Ein Rütteln an meiner Schulter weckt mich an diesem regnerischen Morgen. Ich ziehe die Decke über meinen Kopf und versuche alle auszublenden um weiter schlafen zu können. Doch diese nervige Hand fängt jetzt an zu reden und sagt genervt: „Grace verdammt nochmal steh jetzt auf. Du bist eh schon spät dran. Wir müssen in einer Stunde gehen". Mir wird die Decke weg gezogen und eine kälte umgibt mich. Eine leichte Gänsehaut überkommt meinen Körper und ich schlinge meine Arme um meinen Oberkörper. Schritte, die meinem Bett näher lassen meine Augen öffnen und ich blicke in das liebevolle, faltige Gesicht meiner Großmutter. Sie setzt sich auf die Bettkante und streicht über mein zerzaustes Haar: „Honey, komm steh auf. Du solltest noch eine Kleinigkeit essen bevor wir auf den Friedhof müssen." Ich nicke und richte mich langsam auf. Als ich auf beiden Füssen stehe, drücke ich meine Großmutter fest an meine Brust und murmle, dass ich mich freuen würde, dass sie da ist. Dann schnappe ich mir frische Unterwäsche und das Kleid, welches ich heute anziehen werde und schleiche in das Badezimmer. Dort ziehe ich mich aus und Dusche.
Als ich 30 Minuten später aus dem Bad trete, gehe ich langsam in die Küche, in der Harry, Grandma und Louis am Tischen sitzen und bedrückt auf ihre Kaffeetassen starren. Vorsichtig räuspere ich mich und sofort gucken mich drei Augenpaare an. Mein Freund springt sofort auf, drückt mich auf den frei gewordenen Stuhl und stellt mir ein Scone mit Marmelade und eine Tasse Pfefferminztee vor die Nase.
Ich ringe mir ein Lächeln ab und sage: „Danke Lou, aber ich habe ehrlich gesagt nicht wirklich Hunger..." Daraufhin sieht Louis geknickt zu Boden und setzt sich auf den Stuhl neben Harry. Aus Höflichkeit nehme ich das Gebäck trotzdem in die Hand und beiße davon ab. Den fettigen Geschmack spüle ich mit einem großen Schluck des Tees von meiner Zunge und sehe zu Grandma: „Bist du gut angekommen? Wie war die Zug fahrt?" „Schätzchen, du musst das nicht essen wenn du keinen Hunger hast. Und die Zugfahrt war gut. Zwischen Loughborough und Leicester gab es eine Panne und wir mussten alle in einen anderen Zug steigen. Deswegen sind wir etwa eine Stunde zu spät angekommen. Ich wollte dir gestern Abend noch Hallo sagen aber dadurch sind wir erst spät hier angekommen und du hast schon geschlafen. Doch ich habe deinen Louis schon kennen gelernt. Er ist sehr liebenswürdig, gut gemacht meine Kleine.", grinst meine Grandma am Schluss. Mein Blick huscht zu Louis, der mit geröteten Wange auf seine verschränkten Hände guckt. „Ja das ist er", sage ich und nehme noch eine schluck von meinem Tee.
Von unserer Wohnung im Stadtteil Ealing braucht man nicht lang und so sitzen wir 30 Minuten später in der ersten Reihe der kleinen Kirche des Kensal Green Cemetery. Vor dem Altar stehen der Sarg aus dunklem Eichenholz und lauter Blumenkränze von Freunden und Verwandten. Trotz dem, das wir die Einladungen erst so spät weg geschickt hatten, war die Kirche fast komplett voll.
Der Gottesdienst zieht nur wie ein Schleier an mir vorbei und ich lande erst wieder im jetzt als mir von Louis ein Glas Wasser in die Hand gedrückt wurde: „Darling möchtest du etwas essen? Du hast den ganzen Tag noch nichts zu dir genommen?" „Nein ich möchte nichts, danke", antworte ich mit leiser Stimme. Besorgt sieht mich mein Freund an, drückt mir ein Stück Brot in die Hand und sagt eindringlich: „Iss". Ich nicke und beiße davon ab.
In dem kleinen Restaurant nahe des Friedhofes sind etwa 30 Leute, die meinen Vater gut kannten und an seinem Tod Anteil nehmen. Es sind viele ehemaligen Kollegen gekommen und auch viele Schulfreunde, die ich noch nie gesehen habe und Harry aus dunkelster Vergangenheit. Zu meinem Glück lassen mich alle Leute in Ruhe und nur Louis ist stets an meiner Seite.
Als ich am Büffet meine Tante Kate sehe, laufe ich schnell zu ihr hinüber und umarme sie von hinten. Überrascht dreht sie sich zu mir um und sagt erstaunt: „Mäuschen, was machst du denn hier? Ich dachte du bist in New York?"
„Tante Kate, mein Vater ist gestorben, denkst du da mache ich Urlaub? Ich bin vor ein paar Tagen wieder zurückgekommen, als er noch im Koma lag. Harry ist auch mit gekommen", sage ich und sehe mich nach meinem Bruder um „Er steht dort hinten und redet mit Onkel Pete", ich deute mit dem Daumen hinter mich in die ungefähre Richtung in der Harry steht.Kate gibt ein komisches Geräusch von sich und streicht mir sanft über den Arm: „Wie geht es?"
