7. Ein Funken Hoffnung

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Christine

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Die ganze Zeit musste ich daran denken, was Erik gestern sagte.
Wenn sie dir so sehr gefällt, dann kannst du sie ja auf unserer Hochzeit singen.
Er hatte also immernoch vor mich zu heiraten. Was dachte ich mir auch? Schließlich ist es Erik. Wenigstens hat er seine Frist verlängert. Das beruhigt mich etwas und gibt mir noch mehr Zeit, mich auf die Hochzeit vorzubereiten. Jedoch verhielt sich Erik sehr merkwürdig, so wie er gestern Abend in Eile mein Zimmer verließ.
Oh, nein! Hat er womöglich gehört, dass ich von Raoul gesprochen habe? Sollte er das wirklich gehört haben, wird er mir heute bestimmt mit einer gewissen Kälte begegnen.
Als ich aus meinem Zimmer in die Küche ging, war Erik bereits wach. Er bereitete das Frühstück vor, schien mich jedoch nicht zu bemerken, oder absichtlich nicht wahrzunehmen.
Diese Stille gefiel mir ganz und gar nicht, weshalb ich versuchte, ein Gespräch anzufangen.
"Guten Morgen, Erik."
Keine Antwort. Erst, als er sich zu mir umdrehte, begrüßte er mich.
"Guten Morgen."
Danach sagte er kein weiteres Wort und machte auch keine Anstalten sich mit mir unterhalten zu wollen. Das ganze Frühstück über fiel kein einziges Wort zwischen uns beiden. So tat ich es ihm nach und verließ ohne ein Wort die Küche und ging in's Wohnzimmer um ein bisschen zu lesen.
Nach einer Weile kam er ebenfalls in's Wohnzimmer und setzte sich in seinen Sessel. Immer wieder schaute ich aus meinen Augenwinkeln zu ihm rüber und sah, dass er mich nur schweigend beobachtete. Ich wurde zunehmend nervöser und begann zu schwitzen. Meine Fingerspitzen begannen leicht zu zittern und ich sah, dass Erik hingegen immer angespannter wurde und sich seine Hände um die Sitzlehnen klammerten. Ich hielt das ganze nicht mehr aus und beschloss Erik zu fragen, was mit ihm los war, was sich jedoch noch als Fehler herausstellen sollte.
"Sag mal, Erik. Habe ich dir irgendetwas getan?"
Auf einmal guckte Erik mich direkt an, stand auf und ging langsam auf mich zu.
"Ob du mir etwas getan hast? Nein, das hast du nicht."
Mittlerweile machte er mir wirklich Angst.
"Und warum bist du dann so abweisend mir gegenüber?"
Er stand nun direkt vor mir und beugte sich zu mir runter, sodass unsere Gesichter auf einer Höhe waren. Sein Gesicht kam mir immer näher, bis sein Mund an meinem Ohr war.
"Das weißt du doch ganz genau."
Raunte er mir in's Ohr.
"Geht es um das, was ich gestern gesagt habe?"
Fragte ich mit einer zitternden Stimme. Er brauchte mir nicht zu antworten. An seinem Blick sah ich, dass er es wusste. Jetzt müsste ich äußerst vorsichtig sein, was ich sagte, denn ein einziges Wort könnte bei Erik einen Wutanfall auslösen.
"E... Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe, Erik. Aber... Mein Wunsch nach Freiheit wird stets bestehen bleiben. Auch wenn sich unsere Beziehung mittlerweile gebessert hat, betrachte ich mich stets noch als deine, nun wie soll ich es ausdrücken... Gefangene."
Plötzlich wich Erik zurück. Langsam und torkelnd ging er zurück, bis er in den Sessel regelrecht hinein fiel. Mit einem Mal wurde er immer blasser.
"Gefangene... Gefangene..."
Ich machte mir etwas Sorgen. Erik begann mir unheimlich zu werden.
"Ist alles in Ordnung, Erik?"
Ich stand auf und wollte gerade Erik's Kopf berühren, als er vor mir zurückwich. Damit wusste ich, dass mit ihm etwas nicht stimmen konnte.
"Bitte... Bitte, lass mich allein."
Ich war nun völlig verwirrt. Noch nie bat Erik mich zu gehen. Er vermied noch nie meine Gesellschaft. Jedoch kam ich seinem Wunsch nach und zog mich in mein Zimmer zurück. In der Stille und Einsamkeit begann ich langsam zu begreifen, was für eine Macht Worte besaßen. Ich hatte Erik mit meinen Worten zutiefst verletzt. Wo sich doch gerade so ein gutes Verhältnis zwischen uns aufgebaut hatte! Wie konnte ich so etwas nur in der Hoffnung sagen, dass er es nicht hören würde? Ach, ich bin so einfältig und naiv...
Plötzlich hörte ich draußen einen unbeschreiblichen Lärm. Ich lehnte mein Ohr an die Tür und hörte, dass Erik Gegenstände umher warf.
Sollte ich rausgehen und ihn beruhigen?
Einerseits wollte ich Erik helfen von seiner Wut abzulassen, andererseits, hatte ich auch etwas Angst, dass er mich in seiner Wut verletzten könnte. Also beschloss ich vorsichtig aus meinem Zimmer zu gehen und zu sehen, ob sich Erik mittlerweile etwas beruhigt hatte. Als ich in das Wohnzimmer schaute, sah ich, dass Erik, mittlerweile rot angelaufen, keuchend vor dem Kamin stand. Er atmete so laut. Es schien so, als versuchte er, sich zu beruhigen. Ich beschloss in's Wohnzimmer zu gehen und ihm zu helfen, gleichwohl ich mir der Gefahr bewusst war. Sobald Erik mich sah, ließ er den Kerzenständer in seiner Hand fallen und ging ein paar Schritte zurück. Ich war geschockt. Das Wohnzimmer war ganz schön demoliert. Als ich seine Maske auf dem Boden liegen sah, hob ich sie auf und wollte sie Erik geben, jedoch wollte er sie scheinbar zunächst nicht annehmen. Er atmete immer noch schwer ein und aus.
"Erik, es ist alles gut, beruhige dich."
Meine Worten wirkten anscheinend Wunder, denn nach ein paar Minuten hatte sich Erik tatsächlich beruhigt und seine Atmung hatte sich wieder normalisiert. Langsam stand er auf und betrachtete mit einem reuevollen Blick das Wohnzimmer.
"Mach dir keine Sorgen, ich werde das aufräumen."
Gerade wollte ich mich bücken, um anzufangen aufzuräumen, da spürte ich schon eine Hand auf meiner Schulter.
"Lass nur, ich mache das morgen. Schließlich ist dies alles mein Verdienst."
Ich war etwas überrascht und guckte ihn fragend an. Mit einer Geste versicherte er mir aber nochmals, dass es in Ordnung sei.
"Gehe nun ins Bett, es ist bereits sehr spät."
Ich nickte kurz und wollte mich eigentlich zurückziehen, jedoch ging ich nur aus seiner Sichtweite und beobachtete, wie er anfing aufzuräumen und dabei zu reden.
"Ich habe meine Gefühle wirklich nicht unter Kontrolle... Verdammt... Was mache ich nur?"
Es tat mir in der Seele etwas weh, Erik so verzweifelt zu sehen. Jedoch beschloss ich ihn allein zu lassen und nun schlafen zu gehen. Diesmal schlief ich sogar relativ schnell ein und ausnahmsweise plagten mich diese Nacht keine Alpträume, sondern lediglich Erinnerungen aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der ich noch frei und glücklicher war, als jetzt.

Ein Leben In DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt