18: Taktgefühl

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Fünf Tage sind seit meinem Besuch bei Pain vergangen.
Fünf Tag lang habe ich ihn nicht gesehen, doch andauernd an ihn gedacht. An ihn und an seine Worte, die mir auch jetzt noch furchtbar weh tun.
Jedes Wort, jede Silbe ist in mein Gedächtnis gebrannt...

Warme Finger legen sich auf meine Hand, mit der ich die Gabel festhalte und bis gerade eben noch in dem Gemüse vor mir auf dem Teller herumgerührt habe, und stoppen so meine Bewegung.
Ich sehe blinzelnd zu Itachi, der neben mir an dem Tisch sitzt und mich eingehend betrachtet. Er sagt nichts, doch in seinen tiefschwarzen Augen kann ich einen Funken Sorge sehen auch, wenn sein Gesicht absolut gleichgültig wirkt. Mein Blick wandert zu Sasori mir gegenüber und weiter zu Hidan der an meiner anderen Seite sitzt. Auch diese beiden sehen mich forschend an. Der Rotschopf legt den Kopf leicht schief als würde er nachdenken während Hidan laut seufzt.
"Baby, das reicht jetzt.", meint er genervt und ich runzle die Stirn bei seinem Spitznamen.
Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen können...
"Mit Essen spielt man nicht. Das hast du erst letzte Woche zu mir gesagt, schon vergessen?", beteiligt sich Sasori ruhig.
Nun... Das habe ich.
Ich nicke knapp und murmle ein leises Tut mir Leid.
Oder zumindest etwas, das so ähnlich klingt.
"Willst du darüber reden?", will Itachi wissen und ich schüttle knapp den Kopf.
Es geht mir nicht besonders gut, das gebe ich zu, doch auf keinen Fall will ich darüber reden. Ich habe noch nie über das gesprochen, was mich beschäftigt. Ich habe stets geschwiegen, mir allein den Kopf über meine Situation zerbrochen.
Und wieso?
Weil ich niemanden mit meinen Problemen belasten will.
Das war wohl schon immer eins meiner größten Probleme und auch jetzt steht es mir im Weg...

"Komm schon, rede mit uns. Ist das jetzt so ein Liebeskummer-Zeug oder geht das in die Depressionsrichtung? Mit dem ersten kenne ich mich leider nicht so recht aus, aber gegen das zweite könnte ich Pillen besorgen.", schlägt Hidan vor und der Schwarzhaarige neben mir seufzt leise.
"Taktgefühl, Hidan.", erinnert eine Jungenstimme den Grauhaarigen und ich sehe zu Deidara, der sich wie selbstverständlich neben Sasori an dem Tisch nieder lässt.
Seine blauen Augen funkeln schelmisch und ein breites Grinsen liegt auf seinem Gesicht während er meinem Blick begegnet.
"Hi.", sagt er nun direkt an mich gerichtet.
Deidara ist zurück!
Ich bin unendlich erleichtert in diesem Moment, als mir wenigstens diese Last genommen wird.
"Hi.", antworte ich leise und verlegen kratzt sich der Blonde am Hinterkopf.
"Ich... ähm... Sorry. Ich glaube ich habe etwas überreagiert und so... Tut mir auf jeden Fall echt Leid, un."
"Es tut mir auch Leid, wenn ich dich verletzt habe."
"Quatsch. Vergeben und vergessen, un."
Ich nicke zustimmend und der Blonde betrachtet mich ein paar Sekunden still bevor er die Stirn runzelt.
"Nichts für ungut, Konan. Aber du siehst echt übel aus, un."
"Du siehst übel aus, Barbie. Wie war das mit dem Taktgefühl?", meint Hidan nur und verdreht die Augen während Sasori und Itachi einen kurzen Blick tauschen.
Ich senke meinen auf den Teller vor mir und zucke mit den Schultern bevor ich mir eine Gabel voll Gemüse in den Mund schiebe.
Ich weiß das nur zu gut, schließlich habe ich mich im Spiegel gesehen. Durch den Schlafmangel ist mein Gesicht fahl und deutliche Schatten liegen unter meinen Augen. Ich könnte sie bestimmt mit Make-up verdecken, wenn ich welches besitzen würde und es mir nicht absolut egal wäre, wie ich aussehe.
"Du warst lang weg.", stellt Sasori fest und mustert den Jungen neben sich kurz.
"Stimmt. Hast du mich vermisst, un?"
"Nein."
"Autsch! Ich glaube der Kleine hat noch weniger Taktgefühl als ich.", bemerkt Hidan bevor er laut zu lachen beginnt.
Itachi's Mundwinkel zucken belustigt während Deidara den Grauhaarigen böse anfunkelt und Sasori einen Schluck Wasser aus dem Glas vor sich nimmt als wäre nichts geschehen.

"Wieso tu ich mir das an?", fragt sich der Blonde selbst bevor er sich laut räuspert.
"Wie auch immer!", fährt er fort "Müsst ihr noch irgendwas erledigen bevor er los geht, un?"
Laut stöhnend lehnt sich Hidan in seinem Stuhl zurück und legt den Kopf in den Nacken während Itachi den Blick senkt.
Für einen Moment bin ich verwirrt, doch dann fällt mir ein, was ich verdrängt habe.

Heute ist so etwas wie ein Besuchstag.
Familien, Freunde und Bekannte trudeln hier ein, um sich mit den Psychologen über die Fortschritte zu unterhalten und ihre Liebsten wieder zu sehen.
Inoichi hat es in der letzten Gruppentherapiesitzung erklärt, doch ich habe es sofort versucht wieder zu vergessen, zu verdrängen.
Bisher mit Erfolg.

"Ich gehe nicht hin.", murmelt Sasori und nimmt einen Bissen von seinem Mittagessen.
Mit großen Augen sieht Deidara ihn an und schüttelt den Kopf.
"Oh, nein! Davor wirst du dich nicht drücken, Sasori! Nicht schon wieder, un."
Ich hebe fragend eine Augenbraue und der Rotschopf begegnet meinem Blick kurz bevor er leise seufzt und sich wieder seinem Teller zuwendet.
"Es kommt eh nur die Alte und auf die kann ich verzichten."
"Sie ist deine Großmutter, Sasori. Du solltest nicht so über sie reden, un."
"Dir kann es doch egal sein wie ich über sie rede. Meine Eltern werden eine ihrer unglaublich wichtigen Geschäftsreisen definitiv nicht dafür unterbrechen, um ihren verrückten Sohn zu sehen und ich kann gut und gern auf die Smalltalk-Versuche meiner Großmutter verzichten.", erklärt Sasori ruhig ohne aufzusehen und nimmt erneut einen Bissen.
Darauf weiß Deidara nichts mehr einzuwenden und sieht stattdessen hilfesuchend zu mir.
Ich zucke nur mit den Schultern.
"Ich werde auch nicht hingehen.", überlege ich leise und ich spüre die Blicke der Jungs auf mir.
"Ich will Akina und Shun nicht sehen.", erkläre ich.
Nein, auf keinen Fall. Sie sind die einzigen, die vielleicht hier auftauchen könnten. Ansonsten habe ich keine "Familie" und meine Freunde sind hier.
"Mann, was seid ihr nur für Luschen?", meint Hidan und richtet sich in seinem Stuhl auf.
"Gehst du etwa hin, un?", fragt Deidara erstaunt und lachend schüttelt der Angesprochene den Kopf.
"Auf keinen Fall, Mann!"
Wütend funkelt der Blonde ihn an, doch das scheint ihn völlig kalt zu lassen.
"Mich kommt eh keiner besuchen. Hat noch nie jemand, also was soll's...", raunt Hidan leise und kippelt währenddessen mit seinem Stuhl.
Laut stöhnt Deidara auf.
"Wow. Geht denn wirklich keiner von euch zu diesem Besuchs-zeug, un?"

"Ich gehe."
Überrascht wende ich mich an Itachi und auch die Blicke der anderen wandern zu dem Schwarzhaarigen. Ich hatte nicht erwartet, dass er dort hin gehen wird.
Er, der versucht hat seine Verwandtschaft zu töten.
Er, der denkt von Mitgliedern seiner Familie abgehört und kontrolliert zu werden.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sein Vater, der Polizeichef, Itachi besuchen kommt. Nicht nach dem, was passiert ist.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll und auch Deidara scheint es die Sprache verschlagen zu haben. Sogar Hidan schweigt, was mich irgendwie ein wenig beunruhigt.
Sasori ist es, der diesen Moment der Stille durchbricht, und zwar absolut ruhig und emotionslos, was wohl seiner Krankheit zuzuschreiben ist.

"Erwartest du etwa immernoch, dass dein Bruder kommt?"

An Angel's Pain (Konan FF || Akatsuki FF) [Slow Updates]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt