10: Gruppentherapie #1

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Skeptisch betrachtet Sasori mir gegenüber die Schüssel Müsli, die Deidara ihm zum Frühstück mitgebracht hat. Sein Gesicht ist auch heute sehr blass und eine Weile lang starrt er das Essen einfach nur an bevor er sich zögernd einen Löffel voll in den Mund steckt. Deidara verschlingt bereits sein drittes Marmeladenbrot und ich frage mich, ob der Junge denn nicht zur Schule muss. Wieso ist er sonst um halb 9 Uhr morgens bereits hier und isst mit uns? Irgendwas ist da faul, doch ich habe keine Lust nach zu fragen.
Eigentlich geht es mich ja auch nichts an.
Meine erste Nacht hier war...nun sagen wir mal annehmbar. Nach der Führung des Blonden habe ich mich gestern mit ein paar Worten verabschiedet und bin in mein Zimmer geflüchtet. Zu meinem Leidwesen musste ich feststellen, dass der Raum sich nicht von Innen absperren lässt. Dachte ich mir schon, doch ich hatte gehofft, dass ich mich irre.
So war mein Schlaf eher unruhig und ich bin einige Male mitten in der Nacht hoch geschreckt, habe versucht mich zu orientieren, nur um dann nach einigem Hin- und Herwälzen wieder in einen unruhigen, traumlosen Schlaf zu gleiten.
Doch das liegt eigentlich weniger an diesem Ort.
Ich weiß gar nicht mehr genau, wann ich zuletzt wirklich lang und gut geschlafen habe.
"Ich hole noch Saft, un. Wollt ihr auch?", fragt Deidara mit vollem Mund und sowohl Sasori als auch ich schütteln knapp den Kopf.
Während der Blonde kauend davon läuft, lege ich leise seufzend den Löffel meines Müslis neben die noch immer beinah volle Schale.
Ich habe keinen Hunger...
Mein Magen ist damit beschäftigt vor Nervosität wild zu rumoren und sich zu verkrampfen.
Um 9 ist meine erste Therapiestunde...
Zusammen mit keine Ahnung wie vielen anderen Irren...
Meine Begeisterung hält sich definitiv in Grenzen und hätte ich eine Wahl, würde ich mich in meinem Zimmer verstecken wie die Gottheit.
Ob Nagato wohl heute zur Therapie kommt?
"Isst du nichts?"
Ich begegne dem Blick brauner Augen, die mich forschend betrachten. Langsam schüttel ich den Kopf.
"I-ich hab keinen Hunger..."
"Dann solltest du Deidara deine Schüssel geben, der isst es auf. Ansonsten verschwendest du nur Lebensmittel."
Er hat Recht und trotzdem verwirren mich seine Worte. Seine Stimme ist ruhig und desinteressiert und ich erinnere mich daran, dass Sasori unter Gefühlskälte leidet.
Er kann nicht verstehen, wie sich jemand anderer fühlt, geschweige denn wie er sich selbst fühlt.
Er kann nicht nervös sein vor dieser Gruppentherapie.
"Gehst du zur Therapie um 9?"
"Ja."
Ohne den Blick von mir ab zu wenden wandert ein weiterer Löffel Müsli in seinen Mund. Ich hingegen sehe zurück in die kleine Schüssel, in der das Müsli immer weiter aufweicht. Zögernd nehme ich doch einen Löffel voll.
Ich zwinge mich lieber zum Frühstück als die Peinlichkeit zu ertragen, Deidara zu fragen ob er mein Müsli auf isst.
"Ich dachte du hast keinen Hunger.", murmelt Sasori.
Er klingt irritiert und als ich den Blick hebe sehe ich, wie er verwirrt die Stirn gerunzelt hat.
"Habe ich auch nicht aber ich muss trotzdem essen.", erkläre ich leise und der Rotschopf nickt.
"Verstehe... ich muss auch immer essen obwohl ich nicht will."

Schweigend laufen Sasori und ich wenig später durch die leeren Gänge. Der Blonde hat sich vorerst von uns verabschiedet und ich bin wirklich froh, dass Sasori nicht so viel redet wie er.
So kann ich mir in meinem Kopf jedes nur mögliche Horrorszenario vorstellen, das schon gleich um 9 Uhr Wirklichkeit werden könnte. Gerade als ich mir ausmale, wie ein Dutzend verrückter Jugendlicher glucksend lachend und sich den Bauch haltend auf mich zeigen, höre ich eine bekannte Männerstimme.
Eine, die ich lieber nicht hören würde...
"Hallo, meine Süße. Ich habe dich schon vermisst."
Lilafarbene Augen mustern mich eingehend von oben bis unten während sich Hidan's Lippen zu einem koketten Lächeln verziehen. Entspannt lehnt er mit dem Rücken gegen der Wand neben dem Therapieraum, die Ärmel seines dunkelroten Pullover sind hochgekrempelt und spannen sich über einen Haufen Muskeln.
Ich nicke nur knapp zur Begrüßung und wende meinen Blick ab, der zuvor auf den deutlichen Narben auf seinen Armen geruht hat.

"Wäre nicht das erste Mal, dass er versucht sich zu verletzen."

Ich erinnere mich nur zu gut an das, was Deidara mir gestern erzählt hat. Als ich vorsichtig den Blick hebe und schweifen lasse, erkenne ich einen großen Mann etwas entfernt stehen. Stechend grüne Augen sehen zu mir und ich blicke sofort zurück zu Boden, während mein Herz einen nervösen Sprung macht.
Das muss der "Wachhund" sein, von dem ich gehört habe...
Dieser Kerl ist unheimlich...
Die Türe des Therapieraumes öffnet sich und Dr Yamanaka steht lächelnd im Türrahmen.
"Guten Morgen zusammen. Bitte, kommt doch rein."
Er schenkt jedem ein aufmunterndes Lächeln oder ein Nicken während wir nacheinander das Zimmer betreten.
Der Raum an sich wirkt ziemlich leer. Heller Teppich bedeckt den Boden, ein paar bunte Sitzkissen sind im Kreis darauf gelegt und weitere Stapeln sich in einer Ecke. Ein paar weiße Schränke verdecken eine Wand. Alles scheint hier seinen festen Platz zu haben. So auch die Jugendlichen, die sich zielstrebig ein Sitzkissen aussuchen und sich darauf nieder lassen. Die meisten Gesichter kenne ich nicht. Lediglich Sasori und Hidan sowie Itachi weiter entfernt sind mir wenigstens ein wenig vertraut. Ich setze mich auf ein leuchtend grünes Kissen, direkt neben dem kleinen Rotschopf und einem unbekannten, schwarzhaarigen Mädchen. Ich kann nicht anders als für einen Moment die glänzenden Piercings in ihrem Gesicht und die verschnörkelten Tattoos zu bestaunen, die sich seitlich von einer Schulter zur anderen ziehen.
Ich selbst bin viel zu feige, mich so schmücken zu lassen...
Akina und Shun würden wahrscheinlich ausrasten, mehr als bei irgendetwas anderem, und auch, wenn ich mir schon oft wenigstens ein Piercing gewünscht habe, konnte ich mich noch nie dazu überwinden.
Zu groß war die Angst, meine Adoptiveltern zu enttäuschen oder zu verärgern. Also habe ich wie immer meine Wünsche hinten angestellt.
Der Superpsychologe hat sich ebenfalls auf ein Kissen gesetzt und lässt seinen Blick kurz über alle gleiten bevor er ein Klemmbrett zur Hand nimmt.
"Dann schaun wir mal, ob alle da sind... Sasori."
"Ja.", ertönt es neben mir.
"Itachi."
"Hier."
"Hidan."
"Jawohl!"
Einige Namen folgen, die mir allesamt unbekannt sind, bevor Inoichi Yamanaka mich aufruft.
"Konan."
"H-hier..."
"Nagato."
Niemand antwortet und seufzend streicht der Psychologe etwas auf seinem Klemmbrett durch.
Er ist also nicht gekommen...
Hätte ich mir denken können, denn schließlich sagte Deidara, dass er zu keiner Therapie geht. Dennoch hatte ich mir irgendwie gewünscht, ihn zu sehen.
Die Gottheit.

An Angel's Pain (Konan FF || Akatsuki FF) [Slow Updates]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt