Kapitel 3

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Ein trüber Morgen verhieß einen regnerischen Oktobertag. Madison hatte die Nacht im Planwagen geschlafen, um nicht der Kälte draußen ausgesetzt zu sein.
Es war noch dunkel, als eine aufgebrachte Nadie plötzlich an Madisons Kleiderärmel zog.
„Madie, Ma böse!” Madison sprang auf. Ihr wurde sofort klar, was die schluchzende Nadie mit "böse" meinte.
Madison weckte Jack und gemeinsam liefen die drei zu der Schlafstätte von Ma. Sie hustete und keuchte vor schmerzen und seufzte einige male hintereinander. Der Arzt wurde ebenfalls geweckt und versuchte, Ma mit einigen Medikamenten wieder zu beruhigen. Doch es wurde nur noch schlimmer. Madison konnte sich nicht mehr zurückhalten und lief schluchzend zurück in den Planwagen. Der Doktor schickte darauf hin auch die anderen Helfer zurück, er wollte Nadie und ihre Ma für die letzten Minuten, die sie zusammen erleben würden, allein lassen.

                                           ***

Charleston.
Madison beugte sich aus ihrem Wagen und blickte sich um. Sie hatten gerade Charleston erreicht, ihr zweites Ziel auf dem Weg. Es war kühl und kaum eine Menschenseele war bei diesem Wetter hier unterwegs.
Nadie lag auf einer dicken Decke und schlief. Sie musste die vergangenen Ereignisse des letzten Tages erst einmal verarbeiten. Ihre Ma war gestorben. Es war der größte Verlust ihres Lebens gewesen, sie hatte ja nur noch ihre Ma gehabt. Jeff half Madison aus dem Wagen und gemeinsam schlenderten sie in die Stadtmitte. Ein älterer Herr, welcher suchend vor einem Postamt stand, sprach die beiden plötzlich an: „Guten Tag, Entschuldigung, aber ich wollte fragen ob sie zufällig wissen wer Madison Stoner ist, dieser Brief hier ist an sie adressiert.
Madison schaute überrascht auf den Mann und dann auf den Brief.
„Oh ja, sie haben Glück gehabt, mein Herr!  Ich bin Madison Stoner. Vielen Dank für ihre Mühe! ”
Gespannt schaute Madison auf den Absender : Joselin Crispy.
„Oh Ma, bitte lass es nichts schlimmes sein! ” flüsterte Madison. Sie wusste, dass ihre Ma ihr nicht aus Langeweile einen Brief zukommen lies, dazu hatte sie viel zu viel Arbeit. Obwohl Madison den Brief gerne auf der Stelle aufgerissen hätte, versteckte sie ihn lieber in einer Tasche in ihrem grauen Leinenkleid, um ihn später in Ruhe zu lesen. Es war schon düster, als Madison und Jeff den Planwagen erreichten. Sie hatten heute viel erledigt. Doch jetzt fand Madison Zeit für sich und holte den zerknitterten Brief aus ihrer Tasche.

                         Liebes Schätzchen,
Ich hoffe dir und Jeff geht es gut. Ich habe deinen letzten Brief erhalten und mich sehr, sehr gefreut. Oh mein Kind, ich erinnere mich noch an die Zeit, wo du meine Kleine warst, und jetzt werde ich schon Oma!  Wie schade, dass ich, wenn Gott es so will, meinen kleinen Enkel bloß nie kennen lernen werde...
Bitte antworte mir, sobald du die Möglichkeit hast.
                     In Liebe, Ma

Madison presste den Brief an ihr Herz und dankte Gott für ihre Eltern, die ihr zur jeder Zeit beistanden. Ihre Mutter hatte also doch einen Brief aus Langeweile geschrieben. Plötzlich stand Carry hinter ihr, sie wollte Madison mal einen Besuch abstatten.
„Oh Carry, wie gut das du da bist. Ich muss dir dringend was erzählen, oh, du wirst es ja doch nicht glauben! Ich, also wir, wir erwarten ein Baby! Ich weiß, ich hab es viel zu lange geheim gehalten, das tut mir jetzt echt leid. Oh Carry, sag das du dich freust! ” berichtete Madison aufgeregt.
„Oh Madie, und wie ich mich freue! Möchtest du ein Junge oder ein Mädchen bekommen? Ich hätte mir ein Mädchen gewünscht, die sind so zart und süß. Aber ein Junge, der kann überall anpacken und auch schwerere Arbeit machen. Ach, ich kann mich ja doch nicht entscheiden... ”
Madison musste kurz nachdenken, dann wusste sie es: sie würde ein Mädchen wollen. Sie wär so zärtlich und könnte ihrer Ma dann im Haushalt behilflich sein. Außerdem könnte man mit ihr über alles reden, wenn sie älter wär. Doch ein wenig Geduld musste sie natürlich noch haben, immerhin waren es noch vier Monate!
Madison, Jeff und Nadie würden diese Nacht in einer Pension verbringen, dies war sicherer als in den Wagen, denn in der Stadt hausten sicherlich Räuber und Diebe. Madison war ganz erschöpft von dem vergangenen Tag, das arbeiten fiel ihr immer schwerer.
In der Nacht ging plötzlich der Alarm los. Jeff zog sich schnell seinen Mantel drüber und lief nach draußen. Man könnte in unmittelbarer Nähe einen Hellen, flackernden Fleck auf dem Steinigen Boden erkennen. Madison wusste sofort, was los war- ein Feuer bei den Planwagen.
Nadie schlief noch friedlich in ihrem Bett,  hatte sie doch den ganzen Tag über geweint und gejammert. Der Tod ihrer Mutter war einerseits absehbar gewesen, jedoch hatte es sie trotzdem tief gekränkt und geschwächt. Madison entschloss sich dazu, Nadie zu wecken und gemeinsam liefen sie zu den Wagen. Es war nur ein Wagen, der da in Flammen stand, der Wagen von Carry und Steward. Als Madison ihre Freundin sah, lief sie schnell zu ihr hin und umarmte sie.
„Oh Nadie, das tut mir ja so fürchterlich leid für euch!  Wie konnte das bloß passieren? ”
„Oh es ist schrecklich, wir wissen es auch nicht! ” weinte ihre Freundin herzzerreißend. Die Männer liefen zum Fluss und löschten so schnell sie konnten. Zurück blieb ein Haufen Asche, der kaum noch an einen Planwagen erinnerte. Madison hatte großes Mitleid mit ihrer Freundin, hatten sie doch so auf ein neues Leben im fernen Westen gehofft. Nadie versuchte, Carry mit einigen Wortfetzen zu trösten.
„Carry, arm! Feuer Angst! Feuer böse.... du nett! Weinen-nein!”
Madison wurde zutiefst berührt von den Worten dieses Mädchens. Langsam gingen sie und Nadie zurück, morgen würden sie weitersehen.

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