„Ach es geht schon. Ich habe den Mietvertrag auf nächsten Monat aufgelöst, das heißt ich muss in den nächsten Tagen die ganzen Sachen aus der Wohnung raus schaffen. Dann muss ich irgendwann nach Courtown fliegen um das Haus von Dad anzugucken um es irgendwie vermieten zu können oder so. Dann heißt es irgendwann nach New York zurück und-"
„Und wie geht es dir Grace?", unterbricht mich Kate und guckt mir mit sorgenvoller Miene in die Augen. „Mir geht es soweit gut. Ich habe die letzten Tage durch geweint, ich will das nicht mehr. Dad sollte mit einem Lachen in Erinnerung gehalten werden. Nicht mit Tränen", sage ich gefasst. Kate umarmt mich fest und sagt leise: „Gracie ich muss jetzt wieder nach Edinburgh. Es liegt eine lange Fahrt vor mir. Aber versprich mir bitte, dass du dich meldest wenn du Hilfe brauchst ja?" Ich nicke lächelnd: „Mach ich Tante Kate. Und Grüße die Zwillinge und Josh von mir ja?"
Kate nickt und geht dann um auch von den anderen Gästen zu verabschieden. „Darling willst du nach Hause?", höre ich nun Louis' Stimme hinter mir und ich drehe mich kopfschüttelnd um: „Nein. Es ist alle gut. Keine Sorge und wir müssten ein Tai nehmen, das will ich nicht." „Ich meinte nicht nach Ealing. Grace ich meine New York. Wir können sofort fliegen wenn du das möchtest, ich kann eine Umzugsfirma für die Wohnung beauftragen und wir fahren sofort zum Flughafen. Darling ich sehe doch, dass es dir hier nicht gut geht.", sagt Louis einfühlsam und streicht derweil mit der Hand meinen Arm auf und ab. Entschuldigend sehe ich ihn an und gehe eine Schritt zurück: „Lou, es tut mir leid. Ich kann noch nicht nach New York zurück. Nicht bevor alles geklärt ist. Du und Harry fliegt morgen nach New York zurück und ich fliege morgen nach Dublin und dann nach Courtown zu Dads, meinem, Haus. Ich muss erst alles regeln"
„Ich dachte, du machst das erst später? Du sagtest du machst es später!", sagt Louis aufgebracht. „Nein ich sagte ich Regel alles nach der Beerdigung. Hör zu es tut mir Leid, wirklich. Ich komme so schnell wie möglich zurück...", versuche ich meinen Freund zu beruhigen. „Und wann dachtest du, es mir zu erzählen?" „Ich weiß nicht, ich dachte es läge auf der Hand?! Es geht nicht anders...", sage ich verzweifelt. Doch Louis hat im Kopf schon längst ab geschalten und dreht sich jetzt langsam um, um nach Hause zu gehen. Und natürlich wusste ich, dass unsere Beziehung, wenn man es überhaupt so nennen kann, denn sie ging lediglich ein paar Stunden, zu Ende ist.
Er geht zurück nach New York. Ich werde vorübergehend nah Courtown ziehen und dann überlegen, was ich machen werde. Doch er wird kein Teil davon sein.
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Ich habe mit meinem Bruder ausgemacht, dass er sich um die Möbel aus der Wohnung kümmert und dich schon nach Irland fliege. Ich verbringe zwei Tage bei Amy in Dublin, ehe ich nach Courtown weiter reise.
Das Haus meines Vaters steht an einer Klippe direkt am Meer. Die Nachbarhäuser sind einige hundert Meter entfernt, sodass es aus einigen Blickwinkeln aussieht als ob es völlig alleine auf der Wiese steht. Um das Huas herum sind grüne Wiesen, wie es für Irland typisch ist. Natürlich windet es sehr, doch wenn man das Haus betritt, ist er herrlich warm und gemütlich. Das Wohnzimmer ist nicht wirklich groß, es hat gerademal Platz für ein zweier Sofa, einen Sessel und in der Ecke ein kleiner Fernseher. In die Wand wurde ein kleiner Kamin eingelassen, sodass man diesen noch zusätzlich anfeuern konnte, falls die Heizung ausfallen würde.
Die Küche ist ebenfalls sehr klein und in dem Eck steht ein Küchentisch mit Eckbank, an der sicherlich fünf bis sechs Person Platz hatten. Neben dem Wohnzimmer ist noch ein kleines Büro mit einem Erkerfenster, das gemütlich mit Kissen dekoriert ist. Im Obergeschoss befinden sich noch zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer. So wie ich es beurteilen konnte, wird es nicht schwer werden dieses wunderschöne Haus zu vermieten. Was jedoch etwas schwierig werden kann, ist die Lage, da das Haus nicht direkt an einer großen Stadt platziert ist.
Ich bin bereits 4 Wochen hier in Irland, als es am 17. Oktober gegen 11 Uhr morgens an der Tür klopft. Als ich sie öffne, steht unverkennbar eine Person vor mir, von der ich dachte, ich würde sie nicht mehr so schnell sehen.
„Hallo Grace"
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Hallo ihr. Ich wünsche euch allen (auch wenn etwas verspätet) Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr.
Ich würde gerne eure Meinung zu der Geschichte bis jetzt hören, da ich mir im moment wirklich unsicher deswegen bin.
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overthinking
RandomDas Wasser läuft über meinen Narben übersähten Körper. Ich hasse meinen Körper so wie er jetzt ist. Er ist zwar noch nicht lange so aber es fühlt sich so an als wäre es Jahre her, dass er schön gewesen ist. Nach einer weile höre ich ein leises Klopf...