In der Schule merkte ich es sofort. Die Blicke meiner Mitschüler und Lehrer bohrten sich mir in den Rücken und hinterließen eins unangenehme Narbe auf meiner Seele. Einige Mädchen in der Ecke des mit Schülern überfüllten Korridors gafften mich einen Moment an und begannen dann zu Tuscheln. Nichts, was ich nicht kennen würde. Das passierte mir jeden Tag. Es war zur Gewohnheit geworden. Zur traurigen Gewohnheit. Ich wusste sie taten das nicht aus Hass oder Verachtung. Sie taten es, weil ich anders war. Ich passte nicht in das Gesamtbild der perfekten Jugendlichen an meiner Schule. Ich hatte keinen Freund, keine besonders guten Noten, einen anderen Musikgeschmack als die Meisten hier und hatte mit der Zeit gelernt mich abzugrenzen. Es war längst kein komisches Gefühl mehr so angestarrt zu werden.
Das Lachen und aufgeregte Plappern und Durcheinanderreden der Leute um mich herum vermischte sich mit dem Fußgetrampel auf dem glänzenden Boden des Ganges. Überall waren die Schüler dabei ihre Schulbücher aus den Spinden zu holen und sich auf den Weg zu ihrem Klassenraum zu begeben. Es roch nach, mit viel zu viel Wasser verdünntem, billigem Kaffee und nach dem Deo der Basketballmannschaft unserer Schule. Die "flying devils " hatten bereits dreimal die landesweite Meisterschaft gewonnen und waren stolze Anwärter auf den Mädchen-Mob unserer Schule. Gelungener Auftritt. Ich trottete auf meinen Spind zu. "Ähm...dürfte ich wohl mal?" Ein knutschendes Pärchen empfand offenbar meinen Spind als besonders passenden Ort um sich gegenseitig die Zungen in den Hals zu stecken. Tja, meine Lieben. Ich teile eure Ansicht leider nicht. Also sucht euch nen anderen Ort, wo ihr euer "Werk" verrichten könnt. Aber sie wollten nicht zur Seite gehen. Letztlich quetschte ich mich neben den beiden zu meinem Spind und öffnete ihn. Während ich meine Bücher und Hefte für den anstehenden Geschichtsunterricht hervorkramte, hoffte ich inständig nicht von einem Spuckehagel von einem der beiden getroffen zu werden. Auch, wenn es kein Platzregen ist. Ein Nieselregen aus Spucke reicht aus, um mir den Tag zu versauen. Ich klemmte mir meine Unterlagen unter den Arm und drängte mich an ihnen vorbei, zurück auf den, mittlerweile weniger überfüllten, Gang. Es hatte bereits das zweite Mal geklingelt und der Großteil der Schüler war schon in den Klassenräumen. Durch die Fenster fielen grelle Lichtkegel auf die Wände und tanzten dort um die Wette. Ich hasste den Sommer. Er war immer so schön. So perfekt und vollkommen. So fröhlich. So komplett anders, als es in mir aussah...
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Herz aus Papier
Short StoryWas sind eigentlich Geschichten? Was Sind Bücher? Was bewirken sie und warum lieben wir sie so? Bücher und Geschichten geben uns die Möglichkeit unsere Welt zu vergessen und in andere zu entfliehen. Die 15 jährige Cynthia ist anders. Ganz einfach a...