1. Kapitel

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Hey Amber!
Sag Bescheid wenn du gelandet bist.
Ich hole dich dann vom Flughafen ab.
Dad

Ach ja, mein ach so toller Dad! Ich lese mir die SMS mehrmals durch. Seit meine Eltern sich vor zehn Jahren geschieden haben und er abgehauen ist, hat er sich kein einziges Mal bei mir gemeldet. Weder zum Geburtstag noch zu irgendwelchen anderen Festen! Kein Brief, keine SMS, nicht mal ein Anruf! Und jetzt .... jetzt ist meine Mum tot und ich darf zu ihm und seiner neuen Familie ziehen! Nur weil Mum's ach so tolle Schwester Tessa, meine Tante, mich nicht aufnehmen wollte. Sie will ja nur das Beste für mich! Nur weil sie mich nicht leiden kann, und ich habe echt keine Ahnung warum!? Alles musste ich zurückgelassen! Meine Freunde, die Wohnung .... einfach alles! Und auf einmal bin ich auf meinen Vater angewiesen und er spielt den Super-Dad! Pff! Darauf kann ich getrost verzichten!

Ich stehe jetzt schon fast eine halbe Stunde am Flughafen und überlege, ob ich ihn anrufen soll, damit er mich abholt, oder ob ich mir ein Taxi rufen soll - die Adresse hat er mir gegeben.

Dad - Taxi, Taxi - Dad? Tick, Tack, Tick, Tack .... Also gut!

Dem Verhältnis wegen sollte ich ihn vielleicht anrufen, auch wenn sein Verhalten all die Jahre definitiv nicht in Ordnung war! Ich wähle seine Festnetznummer auf meinem Handy und gehe währenddessen langsam mit meinem Gepäck zum Ausgang. Die Mittagssonne knallt auf den Teer vor mir.

"Hallo?", kommt es vom anderen Ende der Leitung. Eine Frau?

"Äh ... Hi! Hier ist Amber", sage ich knapp. Hatte ich mich verwählt? - Nope.

"Achso, hallo Amber! Hier ist Rosalie. Dein Vater ist schon auf dem Weg", teilt sie mir mit und ich nicke - Shit! Das kann sie ja nicht sehen!
"Äh ... Danke?", sage ich unsicher.

"Kein Problem. Bis später dann!", antwortet sie zuckersüß.

"Jaaa", sage ich gedehnt - immer noch etwas unsicher, "Bis dann!", verabschiede ich mich und lege schnell auf.

Oh mein Gott! Was war das!? Plötzlich ertönt ein Hupen schräg vor mir. Verwundert schaue ich von meinem Smartphone auf. Ein Mann mit braun-grauem Haar steigt aus einem schwarzen BMW und kommt winkend auf mich zu.

"Hey, Amber, Schätzchen!" Er steht nun direkt vor mir und macht Anstalten mich zu umarmen. Erschrocken trete ich einen Schritt zurück. Mein 'Dad' steht leicht verwirrt da und kratzt sich verlegen am Kopf. "Schon okay, wenn ... du noch nicht ... bereit dafür bist", sagt er dann und während er auf meine Koffer deutet, frägt er: "Deine?" Ich nicke und sehe ihm zu, wie er sie nimmt und in sein Auto räumt. Als er fertig ist hält er mir die Beifahrertür auf und frägt abwartend: "Wollen wir?" Wieder bringe ich kein Wort heraus.

Dass ich total unhöflich bin, wird mir erst jetzt klar und nach einem Räuspern antworte ich, wenn es auch einem Krächzen ähnelt: "Äh ja klar!" Schließlich raufe ich mich zusammen und gehe auf ihn zu und steige ein. Hinter mir schließt mein Vater die Tür, geht um's Auto herum und setzt sich schlussendlich auf den Fahrerplatz. Er schnallt sich an und ich tue es ihm gleich.

"Hast du Hunger? Wir können noch schnell was essen gehen, auch wenn Rose das wahrscheinlich nicht gutheißt", versucht er - glaube ich - die Stimmung zu heben.

"Marcus, ich ...", beginne ich zaghaft. Ich habe ihn seit seinem Verschwinden immer nur mit seinem Vornamen erwähnt, aber sollte ich diese Angewohnheit jetzt lieber ablegen?

"Marcus? Du kannst mich doch 'Dad' nennen!", er schmunzelt, aber es wirkt nicht wie ein echtes Lächeln. Aufgesetzt, gequält, unecht, etc. würde vermutlich besser passen.

"Nein, ich habe keinen Hunger, danke", antworte ich lieber auf seine Frage und gehe auf seine andere Aussage nicht ein. Damit gibt er sich anscheinend zufrieden, jedenfalls hakt er nicht noch einmal nach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit biegen wir endlich in die richtige Straße ein. Ein großes Anwesen mit gigantischem Garten erstreckt sich vor uns. Eine gepflegte Hecke rahmt das Grundstück ein und auch der Rasen ist das grünste Grün.

Out of my dreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt