fifth chapter

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Die nächsten Tage haben einen ziemlich ähnlichen Ablauf: Aufstehen, fertig machen, zur Schule gehen, nach Hause gehen und meine Eltern ignorieren. Da der Ehemann von Kathrin, also Thomas, von der Dienstreise wieder Heim gekommen ist, habe ich doppelt so viel Acht zu geben.

 Natürlich musste Kathrin ihm von meinem zukünftigen Praktikum erzählen. Seine Reaktion?

Nun, er hat erstmal angefangen sich mit Alkohol zu betrinken. Danach kam er zu mir und... ja er hat mich schon wieder geschlagen. Nebenbei bezeichnete er mich als nutzlos und eine Platzverschwendung. Ich wäre unter anderem eine Schande für unsere Familie, würde das Leben in dieser Familie schlechter  machen und sei einfach nur wertlos. 

Das war vor zwei Minuten. Daraufhin schnappte ich mir meine Jacke und laufe, wie gefühlt immer, vor meinen Problemen weg. Die leuchtende Sonne scheint auf meine brennenden Wangen. Die Jacke ist um die Hüfte geschlungen, einfach aus psychischen Gründen. 

So glaubt meine Gehirn, es wäre ein weiterer Sichtschutz. Ein Schutz vor Röntgenblicken, die die neuen blauen Flecken sehen können. Mit tränenden Augen renne ich zum wiederholtem Male zur Parkbank. Wie damals ziehe ich meine Knie zu meinem Körper. 

Die ganzen Selbstzweifel steigen mit Selbsthass gepaart auf und ergeben eine ziemlich hässliche Mischung. In solchen Momenten fühle ich mich einsam und verlassen. Der Gedanke, dass mich niemand je vermissen würde, entsteht in meinem Kopf. 

Der Kampf ohne Ziel ist sinnlos und zum Scheitern verurteilt. Wofür weitermachen, wenn ich eh für jeden uninteressant bin? Vielleicht sollte ich Großvater folgen. Schließlich komme ich dann zu der einzig wichtigen Person in meinem Leben wieder zurück.

Die Erinnerungen an Opa lassen mich noch heftiger weinen. Durchrüttelt von Schluchzern kauere ich wie an jenem Abend vor einigen Tagen zusammen und fühle mich hoffnungslos verloren. Und wie an diesem Abend setzt sich jemand neben mich und reicht mir heute ein Taschentuch. 

Ich traue mich nicht aufzuschauen. Zu groß ist die Angst vor einer Blamage. So nehme ich das Stück weiche Papier und bedanke mich mit zittriger und brüchiger Stimme. Schneller als erwartet spricht der Mann, der mir schon zuvor half:"Du brauchst dich nicht schämen. Gefühle sind normal und menschlich, genauso wie die Imperfektion. Deine Worte vom letztem Treffen haben mich nachdenklich gestimmt." 

Weiterhin ist mein Blick starr auf dem Pflastersteinweg vor uns gerichtet. "Zu welchem Entschluss bist du gekommen?" Unbewusst sind wir zum Du übergegangen, doch ich finde dies auch um einiges besser. Alles andere ist für eine solche Beziehung zu förmlich. "Um ehrlich zu sein, zu gar keinem. Ich habe sogar andere Leute dazu gefragt. Zu der vollkommenen Perfektion und so. Von einem habe ich eine echt philosophische Antwort erhalten.", gesteht der Mann in Sportklamotten neben mir.

Wahrscheinlich joggt er hier und kommt an dieser Bank vorbei. "Erzählst du mir von dieser Antwort noch?", frage ich, um das Gespräch am Leben zu halten. "Ein anderes mal. Mich beschäftigt eine andere Sache: Warum hast du einen Handabdruck auf deiner Wange?" Mhh, wie erklärt man einer fremden Person ein solch großes Ding? Die Wahrheit oder doch eine Ausrede? Da kommt mir eine, zugegeben echt geniale, Idee:

"Was denkst du denn?" "Was ich denke?" Ein Nicken meinerseits. "Ich denke, dass dir jemand mutwillig weh tut. Soll ich weiter vermuten?" Wieder ein Nicken. "Desweiteren glaube ich, dass es dein Vater war. Und dass du von deiner Mutter zu Höchstleistungen getrimmt wirst."

Okay, das ist jetzt echt strange. Wobei, soll ich ihm jetzt die Wahrheit eröffnen? Oder führe ich das Spiel weiter? 

"Was macht dich dabei so sicher?", stochere ich weitere rum. "Soll ich ganz ehrlich zu dir sein?" Ein stummes Nicken. "Du erinnerst dich an den Menschen, den ich befragt hatte? Der hat sich ein wenig über dich informiert. Also über deine Eltern, denn über dich konnte er nichts herausfinden. Aber das, was wir wissen, habe ich wirklich nicht erwartet und es tut mir leid, dass wir dir nachspioniert haben. Aber ich will eigentlich fragen, ob wir dir helfen können." 

Nachdenklich wiege ich die Argumente für die Hilfe und gegen diese ab. Ich meine, er hat über mich recherchiert und mich beinahe gestalkt, andererseits täte es mir gut eine Person hinter mir zu haben. Verstohlen sehe ich mich um, danach schaue ich Steve in die Augen und antworte: 

"Vertraust du mir?" In diesem Moment erhalte ich ein Nicken. Daraufhin ergreife ich seine Hand und ziehe ihn mit, was zugegebener maßen echt anstrengend ist. Nach einem 15-minütigem Weg stehen wir vor einem Café. Dort lasse ich mich auf meine Lieblingsplatz nieder. Nachdem die Bedienung unsere Bestellung aufgenommen und gebracht hat, schaut mich mein Gegenüber herausfordernd an. Seufzend ergebe ich mich:" Was ich dir jetzt berichte, bleibt unter uns, verstanden?" "Natürlich." "Schwörst du?" "Worauf?" 

"Deine Ehre reicht mir, schließlich darf sich der Steve Rogers keinen Fleck auf seiner blütenweißen Weste zustande kommen lassen.", meine ich keck. "Woher weißt du das?", stößt er erschrocken aus. "SHIELD sind nicht der Einzige, die sich informieren können. Oder hacken. Nenne es wie du willst. Doch das Interessante ist eigentlich, dass sie nichts fanden. Ich dachte, das FBI oder so müssten einiges über mich wissen." Während ich das ihm ganz entspannt mitteile, sieht Steve hingegen aus, als hätte er einen Geist gesehen.

"Keine Sorge, ich habe keine geheimen Informationen. Nur Basisdaten, die man nach ein paar Stunden stupider Recherche finden kann. Doch das war mir nun mal zu eintönig. Also, was weißt du über Kathrin und Thomas?" Anscheinend hat sich der Muskelprotz einigermaßen wieder eingekriegt, denn er sagt nur: "Zuerst bist du dran." 

Gemein!

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