Kapitel 2

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Nachdem der Treck einige Tage in Helena Pause gemacht hatte, mussten die Pferde wieder an die Wagen gespannt werden. Madison hatte inzwischen gelernt, wie der Planwagen zu steuern war. Da Jeff in letzter Zeit oft kränklich war, musste sie seine Aufgaben teilweise übernehmen.
Als Jeff ihr nach wenigen Stunden die Zügel jedoch wieder aus der Hand nahm, wagte Madison es, Jeff auf ihr Geheimnis anzusprechen.
In der Zwischenzeit wurden die Pferde langsam müde und der Anführer der Gruppe suchte die Gegend nach einem Fluss oder einer Wasserstelle ab. Nach wenigen Minuten kam er wieder zurück mit der Nachricht, dass es kaum eine Meile entfernt ein geeignetes Plätzchen für ein Nachtlager geben würde.
Es wurde Abend, man hörte nur noch das knistern von vielen kleinen Feuern. Alle hatten sich hingelegt und immer mehr müde Abenteurer schliefen ein.

Zwei Schüsse hallten durch die Dunkelheit. Erschrocken hielt die geschockte Madison schützend ihre Hände über den Kopf.
Jeff sprang auf und schnappte sein Gewehr. Kurz darauf verschwanden einige Männer mit ihren Pferden in dem nahe gelegenen Wald. Nun war es also soweit, die Indianer waren also näher gerückt und hatten einen Angriff geplant. Bald würden noch mehr Schüsse fallen, das war sicher. Man hörte viele Frauen kläglich weinen.
Es blieb jedoch lange ruhig- ungewöhnlich lange. Kein Schuss oder Angriffsruf erklang. Hoffnung machte sich breit. Nach kurzer Zeit hörte man Pferde näher kommen. Madison war sich sicher, dass es die Indianer wären, welche nun kommen würden und alles Brauchbare mitnehmen würden. Doch es sollte ganz anders werden.
Leise hörte Madison Schritte. Sie hatte sich ganz unter ihrer Decke verkrochen, um möglichst nicht aufzufallen. Doch die Schritte klangen so vertraut... Es war Jeff. Madison setzte sich auf. „Oh Jeff, du? Was ist passiert? "
„Es ist alles anders als wir gedacht haben. Die Schüsse stammen von einem Mädchen, vermutlich eine von den Sioux. Sie hatte einen Bären in unser unmittelbaren Nähe entdeckt und hatte geschossen- Dieses Mädchen kann besser mit so nem Gewehr umgehen als ich" erklärte Jeff.
„Wie gut, dass ihr nichts passiert ist!"bestätigte Madison, „Doch wer ist dieses Mädchen? "
„Wenn wir das wüssten! Sie war unterwegs mit ihrer Ma. Anscheinend hatten sie uns schon länger verfolgt, denn ihre Mutter ist sehr krank und braucht dringend unsere Hilfe!"

Die Sonne warf ihre ersten Strahlen auf den kalten Prärieboden, um diesen schonmal zu erwärmen. Viele der weißen Einsiedler hatten sich um das kleine Indianermädchen und seine Mutter versammelt. Es wurde getuschelt und geredet. Plötzlich erklangen aus dem Mund des Mädchens zwei Worte: „Ich Angst! "
Alle Blicke richteten sich auf das ängstliche Gesicht des kleinen Mädchens. Woher konnte sie diese Sprache der Weißen? Doch auf weitere Fragen der neugierigen Frauen konnte sie keine Antwort geben.
Madison tat dieses Mädchen sehr leid, sie hatte sicherlich nicht hierher gewollt. Doch wegen ihrer kranken Mutter würden die beiden von nun an wohl mitziehen müssen. Ihre Mutter war offensichtlich viel zu schwach um den selben Weg bis zum Stamm der Indianer noch einmal mit dem Pferd zurückzulegen.
Madison lächelte ihr saft zu, dieses Mädchen sah so traurig und so müde aus. Plötzlich hatte Madison das Gefühl, als würde das Indianermädchen die Gesichtszüge einer ihr bekannten Person tragen. Doch es kam ihr nicht in den Kopf, wem sie so ähnlich sah.
Schon bald brachen die Siedler auf. Das Mädchen, welches sich Nadie nannte, und ihre Mutter durften bei Madison mitfahren. Sie selbst hatte es so entschieden. Ihr war Nadie direkt so sympathisch gewesen.
Sie saß bewegungslos im hinteren Teil des Wagens und flüsterte ihrer Ma fast ununterbrochen tröstende Worte zu. Zum Glück hatten die Familien ihre Reste von gebrauchten Medikamenten zusammengekratzt um Nadies Ma damit wieder auf die Beine zu bekommen. Wenn beide wieder stark genug waren, würden sie mit ihren Pferden wieder zurückreiten.

***

Es gab Gerüchte, dass Nadie und ihre Ma bloß gekommen waren, um die Weißen zu belauschen, dann eines Nachts zu berauben und schließlich abzuhauen. Madison hielt nichts von diesen Gesprächen und ging ihnen aus dem Weg. Carry hatte die stille Nadie ebenfalls gern, geschweige denn des fürsorglichen Jeffs. Sie alle nahmen das Mädchen gerne auf und kümmerten sich auch liebevoll um ihre Ma. Sie waren nun sechs Tage mit ihnen unterwegs, doch "Ma" ging es einfach nicht besser. Die beiden Pferde liefen immer noch brav neben der Kutsche her und Nadie wurde immer lebhafter und erzählte an einigen besonders schönen Tagen sogar etwas, was Madison nicht verstand. Doch sie hörte trotzdem gerne zu und wurde durch die gute Stimmung der kleinen oft angesteckt. Doch in der Nacht konnte Nadie nur schlecht schlafen, hatte sie doch so starkes Heimweh. Außerdem weinte sie um ihre Ma, welche keuchend und schwitzend neben ihr lag.
Weitere Tage vergingen, und Nadie spürte, dass es immer schlechter um Ma stand. Oft redeten beide leise miteinander, weinten miteinander und Nadie erzählte ihrer Ma viele Geschichten. Man merkte, dass dieses Mädchen eine blühende Fantasie hatte, und sich in dieser auch sehr auslebte.
Madison hatte die Absicht, das kleine Mädchen mit der englische Sprache vertraut zu machen. Sie wusste, dass es noch lange dauern würde, bis ihre Ma gesund werden würde, wenn der Herr es so wollte. Sie betete jeden Tag darum, dass Nadie den Schmerz ertragen könnte, wenn sie wirklich von ihr gehen würde.
Madison merkte, dass Nadie sehr lernfähig war, und nach wenigen Tagen konnte sie schon einige volle Sätze deutlich aussprechen.

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