Kapitel #4 - Fremder Bruder

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Nach Unterrichtsschluss traf ich Nika draußen vor der Schule. Danny, der mich begleitete, war sichtlich überrascht, dass ich mich so gut mit Nika verstand. Den Kuss hatte ich ihm natürlich verschwiegen. Es musste auch nicht gleich jeder wissen.
Gemeinsam gingen wir, weil das Wetter so sonnig und warm war, zur Eisdiele oben im Ortszentrum.
Unterwegs unterhielten wir uns über unsere letzten Unterrichtsstunden. Während ich in der sechsten Stunde Latein hatte, saß Danny im Englisch- und Nika im Französisch-Kurs. Bei der Eisdiele angekommen sagte ich: "Ich gebe euch zwei Kugeln aus."
Danny sah mich an. "Seit wann so spendabel?"
Ich lachte. "Mir is grad danach." Wir bestellten unser Eis und setzten uns an einen freien Tisch in der Sonne.
"Is das schön...", seufzte Nika.
"Sagt mal, ihr beiden", fragte Danny, "was genau is das hier jetz zwischen euch zwei? Hab ich da irgendwas nich mitgekriegt?"
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ich plötzlich den Kopf zur Seite wandte. "Was ist das?"
"Was ist was? Hallo, ich hab euch grad was gefragt."
"Sei doch mal leise!" Ich spürte etwas.
"Lennard, was ist?", fragte Nika. "Was soll das?"
"Ich glaube, er fühlt da irgendwas", erwiderte Danny.
Richtig. Ich spüre etwas. Eine starke Energie... Aber wer oder was ist das?
"Was soll das heißen, er fühlt da irgendwas?"
"Lennard hat im Laufe seiner Karriere beim Kampfsport gelernt gewisse Dinge zu erfühlen. Energien. Er hat es geschafft, das Vorhaben seiner Gegner vorauszusehen und kann dementsprechend reagieren." Mit einem spöttischen Blick auf mich erklärte er weiter: "Er behauptet sogar, Menschen anhand ihrer Energie über größere Distanzen hinweg orten zu können."
"Und? Kann er das wirklich? Ist sowas überhaupt möglich?"
"Scheinbar ja."
Ich stand plötzlich auf. Mein Blick verfinsterte sich.
"Lennard, alles klar bei dir?"
Ich hörte ihm nicht zu. Etwas mächtiges war auf dem Weg hierher. Und ich wollte unbedingt wissen, wer oder was das war.
"Lennard, dein Eis..." Ja, das Eis schmolz und tropfte von der Waffel auf den Tisch. Aber das war mir egal, ich registrierte es nicht einmal.
Es kommt näher. Schnell, sehr schnell sogar... Nicht mehr lang...
Ich ließ das Eis fallen. Hörbar klatschte es auf dem Tisch auf.
"Was zum..."
Ich verließ unseren Platz an der Sonne und starrte weiterhin in die Richtung, aus der sich diese starke Energie näherte.
Vielleicht noch sieben Kilometer...
Es war schwer, die Entfernung genauer abzuschätzen. Die Energie war einfach zu schnell unterwegs.
Verdammt! Was ist das?
Nika und Danny waren ebenfalls aufgestanden und stellten sich neben mich.
"Was machst du denn da?", flüsterte Nika, "Die Leute gucken uns schon an..."
"Die glauben wohl, du spinnst", ergänzte Danny.
"Gleich..."
"Was is los? Was redest du da?"
"Gleich isses soweit..."
Geistesabwesend ging ich einfach los. Meine Freunde sahen sich fragend an. "Is der immer so drauf?"
"Ja, ein wenig seltsam ist er ja schon... Unergründlich dieser Lennard."
"Sollten wir ihm folgen?"
"Natürlich. Los, komm."
Gleich...
Ich kam an der Sparkasse vorbei. Etwa dreihundert Meter vor mir führte eine Brücke über einen kleinen Fluss. Der schlängelte sich zwischen den Feldern hindurch. Auf so ein Feld wollte ich. Was auch immer da auf mich zukam, die Menschen hier mussten es nicht unbedingt sehen. Aber was konnte das nur sein?
Warte, gleich isses soweit...
Ich begann zu laufen, dann rannte ich auf denn Fluss zu und sprang darüber hinweg. Drüben, auf der anderen Seite, landete ich sanft mit beiden Füßen auf weicher Erde. Ich drehte mich einmal kurz um. Nika und Danny liefen über die Brücke und schoben sich durch das Gestrüpp neben dem Feld. Sie stellten sich zu mir. Nika war erstaunt.
"Bist du eben wirklich über den Fluss gesprungen?"
"Das waren doch nur vier Meter..."
"Aber der ganze Graben ist gut und gern sieben Meter breit, noch dazu bist du deutlich früher abgesprungen. Ich weiß, du bist nicht normal, aber das ist schon verblüffend."
"Wundere dich nicht, Lennard ist sogar unseren Sportskanonen weit überlegen."
"Ach ja?"
"Du hast es eben live miterleben dürfen." Danny begann amüsiert zu lachen.
Ich dagegen hörte garnicht mehr zu. Ich konzentrierte mich auf den Horizont.
"Er kommt..."
Beide sahen mich erstaunt an.
"Wer kommt?" Nika trat neben mich und folgte meinem Blick.
"Es ist ein Mann..."
"Also ich kann nichts erkennen. Kannst du auch so gut sehen?"
Danny antwortete an meiner Stelle. "Ja, sehen kann er sehr weit. Bei manchen Treffen hat er schon Dinge gesehen, die uns erst einige Sekunden später aufgefallen sind. Zum Beispiel standen wir noch als kleine Kinder am Zebrastreifen und er hat das Auto schon gesehen, als es noch..." Ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Nika sah jetzt auch etwas. "Da kommt tatsächlich etwas auf uns zu. Und es kann fliegen..."
"Was?" Danny trat neugierig näher. "Tatsächlich."
Ich konnte den Typen schon deutlich erkennen. Er hatte abstehendes schwarzes Haar, meinem sogar relativ ähnlich. Bei ihm waren sie ein bisschen länger, aber genauso verstrubbelt wie bei mir. Er war muskulös gebaut und trug so etwas wie eine Rüstung mit breiter Schulterpanzerung. Am rechten Auge trug er etwas blaues, scheinbar irgendein modernes Gerät für die Augen. Man konnte es für eine einseitige Brille halten.
Was bist du?
Und dann war er da. Seine Geschwindigkeit nahm ab und er landete etwa zwanzig Meter vor mir auf dem zerfurchten Acker. Von der Größe her schätzte ich ihn auf etwa einsfünfundsiebzig, die Haare natürlich nicht miteinberechnet. Er sah nicht viel älter aus als zwanzig. Er kam auf mich zu.
"Potaka, endlich sehen wir uns." Seine Stimme war mächtig, hatte aber auch einen einfühlsamen Klang. "Du bist groß geworden."
Was? Wer? Ich?
"Meinst du mich?" Er blieb vor mir stehen.
"Natürlich meine ich dich."
"Wer auch immer du bist, du irrst dich. Ich heiße Lennard."
"Das ist ein seltsamer Name..."
"Warum sprichst du mich mit Potaka an?" Wer war dieser Kerl und warum sprach er mich mit so einem seltsamen Namen an?
"Weil du so heißt."
"Und woher willst du das bitte wissen?", schaltete sich Nika ein. Sie sah den Fremden skeptisch an.
"Wer ist das denn?", fragte er mich.
"Eine Freundin."
"Ein Mensch also. Hmm, sieht schwächlich und verletzlich aus."
"Was erlaubst du dir eigentlich?!" Nika fühlte sich anscheinend verletzt. Bevor sie noch irgendwelche Beschimpfungen abließ entschied ich mich dafür, den Fremden weiter zu befragen.
"Wer bist du?"
Er sah mich verwundert an. "Das weißt du nicht?"
"Würde ich sonst fragen?"
Er holte tief Luft. "Na schön, ich bin Banaka, dein Bruder."
Bitte was?! Bruder?
"Wie war das eben? Mein Bruder?"
"So ist es."
"Das kann nicht sein. Ich habe nur zwei Brüder. Und ganz sicher keinen, der einen so komischen Namen hat."
"Ich sehe, du erinnerst dich an garnichts. Dann werde ich es dir wohl erklären müssen..."
"Wir bitten darum!" Jetzt hatte sich auch Danny eingeschaltet. Auch er schien wie ich ziemlich verwirrt. Nika ging es wohl nicht anders. Sie sah diesen Banaka mit großen Augen an.
"Potaka..."
"Lennard", warf ich ein.
"Wie auch immer. Dir wird aufgefallen sein, dass du nicht so bist, wie der Rest dieser Spezies auf der Erde, die man Menschen nennt."
Nika sah ihn empört an, sagte aber nichts.
"Soweit kann ich dir folgen. Und weiter?"
"Du bist also kein Mensch, Potaka, du gehörst einer Rasse an, die man Saiyajin nennt. Wir sind die Bewohner des Planeten Vegeta. Oder besser gesagt, waren es..."
"Wieso waren?"
"Vor etwa dreißig Jahren wurde unser Heimatplanet vernichtet. Ausgelöscht durch Freezer."
"Wer oder was ist Freezer?"
"Ein Monster. Ein Tyrann, unter dem unser Volk arbeiten musste. Wir waren für ihn nur Handlanger, er unterdrückte die Saiyajin jahrelang."
"Warum hat sich dann niemand gegen ihn gestellt?"
Banaka sah mich missbilligend an. "Bist du verrückt? Freezer war so unglaublich stark, dass niemand es wagte, sich gegen ihn aufzulehnen. Wenn jemand es wagte, gegen ihn die Stimme zu heben, wurde er sofort ausgelöscht. Er ist ein skrupelloses Arschloch, tat alles ohne Rücksicht auf Verluste. Aber anscheinend hatte Freezer Angst, dass das doch eines Tages passieren könnte."
"Gab es denn niemanden deines Volkes, der ähnlich stark war?"
"Es ist auch dein Volk, vergiss das nicht. Aber nein, so jemanden gab es nicht..." Er holte erneut tief Luft. "Aber es gibt da eine Legende."
"Was für eine Legende?", hakte Danny nach. Ihn schien die Geschichte zu faszinieren.
Banaka erzählte weiter: "Die Legende berichtet von einem Kämpfer, der so unglaublich mächtig sein soll, dass er damit zum stärksten Wesen im Universum werden würde und alles und jeden besiegen könnte. Dieses Wesen, so heißt es, wäre ein Saiyajin, der über seine Grenze hinauswachsen würde und ein ganz neues Level der Stärke erreichen würde. Der Super-Saiyajin. Ein Krieger, der nur alle tausend Jahre erscheinen soll."
"Und davor hatte dieser Freezer Angst?"
"Ja. Und nur aus diesem Grund, dass ihn vielleicht eines Tages jemand an Stärke übertreffen könnte, vernichtete er einen ganzen Planeten. Damit war unsere Existenz zerstört. Die meisten Saiyajin sind bei der Explosion getötet worden. Nur wenige konnten sich in Sicherheit bringen. Überwiegend nur diejenigen, die gerade auf anderen Planeten unterwegs waren. Und sogar dort wurden noch viele von Freezers Schergen ermordet. Gerüchten zufolge soll es einen Saiyajin gegeben haben, der kurz vor der Vernichtung unserer Heimat noch gegen den Tyrannen gekämpft hat."
"Tatsächlich? Wer war dieser Saiyajin?"
"Wie gesagt, es ist nur ein Gerücht, einen Beweis gibt es nicht. Aber man erzählt sich, dass dieser Mann Bardock hieß. Er war es, der versuchte, unser Volk vor Freezer zu warnen und alle Krieger aufforderte, sich gemeinsam gegen Freezer zu stellen."
"Und was geschah nach der Zerstörung?"
"Die Saiyajin waren in der Galaxis weit verstreut. Aber einige fanden sich zusammen und gründeten auf einem verlassenen Planeten, der ihnen geeignet schien, eine neue Zivilisation der Saiyajin. Nach und nach folgten weitere Angehörige unseres Volkes und der Planet Neu-Vegeta war geboren. Und dort kamen du und zwei weitere Geschwister zur Welt. Aus alter Tradition ließ man auch für dich ein Orakel sprechen. Und darum bist du hier auf der Erde."
"Was besagte dieses Orakel? Und was hat das damit zu tun, dass ich hier auf der Erde aufwuchs?"
"Es besagte, dass du zu deinem siebzehnten Geburtstag eine Macht erlangen würdest, die über das Schicksal der verbliebenen Saiyajin entscheiden würde. Retten oder vernichten. Der herrschende König von Neu-Vegeta, König Onia-Vegeta, hörte von der Weissagung und wollte dich töten lassen. Selbst auf Bitten unserer Eltern hin ließ er sich nicht umstimmen. Wir sahen die einzige Möglichkeit deines Überlebens darin, dich hierher zu schicken. Der König erfuhr auch davon und so wurden Vater und Mutter zur Zwangsarbeit herangezogen. Mich schickten sie zur königlichen Armee und unsere Geschwister mussten an seinem Hof arbeiten."
"Und warum bist du hier?"
"Da es meine Idee war, dich zu verstecken, sehe ich es als meine Pflicht, nach dem Rechten zu sehen. Ich wollte sehen, wie du dich entwickelt hast und ob du wirklich eine solche Macht erlangen könntest, die über ein ganzes Volk richten kann."
Er beäugte mich kritisch. Das Gerät an seinem Auge begann zu piepen.
"Was ist das?", fragte Nika.
"Das ist ein Scouter. Damit kann man die Kampfkraft seines Gegners bestimmen."
"Kampfkraft?"
"Ja, seine Stärke und sein kämpferisches Können. Daraus berechnet sich die Kampfkraft. Aber wenn ich das so sehe, ist die nicht wirklich hoch..."
Danny war neugierig. "Wie hoch ist sie denn?"
"867. Das ist nicht gerade viel für einen Saiyajin."
"Einen Moment mal", sagte ich. "Du sagst, man berechnet aus Stärke und können die Kampfkraft?"
"So ist es."
"Ich habe aber gelernt, dass man Kraft und Können verbergen kann."
"Was willst du damit sagen?"
"Ganz einfach. Man kann seine Kampfkraft also scheinbar mit etwas Geschick verändern."
"Wie soll das möglich sein?"
"Ich werde es dir zeigen. Sieh die zuerst einmal Danny an. Was sagt dein Scouter über ihn aus?"
Danny sah mich an. "Was? Willst du sagen, ich wäre schwach?"
"24", murmelte Banaka.
"Und nun sieh dir Nika an."
"Hey!", protestierte sie.
"13"
"So, und nun bin ich nochmal dran." Ich stellte mich, mit den Beinen etwa schulterbreit hin, winkelte die Arme leicht an und schloss die Augen. Ich konzentrierte mich nur auf meinen Körper, auf meine Energie, wie ich es schon beim Training gelernt hatte. Dank jahrelanger Erfahrung wusste ich, wie ich durch meinen Geist meinen Körper verbessern, meine Kraft steigern konnte. Ich konzentrierte mich. Als ich das Piepsen des Scouters vernahm, sah ich Banaka an und grinste.
"Na? Wie siehts aus?"
"Unglaublich. Du hast deine Kampfkraft auf 1786 erhöht. Ich bin beeindruckt. Aber das reicht noch lange nicht gegen ein Wesen wie Freezer. Und an mich kommst du bei weitem noch nicht ran."
"Ach ja?"
"Willst du dich etwa mit mir messen?"
Nika und Danny sahen mich ungläubig an. "Bist du verrückt?"
"Warum? Ich hab grad richtig Lust dazu." Warum auch immer das so war, ich konnte es mir nicht so recht erklären.
Banaka lachte. "Mir scheint, deine saiyanischen Gene entfachen deinen Kampfgeist. Mir solls recht sein. Zeig deinem großen Bruder, was du kannst."
Mit diesen Worten bewegten wir uns ein Stück weiter in Richtung Mitte des Feldes.
"Gib Danny deinen Scouter, dann kann er sich ein Bild von deiner Stärke machen."
"Und was ist mit dir? Ist das nicht eher wichtig für dich?", entgegnete dieser.
"Nein, den brauche ich nicht. Ich kenne die Stärke meines Gegners." Ich grinste.
"Wie du willst, kleiner Bruder. Lass uns anfangen." Er warf Danny den Scouter zu und ging in Kampfstellung. Ich tat es ihm gleich.
"Auf einen guten Kampf."
Ich beäugte Banaka.
Ja, er is stark. Aber er kennt meine Stärke nicht. Und ohne Scouter kann er die Kampfkraft nicht messen. Mein Vorteil...

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