Kapitel 1

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Eimer um Eimer von Wasser haben wir nun schon aus dem Bötchen geschippt, mit dem wir unterwegs waren. Aber nun war es nicht mehr zu verhindern. Das Boot würde auf jeden Fall sinken. Wieder schütte ich einen Eimer über Bord und seufzte. Mein Vater warf seinen Eimer über Bord. „Ich denke, das hat keinen Zweck mehr, Liebes", schmunzelte er. Er half mir auf den kleinen Mast zu klettern und folgte mir dann. Zum Glück konnte ich in der Ferne schon den Hafen von Port Royal ausmachen. Wie wir auf diesem kleinen Boot gelandet sind ist eine lange, sehr lange Geschichte. Aber mein Vater wäre nicht er selbst, wenn er nicht schon einen Plan hätte, wie wir uns ein neues Schiff besorgen könnten.

Mit Müh und Not erreichten wir gerade noch so einen Steg, nur um dann erst einmal genötigt zu werden, dafür zu bezahlen, dass wir mit unserem Boot, oder eher das, was von diesem übrig war, im Hafen anlegen durften. Wir striffen ein wenig am Hafen entlang, bis mein Vater ein Schiff entdeckte, das seinen Vorlieben entsprach. „Da ist es. Die berüchtigte Interceptor", grinste er. „Und wie genau willst du das anstellen?", neckte ich ihn. „Ich arbeite daran", gab mein Vater zu. Inzwischen war der Hafen beinahe menschenleer. „Es scheint irgendwas los zu sein hinter den Mauern." Ich deutete mit einem Kopfnicken Richtung Stadt. Vater rieb sich das Kinn. Das machte er immer, wenn ihm eine Idee kam. Ohne ein Wort zu sagen, marschierte er zu einem Kai. Mit einem Seufzen folgte ich ihm. Na, wenn das nicht mal schief geht.

„Halt! Dieser Kai darf von Zivilisten nicht betreten werden!" Die Soldaten, die den Pier bewachten, verschränkten ihre Macheten und versperrten meinem Vater so den Weg. Er hob beschwichtigend die Hand. „Verzeiht. Wenn ich einen sehe, werd ich euch sofort informieren." Wieder versuchte er an den beiden Soldaten vorbei zu kommen. Ich beschloss mich mal nützlich zu machen und setzte ein Lächeln auf. Dem jüngeren der beiden näherte ich mich, während ich eine meiner braunen Locken hinter mein Ohr strich. „Wie kommt es, dass zwei so außergewöhnliche Gentlemen, wie ihr, trotz aller Verdienste nicht eingeladen seid?", fragte ich mit einem übertriebenen Wimpernschlag. Der junge schluckte. „Jemand muss dafür sorgen, dass dieser Kai von Zivilisten nicht betreten wird." Ich musste ein wenig zu ihm aufsehen, was mir aber in die Karten spielte. „Eine noble Aufgabe. Doch wie mir scheint macht ein Schiff wie dieses das etwas überflüssig", mischte Vater sich wieder ein und deutete auf das Schiff, welches am Kai befestigt war. „Ja die Dauntless ist am besten gerüstet in diesen Gewässern, aber mit der Geschwindigkeit der Interceptor kann es kein Schiff aufnehmen," klärte ihn der Dicke auf.

Da hatte ich einen Einfall, wie ich die beiden ablenken konnte, damit Vater sich auf das Schiff schleichen konnte: „Ich hab von einem gehört. Es soll sehr schnell sein, nahezu unschlagbar. Die Black Pearl." „Es gibt kein echtes Schiff, das es mit der Interceptor aufnehmen kann", lachte der Dicke. „Die Black Pearl ist ein echtes Schiff", widersprach der Jüngere. „Nein ist sie nicht", konterte der andere wieder. Der Junge warf mir einen unsicheren Blick zu und ich nickte ihm aufmunternd zu. „Doch. Ich hab sie gesehen!", verteidigte er sich. Die Soldaten der königlichen englischen Marine waren so in ihrem Streit vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie mein Vater sich an ihnen vorbeischlich. „Du willst also behaupten, du hast ein Schiff mit schwarzen Segeln gesehen, dessen Crew verflucht ist und dessen Kapitän ein Mann, so grausam, dass selbst die Hölle ihn wieder ausgespukt hat? Also, wie ich schon sagte, es gibt kein echtes Schiff, dass es-.". Mit diesen Worten wendete der Dicke sich wieder an mich, wobei er feststellte, dass Vater nicht mehr neben mir stand.

Er zog den Jungen am Ärmeln den Steg hinauf und ich eilte ihnen hinterher. Vater stand hinter dem Steuerrad. „Verzeiht, aber das hier ist nur so ein schnuckliges Boot." Die Soldaten bedrohten ihn mit ihren Gewehren. „Aus welchem Grund seid ihr wirklich in Port Royal?", fragte der Dicke und der Junge unterstützte ihn. „Ja! Und keine Lügen!" „Ich will ein Schiff kapern, eine Mannschaft in Tortuga suchen, stehlen, rauben, plündern, oder anders gesagt, mir meine schwarze, heimtückische Seele ausreißen," grinste Vater. „Ich sagte keine Lügen!" Der Dicke wurde zornig. „Er sagt die Wahrheit." Beide sahen zwischen mir und Vater hin und her, unsicher, ob wir uns nicht einen Scherz mit ihnen erlaubten. „Unsinn! Wenn es die Wahrheit wäre, hätte er es uns nicht gesagt!", schloss der Dicke. Vater zog einen Mundwinkel nach oben: „Es sei denn, er wüsste, ihr würdet sie nicht glauben, selbst wenn er sie sagen würde."

Der jüngere wollte grade etwas erwidern, als etwas ins Wasser fiel und damit seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Verdutzt lehnten sie sich über die Reling, um zu erkennen, was das gewesen war. „Elizabeth!" tönte ein Schrei von den Mauern herunter. Vater begriff als Erster. „Ein Mädchen. Wollt ihr sie denn nicht retten?", fragte er ernst an die Soldaten gewandt. „Ich kann nicht schwimmen", beichtete der eine, während der andere nur mit den Schultern zuckte. „Stolz der königlichen Marine", stöhnte mein Vater, „Wehe ihr verliert das!" Er drückte ihnen seinen Mantel, Hut und Waffengürtel in die Hand und verschwand mit einem Kopfsprung in den Fluten. Besorgt suchte ich das Wasser nach einem Zeichen meines Vaters ab, doch konnte ich in dem trüben Hafenbecken nichts erkennen. Da tauchte Vater auf, jedoch ohne das Mädchen. Da legte auch ich Waffengürtel und Jacke ab und tauchte unter, um ihm zu helfen.

Das dreckige Wasser stach in den Augen, doch ich konnte sehen, dass er versuchte das Mädchen von ihrem schweren Rock zu befreien, der sich komplett mit dem Wasser vollgesogen hatte. Ich zog mein Messer, welches ich an der Innenseite meines rechten Stiefels aufbewahrte, und trennte den schweren Rock ab. Vater griff unter die Arme des Mädchens und zog sie an die Oberfläche. Der junge Soldat half mir aus dem Wasser auf einen Steg und zog auch die junge Frau heraus und legte sie auf den Holzplanken ab, während ich Vater hinaus half. „Sie atmet nicht!" Panisch schüttelte der Dicke ihre Schultern. Was ein Holzkopf. Mit einer einzigen Bewegung durchtrennte ich die Schnüre des viel zu eng sitzenden Korsetts und sofort schnappte die junge Frau nach Luft. Das entdeckte ich ihre Halskette, es war eine der Goldmünzen aus dem Schatz des Cortes, dem wir vor Ewigkeiten einmal nachgejagt hatten. Wir kamen nie am Ziel an, das ist ebenfalls eine lange Geschichte, aber ich hatte so viele Gerüchte über dieses Gold gehört, dass diese Halskette unverkennbar ein Teil davon war. Endlich hatte ich eine Spur zu Barbossa gefunden, dem Vater Rache geschworen hatte. Ich winkte ihn herbei und er beugte sich über die junge Frau um das Gold genauer zu betrachten. „Woher habt ihr das?"

Bevor sie antworten konnte stürzten weitere Soldaten herbei und zogen das verwirrte Mädchen auf die Füße. Ein Offizier legte ihr seinen Frack um die Schultern und forderte, man solle meinen Vater festnehmen. „Commodore, ich muss wirklich protestieren. Dank man so meinem Retter?" Elizabeth drängte sich zwischen die Soldaten und meinen Vater. Mich beachtete man gar nicht, also versuchte ich mich etwas zu Seite zu drängen, um im Notfall fliehen zu können. „Na schön. Vielleicht ist hier doch ein Dank angebracht." Der Commodore reichte Vater die Hand, welche er skeptisch ergriff. Das Misstrauen war berechtigt, denn der Commodore schob Vaters Ärmel hoch und sah den Brand, der ihn eindeutig als Piraten verriet. Und der Commodore hatte genau das erwartet. „Hatten wir mal eine Begegnung mit der East India Trading Company, Pirat? Erschießt ihn", befahl er, „So, so. Jack Sparrow nehme ich an." „Captain Jack Sparrow, um genau zu sein", erklärte Vater mit erhobenem Zeigefinger. „Achso? Ich sehe gar nicht euer Schiff", lachte der Commodore abschätzig. „Sir, er hat gesagt, er will eins kapern! Das hier sind seine Sachen. Und die von dem Mädchen," meldete sich der Dicke mal wieder zu Wort. Sofort lagen alle Blicke auf mir. Elizabeth musterte mich verwundert, während der Commodore unsere Waffen begutachtete. „Ihr seid zweifellos der schlechteste Pirat, von dem ich je gehört habe." „Aber ihr habt von mir gehört", stellte Vater fest. Der Commodore rümpfte verächtlich die Nase. „Tötet sie beide."



Die Tochter des CaptainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt