Teile II

112 11 7
                                    

Schatten. Das Licht war verschwunden und Dunkelheit durchflutete den Raum. Mein Blick wanderte zum Himmel und die dunklen, fast schon schwarzen Wolken verrieten mir, dass es so weit war. Ich erhob mich und ging aus dem Raum, die schwere Holztür knarzte, als ich sie hinter mir schloss und der blass goldene Schlüssel klapperte im Schloss. Ich sperrte mein Arbeitszimmer ab, selbst wenn ich mir bloß im Nebenraum einen Kaffee holte. Es war bereits Routine, als ich den Schlüssel um meinen Hals hängte und zur Haustür schritt. Den braunen Ledermantel ließ ich an der Garderobe hängen und verließ das Haus. Ich dachte nicht darüber nach in welche Richtung ich lief, denn ich wusste, meine Füße würden den Weg zu ihm ganz allein finden. Sie fanden ihn immer.

Nach einer Weile erkannte ich den Weg zum Park und ein Lächeln trat auf mein Gesicht, hier hatte ich ihn auch zum ersten Mal getroffen und dort saß er, auf einer kleinen, schmalen Parkbank. Sein beigener Mantel saß perfekt, keine Falte, absolut nichts, selbst der Wind, der mittlerweile aufgefrischt war schien absolut keine Wirkung auf seine Kleidung oder aber seine süße Frisur zu haben.

"Estiel!", ich trat an die Bank, doch er hob nicht einmal den Blick, auch als ich mich neben ihm setzte, wandte er den Blick nicht von dem Ahornblatt, dass es in seiner Hand hielt. "Sie können voneinander getrennt existieren", seine Stimme klang rau und sanft zugleich. Es dauerte einige Augenblicke bevor ich mich auf seine Worte konzentrieren konnte und nicht mehr von dem einmaligen Klang seiner Stimme abgelenkt war. "Was?", verwirrt blickte ich ihn von der Seite an und er hob den Blick, wandte sich von dem Blatt ab und bohrte seinen Blick in mich, bis hin zu meiner Seele. "Sie können getrennt voneinander existieren", wiederholte er und die Worte sackten in mir bis zum Boden, getragen von der sachlichen Melodie seiner Stimme. "Tut mir leid, ich verstehe nicht, was du meinst", die Worte drangen nur schwer über meine Lippen, zu gefesselt war ich von seinem Blick. Oder, hatte ich es überhaupt laut gesagt? "Licht und Schatten, trocken und nass, schwer und leicht, kalt und heiß, Liebe und Hass. Sie alle können getrennt voneinander existieren", erklärte er und in seine dunkelblauen Augen trat etwas Wissendes. "Aber wie?", ich stammelte. Wie konnte er davon wissen? Im Arbeitszimmer hatte ich zum ersten Mal darüber nachgedacht! Genau diese Worte waren durch meinen Kopf geschwebt und hatten nach einer Antwort gesucht. "Ich wusste es einfach", seine Mundwinkel zuckten kurz. Seine Standardantwort. "Estiel....", ein Anruf unterbrach mich und er nickte nur kurz. Ich kramte mein Handy aus der Tasche und nahm das Gespräch entgegen. "Hallo?" Aus den Augenwinkeln erkannte ich wie Estiel ein schneeweißes Tuch aus seinem Mantel zog und mir hinhielt. Im ersten Moment Verstand ich nicht, war abgelenkt durch seine Geste und nahm das Tuch mit verwirrter Miene an. "Könnten Sie das bitte wiederholen?" Die junge Frau am anderen Ende der Leitung seufzte und wiederholte die Nachricht.

Fallen Angel - Mein weinender Engel Part I #SpringAwards18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt