Die Macht, Albträume zu bannen

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Da lag sie.

Von einem Holzbalken, das unserem alten Haus gehörte, aufgespiest.

Ganz oben, auf dem Berg aus Schutt Asche, mit diesem beschissenen Balken in der Brust.

Das Gesicht meiner toten Mutter war schmerzhaft verzogen, die Augen zusammengekniffen und den Mund zu einem letzten Schrei weit aufgerissen.

Alles an diesem Bild machte mir Angst.

Große Angst.

Langsam entdeckte ich die Anderen.

Zahllose, tote, verstümmelte Menschen.

Alle hatten den Mund aufgerissen, so als wollten sie mich warnen, als wollten sie mir sagen, dass ich weglaufen sollte.

Ich wollte ihren Bitten so gerne nachgeben, aber ich kann mich kaum bewegen.

Langsam drehe ich mich um, mache einen Schritt, dann den nächsten.

Ich spüre, dass ich bei jeder Bewegung langsamer werde.

Als ich an mir herunter schaue, entfährt mir ein schriller Schrei.

Mein Körper war aus Stein, mein Kopf fühlte sich unendlich schwer an.

Ich fing verzweifelt an zu weinen.

Um mich herum waren all diese toten Menschen, ich konnte mich nicht bewegen und wollte sie auf keinen Fall für immer anschauen müssen.

Ich war allein.

Dieser Gedanke lies mich nicht in Ruhe.

Du bist allein, mutterseelenallein.

Niemand wird kommen, um dir zu helfen.

Du bist einsam und allein.

Doch plötzlich war ich nicht mehr allein.

Ein Gefühl machte sich in meinem Bauch frei.

Eine Wärme, wie ich sie noch nie gekannt hatte.

Langsam breitete sich die Wärme aus - und die steinerne Kälte, die mich hier festgehalten hatte, wich.

Es war so, als würde mir jemand all meinen Schmerz und meine Sorgen abnehmen.

Es fühlte sich so toll an.

Vorsichtig öffnete ich die Augen.

Zuerst eins, danach auch das zweite.

Hm, diese weisse Wand kenne ich doch...

Ich war wieder im Krankenzimmer.

Doch die angenehme Wärme, die ich in meinem Traum gespührt habe, ist nicht verschwunden.

Langsam drehte ich den Kopf nach rechts.

Was ich dann sah, brachte mich irrsinnig zum Kichern.

Niklas saß auf einem Stuhl, den Kopf auf der Brust hängend, und schnarchte ein bisschen.

Plötzlich hielt ich inne:

Er hält meine Hand.

M-m-m-meine Hand?

Meine Hand?!

Meine Hand!

Hand!!

Hand!!!

Haaaaand!!!!!!!

Er ist eingeschlafen, während er meine Hand hielt!

Ganz hinten im Zimmer stand Patricia.

Sie ist eine Ärtztin, die mich oft besuchen kommt und mit der ich mittlerweile eine gute Freundschaft aufgebaut habe.

Sie beobachtete mich stumm.

"Hallo Paddi!

Was machst du denn hier?

Ist meine nächste Kontrolle nicht erst morgen?

Oder ist schon morgen?

Wie lang habe ich denn geschlafen?"

Patricia strich sich eine ihrer blonden Haarstränen hinters Ohr und ihre blauen Augen musterten mich interessiert, und sogar ein bisschen belustigt, durch ihre Brille hindurch.

"Du hattest wahrscheinlich einen Alptraum.

Drei Tage lang hast du durchgeschlafen.

Wir haben es einfach nicht geschafft, dich aufzuwecken.

Ich denke, das ist eine der vielen Facetten der Probleme, die der Virus verursacht.

Du hast wie am Spieß geschrien und geweint.

Alle hatten Angst, du würdest nicht mehr aufwachen.

Aber dann kam, wie durch ein Wunder, Niklas.

Er nahm sich einen Stuhl, setzte sich an dein Bett, nahm deine Hand und hielt sie ganz fest.

Hin und wieder hat er dir etwas schönes zugemurmelt, aber die meiste Zeit hat er dich nur angeschaut.

Langsam hast du dich beruhigt.

Du hast aufgehört zu schreien, und letztendlich auch zu weinen.

Irgendwann ist auch Niklas eingenickt.

Schließlich saß er die ganze Nacht bei dir..."

"Oh, das habe ich ja gar nicht gewusst..."

Ich war total baff.

Das hatte er tatsächlich für mich getan?

"Du bist ihm sehr wichtig, weißt du...

Er redet meistens nur von dir.

Aber dass er es geschafft hat, zu dir durchzudringen, ist echt beeindruckend!

Es scheint fast so, als habe er die Macht, deine Alpträume zu bannen..."

Patricias Worte hallten noch in meinem Kopf nach:

Die Macht, Alpträume zu bannen.

Soo dieses Kapi ist für Meine liebe Freundin Paddi *-* dafür, dass du mich immerwieder zum schreiben ermunterst;))

Strom aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt