiter wie ich. Nur, dass er deswegen nicht verprügelt wurde, weil die Supertypen sonst als schwulenfeindlich vor ihren ach so feinen Freundinnen dastehen würden. Wir wären wahrscheinlich an allen anderen Schulen nicht gemobbt worden, aber da wir beide schlaue Köpfe waren hatte man uns aufs Snob-Gymnasium gesteckt. Und keiner von uns hätte jemals zuhause erzählt, was wir hier durchmachen mussten. Die reichen Bonzenkinder, die es nur dank großzügiger Spenden bis in die zwölfte Klasse geschafft hatten, kamen eben mit einem Punk aus einem verdreckten Neubau, der schlauer war als sie alle zusammen, nicht klar. Deshalb gehörte es zu meinem Alltag, mich in den Pausen in leeren Räumen zu verstecken, um nicht den Rest der Woche so zu tun als wäre ich gegen eine Tür gerannt.

So brachte ich auch diesen Tag irgendwie hinter mich. Als ich zuhause ankam war mein Vater anscheinend wieder wach. Der Fernseher brüllte aus dem Wohnzimmer und ein Gestank von Bier und Zigaretten wehte mir entgegen. Ich zog meine Wintersachen aus und stellte meinen Rucksack ab. Mir verging bei dem Geruch der Hunger und ich wollte mich schon in mein Zimmer verziehen, aber mein Vater hatte mich gehört und brüllte:

»Ey Frank!! Komm her!!«

Seufzend folgte ich seinen Befehl und trottete ins Wohnzimmer. Er lag ausgestreckt auf der Couch und aß eine Pizza. Mein Magen knurrte aber ich wusste, dass es sinnlos wäre meinen Vater nach einem Stück zu fragen.

Frerard Project - Yeah It's Cool, I'll Be Okay (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt