Der Junge im Restaurant

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Wieder einmal basiert alles nur auf Blicke...

Gestern habe ich mit meiner Familie in einem kleinen Restaurant Abend gegessen.
In dem Restaurant halten sich üblicherweise eher junge Erwachsene und Jugendliche auf, es ist im jugendlichen Stil gehalten.

Schon als wir hineingingen war mir klar, dass es auch an diesem Abend so war. Der zweite Tisch rechts war von einer Gruppe mit Jungen in meinem Alter besetzt. Ich wollte nur beiläufig hinschauen, deshalb fiel mir nur der Junge mit Base Cap und Brille auf. Nicht ganz mein Geschmack.
Gott sei dank, dachte ich. Da könnte ich wenigstens in Ruhe essen.

Ich habe die Angewohnheit, mich immer möglichst mit dem Rücken an die Wand zu setzten, sodass ich den Raum im Blick habe. Sonst müsste ich mich permanent umdrehen, wenn ich sehen will wann die Bedienung kommt.

Es gelang mir an diesem Abend sogar einen Platz an der Wand zu ergattern, denn auch die anderen aus meiner Familie mögen diese Plätze.
Mir fiel direkt auf, dass ich von diesem Platz aus perfekt den Tisch mit den Jungs im Blick hatte. Es wäre nicht einmal auffällig dort hin zu sehen, denn der Kopf meines Bruders war genau daneben. So konnte ich wie zufällig meinen Blick von ihm weiter schweifen lassen.

Während wir auf das Essen warteten, checkte ich jeden einzelnen von dem Tisch schräg gegenüber von unsrem ab. Der Junge mit dem Base Cap war ja nicht so mein Fall gewesen. Aber der daneben! Erst jetzt sah ich ihn. Braune wuschel Haare, nicht allzu ordentlich gegeelt, sonnengebräunte Haut... und mehr konnte ich in dem schlechten Licht und ohne meine Brille nicht erkennen. Warum hatte ich sie eigentlich schon wieder nicht auf? Immer wenn ich sie brauche!

Allerdings fiel mir auf, dass er bereits drei mal zu mir geschaut hatte, als ich ihn beobachtet habe. Oder habe ich das nur nicht genau gesehen? Meine Augen waren so schlecht, da könnte ich mir vieles eingebildet haben. Mir gefiel aber die Vorstellung, dass er mich auch attraktiv findet...

Ich schmiedete in meinem Kopf bereits Pläne, wie ich mit ihm 'zufällig' in Kontakt kommen könnte.

Vielleicht geht er ja irgendwann auf Toilette, die Treppe hinunter in den ruhigen Keller? Dann würde ich auf jeden Fall auch gehen. Ich würde hinunter gehen und wenn er wieder herauskommt, stoße ich zufällig mit ihm zusammen. Er packt mich schnell am Arm, um mich vor dem Fallen zu bewahren. Ich falle dank ihm nicht und bedanke mich nachdem ich mich für den Zusammenprall entschuldigt habe.

Wir stehen kurz da und sehen uns an. Ich wundere mich, warum er nicht hoch geht. Dann beginnt er ein Gespräch. Worum es geht, weiß ich nicht. Da war selbst meine Vorstellung zu unkreativ. Wie könnte man denn ein Gespräch mit einem Fremden anfangen, ohne dass es peinlich wird?

Jedenfalls stellt sich heraus, dass er gar nicht nach oben gehen will, da sich seine Freunde heute alle anders benehmen, weil ein neuer, "coolerer" Typ dabei ist. Und darauf hat er keine Lust. Wir reden viel, aber ich lasse nicht die Zeit aus dem Auge. Immerhin ist meine Familie da oben und würde misstrauisch werden, wenn ich noch recht viel länger weg bliebe.

Der Junge gefällt mir. Und ich scheinbar ihm, denn als ich gehen muss, fragt er nach meiner Nummer. Meine Hände fangen leicht an zu schwitzen, als ich sie ihm eingebe. Ich freue mich so sehr!
Am nächsten Abend ruft er mich dann an und so nimmt unsere Geschichte dann ihren Lauf.

Doch Pustekuchen.
Der Abend verlief weiter, ganz normal.
Als sich dann einige von dem Tisch erhoben, dachte ich schon, dass sie gehen würden und ich nun eh keine Chance mehr hätte. Doch es waren nur drei Jungen, die gingen. Sofort war mir bewusst, dass sie wohl zum Rauchen hinaus gingen. Da war ich direkt erleichtert, dass der Junge, den ich attraktiv fand, nicht mit ging.
Doch jetzt, wo nur noch drei Jugendliche am Tisch saßen, sah ich, dass neben ihm ein Mädchen saß. Na super. Wie immer haben die gutaussehenden sowieso schon eine Freundin.

Als sein Base Cap Kumpel raus ging, rutschte er ein wenig zu ihr hin und drehte seinen Kopf zu ihr, da er vorher eher mit dem anderen Sitznachbar geredet hat. So bestätigte sich meine Befürchtung.

Was geht mich das eigentlich an?! Ich habe rein gar nichts mit denen zu tun und ich sollte sie nicht so starken! Das sagte ich mir immer wieder, um bei der Realität zu bleiben.

Als die Raucher wieder kamen, beobachtete ich, dass er nun wieder ein Stückchen von ihr wegrückte und sich wieder an den Base Cap Jungen wandte.

Aha. Doch nicht unbedingt die Freundin.

Doch was kümmerte mich das? Er schaute mich kein weiteres Mal mehr an und innerhalb einer halben Stunde war die Clique wieder gegangen. Und ich saß wieder einmal da und ärgerte mich, dass ich nichts unternommen hatte.

Allerdings... Was hätte ich schon tun können? Ich konnte nichts anderes tun, als ihn anzusehen und hoffen, dass er meine Blicke bemerkt. Doch selbst dann...?

So eine Situation ist nicht die richtige für so etwas. Ich sollte mich wohl vorerst daran gewöhnen, nur Jungen von weitem anschauen zu können, als weiteres zu erwarten. Denn jetzt habe weder ich, noch scheinbar die Jungen genügend Selbstvertrauen, etwas zu unternehmen.

Außerdem, scheint es mir, dass man eine gewisse Portion Ignoranz gegenüber Peinlichkeiten mitbringen sollte, wenn man gerade bei solchen Situationen glaubt, seinen zünftigen Traumpartner allein vom Äußeren her erkannt zu haben.

Vorstellung versus RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt