Das erste Frühstück

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Als ich aufwachte, war der warme Körper, neben dem ich eingeschlafen war, weg.

Ich stand auf und zog meine Unterhose an. Ich sah aus dem Fenster. Es war nach zehn.

In der Küche stand sie. Regungslos wie eine Statue. Sie sah anbetungswürdig in meinem schwarzen Hemd aus.

"Guten Morgen."

Sie drehte sich um und lächelte.

Ich strich mir verlegen über den Hinterkopf. Konnte ich sie das fragen? Eigentlich war das nicht die Frage. Ich musste sie fragen, die Frage war, wie ich die Frage geschickt formulierte.

"Mir ist heute früh eingefallen, dass ich dich etwas fragen muss", begann ich vorsichtig.

Abwartend blickte sie mich an.

"Ich...also ich habe mich gefragt, ob du...ich meine, verhütest du?"

Jetzt war es raus und ich fühlte mich nicht unbedingt besser.

Sie lachte leise.

"Ich kann dich beruhigen, ich nehme die Pille."

Ich atmete hörbar aus.

"Das hat dich ziemlich beschäftigt, nicht wahr?"

"Aus offensichtlichen Gründen."

Ihr Lächeln war wie das der Mona Lisa. Nicht durchschaubar.

Es war unverantwortlich von mir gwesen, nicht selber zu verhüten.

"Hast du Hunger?", fragte ich schließlich.

"Ja", gab sie zu und aus einem unerfindlichen Grund schien es ihr peinlich zu sein.

Ohne darauf einzugehen, schlug ich ihr vor, frühstücken zu gehen. Zögernd willigte sie ein.
Diesmal kam ich nicht umhin, nachzufragen, was ihr zuschaffen machte.

"Stimmt etwas nicht?"

"Nein...ich... ich dachte gerade nur, dass es sich so normal anfühlt, mit dir zusammen zu sein. Es ist dumm, tut mir leid."

Wortlos nahm ich sie in die Arme und drückte sie fest an mich.

"Willst du du wissen, was ich fühle, wenn wir zusammen sind?", fragte ich leise in ihr Haar.

Stumm nickte sie.

"Ich fühle mich gut, so gut wie lang nicht mehr. Deine Nähe fühlt sich jetzt schon so gut an, dass ich Angst davor habe, dich gehen zu lassen."

Ich schob sie ein Stück von mir und wollte mich gerade zu ihr herunterbeugen, um sie zärtlich zu küssen, als sie den Kopf schüttelte, sich abwandte und und kategorisch entschied: "Nicht, bevor ich Zähne geputzt hab." 

"Dann mach dich mal fertig, damit ich dich küssen kann", grinste ich.

"Und damit wir frühstücken gehen können", ergänzte sie lachend.

Eine halbe Stunde später machten wir uns auf den Weg. Die Sonne schien und ich fühlte mich wie in einem Bilderbuch. Es war ein perfekter Sonntagmorgen.

Das kleine Lokal, das ich ansteuerte, war ein rustikales, aber unheimlich gemütliches Cafe.

Dort konnte man praktisch alles frühstücken, was das Herz begehrte. Ich war bis jetzt immer allein hier gewesen. Meistens hatte ich in einem Buch geschmökert oder Zeitung gelesen, während ich aß. Meine Frau hielt nicht viel vom Frühstück und so hatte sie mich nie begleitet. Meine Einwände, dass eine Mahlzeit am Vormittag wichtig für den Tag war, hatte sie geflissentlich ignoriert.

Ich dirigierte meine Begleitung zu dem Tisch, an dem ich immer saß. Dunkles Holz und zwei Ohrensessel dazu. Mit leuchtendem Gesicht ließ sie sich in den Sessel fallen. Andächtig strich sie über das abgewetzte Polster, auf dem schon unzählige Gäste gesessen hatten. Nie zuvor wollte ich so sehr ein altes Möbelstück sein.

"Wenn das Essen nur halb so gut ist wie das Ambiente...", sie beendete den Satz nicht, aber ich wusste, was sie meinte.

"Vertrau mir. Es ist besser."

"Gibt es keine Speisekarte?", fragte sie kurz darauf.

Ich verneinte: "Wenn die Bedienung kommt, sagst du einfach, worauf du Lust hast."

In diesem Moment erschien Milo, der Kellner, der immer Dienst zu haben schien.

Grinsend begrüßte er mich und ignorierte dankenswerterweise den Umstand, dass ich nicht wie sonst üblich allein gekommen war, sondern mit einer deutlich jüngeren Frau. Der Gedanke an den unkonventionellen Altersunterschied schmerzte mich unwillkürlich.

Bei der Bestellung von ihr konnte ich nicht anders und grinste.

Rührei mit Bacon, Pfannkuchen, Multivitaminsaft und Milchkaffee.

Ich bestellte Obstsalat, Müsli mit Jogurt, Omelett, Kaffee und Orangensaft.

Dieses Frühstück war um Längen besser, als die, die ich sonst allein bestritt.

Die Gesellschaft eines Menschen, die Nähe, legte sich warm um mich wie eine weiche Wolldecke.

Dieser Mensch, sie, war meine Decke, in die ich mich zurückziehen konnte, wenn ich der Welt entfliehen wollte.

Der Realität, die aus dem Altersunterschied zwischen uns bestand, aus der Tatsache, dass sie die Tochter eines befreundeten Paares war und dem Wissen, dass ich meine Frau betrogen hatte.

"Magst du das Meer?"

Die Frage war ausgesprochen, bevor ich es verhindern konnte.

Überrascht sah sie von ihrer Kaffeetasse auf.

"Ja, sehr sogar", lächelte sie.

"Dann lass uns ans Meer fahren. Jetzt gleich."

Mein Enthusiasmus war mir selbst fremd, aber er fühlte sich gut an.

"Ich weiß nicht...sicher, es wäre wundervoll, aber", sie zögerte, "werden wir rechtzeitig zurück sein?"

Ich lächelte das beruhigendste Lächeln, das ich zustande brachte.

"Ja, ich werde drauf achten."

"Dann würde ich sehr gern mit dir zum Meer fahren."

Ich blendete aus, dass wir uns in der Öffentlichkeit befanden und beugte mich über den Tisch.

Sie kam mir entgegen und als wir uns küssten, musste ich so lächeln, dass der Kuss fast misslang.

Fast.


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